Sie achteten und fürchteten ihn

Neunkirchen. Erhaben schweift sein Blick vom Denkmalsockel über die Stadt: "Dies alles ist mir untertänig", scheint er voller Stolz zu verkünden. Das Stumm-Denkmal vor dem Neunkircher Saarpark-Center erinnert an den Hüttenbesitzer Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg (1836 bis 1901). In dessen Neunkircher Eisenwerk verdienten seit Mitte des 19

 Stumm galt als fürsorglich und bevormundend. Sein Denkmal wurde 1902 vom Bildhauer Fritz Schaper gestaltet.Foto: Willi Hiegel

Stumm galt als fürsorglich und bevormundend. Sein Denkmal wurde 1902 vom Bildhauer Fritz Schaper gestaltet.Foto: Willi Hiegel

Neunkirchen. Erhaben schweift sein Blick vom Denkmalsockel über die Stadt: "Dies alles ist mir untertänig", scheint er voller Stolz zu verkünden. Das Stumm-Denkmal vor dem Neunkircher Saarpark-Center erinnert an den Hüttenbesitzer Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg (1836 bis 1901). In dessen Neunkircher Eisenwerk verdienten seit Mitte des 19. Jahrhunderts Generationen von Hüttenarbeitern ihr Brot. Vor 175 Jahren, am 30. März 1836, wurde der Großindustrielle geboren.Einblicke in den Alltag im Stumm'schen Eisenwerk mit seinen 4200 Beschäftigten um die Jahrhundertwende (1900) vermittelt uns das Tagebuch des aus St. Wendel-Alsfassen stammenden Rudolf Grenner (1873 bis 1949). Dieser war seit 1895 Angestellter im Walzwerk-Büro der Hütte. Er führt uns in ein Unternehmen, dessen Chef bei seinen Beschäftigten hoch geachtet war und dem das Wohl seiner Untergebenen am Herzen lag.

Doch ließ sich "König Stumm", wie Bismarck (1815 bis 1898) ihn nannte, in betriebliche Angelegenheiten nicht hineinreden, schon gar nicht von Parteien. Er kümmerte sich um seine Leute, aber er bevormundete sie auch: Ein Unternehmer als Patriarch.

Disziplin und Ordnung wurden groß geschrieben. Wer zu spät kam oder das falsche Eingangstor benutzte, wurde aufgeschrieben. Das letzte Wort bei Löhnen, Versetzungen und Strafen hatte der Firmenchef. Der erwartete von seinen Beschäftigten, dass sie SPD-freundliche Gaststätten mieden und die zentrumsnahe Neunkircher Zeitung abbestellten.

Grenner findet das durchaus verständlich. Wer bei Stumm arbeite, müsse auch zu ihm halten. Der auf Reichsebene tätige Politiker Stumm, einflussreiches Mitglied der Freikonservativen Partei, kommt bei Grenner nur am Rande vor: Als Zielscheibe scharfer Angriffe der katholischen Zentrumspartei oder als Wahlsieger, der mit Bravo-Rufen, Hochs, Nationalhymne und Freibier gefeiert wird (24. Juni 1898).

Als die Katholikenpartei das Wahlergebnis wegen unerlaubter Wählerbeeinflussung anficht, kontert Grenner: Das Zentrum habe es genau so schlimm getrieben, "wenn nicht noch schlimmer". Stumm war Protestant, förderte den Bau von Kirchen und fühlte sich der Sozialreform verpflichtet. In seiner Firma wurde für Kranke, Invaliden, Witwen und Waisen vorbildlich gesorgt. Sie verfügte über Krankenhaus, Alters- und Waisenheim.

Gleichzeitig war Stumm ein scharfer Gegner der SPD, die damals noch hinter den Ideen von Karl Marx (1818 bis 1883) stand, wonach Unternehmer zu enteignen und die bürgerliche Gesellschaft umzustürzen sei. Rudolf Grenner aus Alsfassen war ein Kind seiner Zeit. Er fand auch nichts dabei, den Firmenchef um die Heiratsgenehmigung zu bitten. Im Jahr 1900 zwang Stumm seine Mitarbeiter, aus dem katholischen Gesellenverein auszutreten. Dem folgte auch Grenner, aber offenbar so widerwillig, dass er den Tod des Unternehmers - er starb am 9. März 1901 an Speiseröhrenkrebs - als eine "Strafe Gottes" empfand.

Die Enthüllung des von der Belegschaft gestifteten Stumm-Denkmals am 30. November 1902 blieb Grenner vor allem wegen des "hundsmiserablen Festessens" in Erinnerung: Die Weinflaschen seien "noch schmutzig", die Kartoffeln "erfroren und daher süß", das Fleisch "zu kalt" gewesen.

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