Vom Herrensitz zum Bürgerschloss

Saarbrücken · Vor 40 Jahren wurde aus dem Landkreis Saarbrücken der Stadtverband. Der heißt inzwischen Regionalverband und feiert seine vier Jahrzehnte als Verwaltungseinheit am Sonntag mit einem Tag der offenen Tür im Schloss – fast genau ein Vierteljahrhundert nach dem ersten Tag der offenen Tür dort.

 Eine der wichtigsten Saarbrücker Immobilien im Wandel: das Schloss vor der Umgestaltung 1981 und bei einem Fest 2003. Fotos: Hartung/Becker&Bredel

Eine der wichtigsten Saarbrücker Immobilien im Wandel: das Schloss vor der Umgestaltung 1981 und bei einem Fest 2003. Fotos: Hartung/Becker&Bredel

Das Schlossgespenst hatte ein Problem. Das herrschaftliche Gemäuer in Alt-Saarbrücken war zum Bürgerschloss umgebaut worden. Und die Bürger nahmen das offenbar ernst. Rund 30 000 kamen zu den Tagen der offenen Tür - und sie schlichen alles andere als demütig und leise durch der Fürsten einstige Herrschafts- und Wohnräume. "Der arme kleine Geist, schrie sich die Seele aus dem Leib, um bei den Schlossführungen für Kinder wenigstens einigermaßen verstanden zu werden", berichtete die Saarbrücker Zeitung.

Das ist gut 25 Jahre her.

Baukosten: 42,7 Millionen Mark

Am Tag zuvor, dem 7. April 1989, war das für 42,7 Millionen Mark (etwa 21,5 Millionen Euro) sanierte und teilweise neu aufgebaute Schloss offiziell eröffnet worden. "Ein Jahrhundertereignis", nannte das der Präsident des damals noch Stadtverband heißenden Regionalverbands, Franz-Ludwig Triem. Ministerpräsident Oskar Lafontaine, der den Umbau des Schlosses zuvor bereits als Saarbrücker Oberbürgermeister vorangetrieben hatte, sprach von einem "Beispiel selbstbewusster Denkmalpflege ". "Aus einem Pflegefall" sei "ein Musterfall an Denkmalpflege " geworden, "aus dem Symbol feudaler Weltanschauung ein Symbol demokratischen Lebens".

Dass Lafontaine so viel von Denkmalschutz sprach, lag auch daran, dass es aus Teilen der Bevölkerung und von der oppositionellen CDU massive Kritik an der Art der Sanierung gegeben hatte. In dem Streit ging es zum einen um die Frage, ob die Verwaltung des Stadtverbands, dem das Schloss gehört, so viel Platz braucht, wie er nach der Renovierung dort hatte. Kritiker sagten, dass das Schloss zu groß sei für die Stadtverbandsverwaltung.

Ein Irrtum, wie sich im Laufe der Jahre herausstellte. Inzwischen ist die Verwaltung auf viele Gebäude in der ganzen Stadt verteilt, weil im Schloss nicht genug Platz ist.

Kernpunkt des Streits war aber die Frage: Soll das Schloss im Stil seines ursprünglichen Erbauers Friedrich Joachim Stengel saniert werden, oder darf die alte Bausubstanz durch ein modernes Element ergänzt werden? Viele Jahre lang wurde heftig gestritten - nicht nur zwischen den Parteien. Es gab Bürgerinitiativen für ein neues Bürgerschloss und für Rekonstruktion im Stengel-Stil. Es wurden Gutachten geschrieben, und es wurde leidenschaftlich gestritten.

Oskar Lafontaine war zufrieden

Die SPD setze sich mit ihrem Mut zur Erneuerung schließlich politisch durch. Der marode Mittelbau des Schlosses wurde durch einen Mittelrisaliten aus Glas und Stahl nach Plänen von Professor Gottfried Böhm ersetzt, in dem auch der neue Festsaal Platz fand.

"Das Barockschloss ein zweites Mal aufzubauen, wäre einer Flucht in vergangene Pracht" gleichgekommen, stellte Oskar Lafontaine bei der Eröffnung noch mal klar. Das Zähneknirschen der Böhm-Plan-Gegner war da schon nicht mehr so laut, dass es das Schlossgespenst zum Schreien gezwungen hätte. Und inzwischen führt so mancher, der damals gegen den modernen Mittelbau gekämpft hat, Gäste dorthin, um ihn voller Stolz zu präsentieren.

Zum Thema:

Auf einen BlickZum Tag der offenen Tür im Schloss lädt der Regionalverband Saarbrücken am 29. Juni ein. Von 10 bis 18 Uhr informieren die Verwaltungsabteilungen über ihre Arbeit. Außerdem gibt es ein Unterhaltungsprogramm.Kinder bekommen nach einem erfolgreich gemeisterten Tretroller-Parcours auf dem Schlossplatz einen Rollerführerschein. Für Jugendliche steht auf dem Schlossplatz das Rockmobil bereit. Die Jugendzentren des Regionalverbandes bieten in ihrem Zelt eine Chill-Out-Lounge, Tisch-Kicker und Jonglage. Erwachsene können sich bei der Tourist-Info im Foyer stündlich zur Führungen aufs Schlossdach oder zur Burganlage unter dem Schloss treffen. Der Festsaal ist komplett in der Hand des Gesundheitsamtes. Hier können Besucher unter anderem ihre Blutwerte untersuchen lassen. Im Foyer des Festsaales kann man bei der Volkshochschule bei einem fiktiven Einbürgerungs- oder Rechtschreibtest sein Wissen auf den Prüfstand stellen. Auch die politischen Fraktionen in der Regionalversammlung informieren.Im Mittelbau des Schlosses präsentieren sich verschiedene Schulprojekte, zum Beispiel ein sprachgesteuerter Roboter. Und wo sonst die politischen Ausschüsse der Regionalversammlung tagen, wird ein Kleintierzoo eingerichtet. Die Regionalentwicklung präsentiert die Tourismus-Region Saarbrücken mit den Themen Wandern, Radfahren und Eurodistrict SaarMoselle. Das Jugendamt lädt Kinder und Jugendliche ein, einen Ernährungs-Parcours zu absolvieren.Clown Schorsch ist als Hausmeister Hans Wichtig unterwegs. Es gibt eine Eis-Jonglage. Und die "iBand" des KBBZ Halberg spielt. Um 11 Uhr tritt die Blues-Band "Hot & Nasty" auf, um 18 Uhr die Rock-Pop-Band "The Rambling Wheels". red

 1987 war die Umgestaltung des Schlosses weit gediehen. Damals wurde der Schlossplatz zum Parken genutzt. Foto: Julius C. Schmidt

1987 war die Umgestaltung des Schlosses weit gediehen. Damals wurde der Schlossplatz zum Parken genutzt. Foto: Julius C. Schmidt

Foto: Julius C. Schmidt
 Professor Gottfried Böhm 1989 vorm Schloss. Foto: Hartung

Professor Gottfried Böhm 1989 vorm Schloss. Foto: Hartung

Foto: Hartung
 Das Schloss ist ein Saarbrücker Wahrzeichen. Foto: Becker&Bredel

Das Schloss ist ein Saarbrücker Wahrzeichen. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel
 Nur eine Fotomontage: So warb der Stadtverband 2004 für die Party zu seinem 30-jährigen Bestehen. Foto: Stadtverband

Nur eine Fotomontage: So warb der Stadtverband 2004 für die Party zu seinem 30-jährigen Bestehen. Foto: Stadtverband

Foto: Stadtverband
 Das Schloss ist Sitz der Regionalverbands-Verwaltung. Foto: B&B

Das Schloss ist Sitz der Regionalverbands-Verwaltung. Foto: B&B

Foto: B&B

Zum Thema:

HintergrundErste Bauten auf dem Schlossfelsen gibt es im 9. Jahrhundert. 999 wird das erstmals urkundlich erwähnt. Im 13. Jahrhundert gibt es eine Burg auf dem Felsen. Zwischen 1602 und 1617 wird ein Renaissance-Schloss errichtet. Nach dessen Abriss lässt Fürst Wilhelm Heinrich von Friedrich Joachim Stengel ein neues Schloss bauen. Von 1739 bis 1748 wird gebaut. Im Oktober 1973 erreicht die französische Revolution Saarbrücken - das Schloss brennt. In den folgenden Jahren wird das Schloss immer wieder saniert. 1908 übernimmt der Landkreis das Schloss als Verwaltungssitz. 1944 brennt das Schloss teilweise aus. 1969 wird der Südflügel wegen Baufälligkeit gesperrt. 1981 beginnt der Um- und Neubau. red

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