Heilende Hitze für Krebspatienten?

Saarbrücken · Hitze scheint viele Krebspatienten geheilt zu haben. Hyperthermie heißt die Therapie. Doch bislang zahlen Kassen sie nicht. Denn Mediziner sehen keine aussagekräftigen Studien, die den Erfolg garantieren.

Es ist mehr als 100 Jahre her, dass Ärzte herausfanden: Bösartige Tumore mögen es nicht gerne heiß. Hohes Fieber bei Krebspatienten drängte Neubildungen zurück. Heute ist dieser Ansatz weiter erforscht. Jedoch noch nicht so weit, dass eine solche Therapie als Standard gilt. Hyperthermie heißt das Verfahren, bei dem Tumorgewebe erwärmt wird. Krebszellen sollen damit zerstört oder zumindest anfällig gemacht werden. Hyperthermie sollte daher am besten von Beginn an mit einer Chemotherapie angewendet werden, empfiehlt Reinhilde Detemple, Vorsitzende der saarländischen Krebsliga.

Karl-Ludwig Regitz aus Elversberg sagt, ihm habe die Hyperthermie geholfen. In Bonn ließ er seinen Bauchspeicheldrüsenkrebs entfernen und begann eine Chemotherapie . Immer einen Tag nach der Chemo bekam er eine lokale Hyperthermie. Ein Gerät erhitzte dort, wo der Tumor lag, in seinem Körper mögliche übrig gebliebene Krebszellen eine Stunde lang auf 41 Grad. "Es war kein unangenehmes Gefühl", erzählt Regitz. Nicht so bei Gabriela Heinrich (Name geändert) aus Eppelborn, die eine Chemotherapie ablehnte. Stattdessen ließ sie ihren Eierstockkrebs mit einer Ganzkörper-Hyperthermie behandeln. Dabei lag sie vier Stunden auf einem speziellen Bett, das ihre Tumorzellen erwärmte. Manchmal sei es "ganz gemütlich" gewesen, doch manchmal brachte sie die Therapie bei 39 Grad an einen Punkt, an dem sie dachte, dass es nun sofort aufhören sollte, erinnert sich Heinrich. "Man muss ein bisschen durchhalten." Heute ist sie gesund.

Im Saarland bietet nach dem Erkenntnisstand der Krebsliga keine Praxis Ganzkörper-Hyperthermie an. Und die Krankenkassen zahlen die Therapie nicht, es sei denn, der Patient wird in einer Klinik behandelt, die dazu Studien durchführt. Am Universitätsklinikum in Homburg kommt die lokale Hyperthermie bei bestimmten Tumoren zur Anwendung, berichtet der Onkologe Professor Michael Pfreundschuh. Es gebe Hinweise, dass bei bösartigen Tumoren der Extremitäten eine lokale Hyperthermie in Kombination mit einer regionalen Chemotherapie an Armen und Beinen wirksam ist, wenn auch große Studien mit zufälligen Testpersonen fehlen. Die lokale Hyperthermie habe weniger Nebenwirkungen als eine Ganzkörper-Hyperthermie. Bei letzterer zeigt Pfreundschuh Vorsicht: Eine Ganzkörper-Hyperthermie-Therapie außerhalb von Studien halte er für ethisch nicht vertretbar. "Es gibt keine überzeugenden klinischen Studien, die zeigen, dass die Ganzkörper-Hyperthermie die Wirkung einer Chemotherapie verbessert." In den letzten zehn Jahren haben sich laut Pfreundschuh keine neuen Aspekte ergeben.

Doch die Krebsliga will eine Unterschriftenliste starten und kämpft weiter gegen einen 2005 gefassten Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses, der die Kassenleistungen festlegt. Darin heißt es, dass die Erkenntnisse aus Studien nicht valide genug seien und Hyperthermie keine Kassenleistung werde. Auch neun Jahre später müssen Patienten für die Therapie weiter in die Tasche greifen. 150 Euro kostet eine Sitzung etwa, sagt Dr. Ortwin Zais, der Hyperthermie in Hermeskeil anbietet. Warum das Verfahren nicht jedem helfe? "Jeder Mensch reagiert anders", sagt Zais, stellvertretender Vorsitzender der Saarländischen Krebsliga. "Tumorzellen haben eine einzige Strategie: Überleben. Es gilt dem Tumor möglichst viele Türen zuzumachen." Kein Verfahren gegen Krebs erwirke zu 100 Prozent eine Heilung, sagt Zais. Aber er hat Hoffnung: "Ich sehe, dass sich immer mehr Onkologen dafür öffnen."

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