"Gemeinsam sind wir stark"

Saarbrücken. Fünf Frauen und vier Männer sind in den Räumen der saarländischen Krebsliga zusammengekommen. Die meisten sehen fit aus, lächeln, begrüßen freudig die anderen. Wie jeden Mittwochnachmittag trifft sich auch zu diesem Tag, dem Tag des 35. Bestehens der Liga, die Selbsthilfegruppe. Reinhilde Detemple, erste Vorsitzende der Liga, hat Kaffee und Tassen für alle bereitgestellt

 Der ehemalige Krebspatient Gerhard Braun kommt seit Jahren zu den Treffen der Selbsthilfegruppe der saarländischen Krebsliga. Foto: Oliver Dietze

Der ehemalige Krebspatient Gerhard Braun kommt seit Jahren zu den Treffen der Selbsthilfegruppe der saarländischen Krebsliga. Foto: Oliver Dietze

Saarbrücken. Fünf Frauen und vier Männer sind in den Räumen der saarländischen Krebsliga zusammengekommen. Die meisten sehen fit aus, lächeln, begrüßen freudig die anderen. Wie jeden Mittwochnachmittag trifft sich auch zu diesem Tag, dem Tag des 35. Bestehens der Liga, die Selbsthilfegruppe.Reinhilde Detemple, erste Vorsitzende der Liga, hat Kaffee und Tassen für alle bereitgestellt. "Bei uns wird immer viel gelacht", erzählt Detemple. Die saarländische Krebsliga klärt über die Krankheit auf, bietet Betroffenen Unterstützung, vermittelt Experten. Das Besondere sei, "dass die Liga nach beiden Seiten offen sei - sowohl in Richtung Schulmedizin als auch in Richtung Alternativmedizin", so Detemple.

Seit neun Jahren kommt Gerhard Braun aus Hüttigweiler gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth jede Woche hierher - wenn es ihm sein gesundheitliche Zustand erlaubt. Als er an diesem Mittwoch in die Liga kommt, erzählt er Detemple stolz, dass er zugenommen hat. 53 Kilo wiegt der 58-Jährige. In schlechten Zeiten seien es 46 oder weniger gewesen. 2002 wurde bei Braun Darmkrebs diagnostiziert. Der Krebs wurde operativ entfernt. Zwei Jahre später wurden Metastasen entdeckt, es folgte eine Chemo. 2004 war er dann krebsfrei. Und fiel erstmal in ein Loch - er konnte nicht mehr arbeiten, keinen Sport mehr machen, soziale Kontakte brachen ab. Dann landete er in der Selbsthilfegruppe über einen Bekannten der Krebsliga.

"Es hat mir vor allem psychisch sehr viel gebracht", sagt Braun. Was er hier am meisten schätzt? "Dass ich in der Liga nicht als Kranker behandelt werde." Auch seine Frau ist froh: "Für mich ist das eine wahnsinnige Entlastung. Ich bin seitdem nicht mehr alleine mit meinen Ängsten."

Eine Hilfe seien auch die Ratschläge zu Ernährung und speziellen Therapien, die sie von Detemple und Dr. Ortwin Zais, der als stellvertretender Vorsitzender bei den Treffen mit dabei ist, bekämen. Trotz all dem: Richtig fit fühlt sich Braun auch heute nicht. "Gesund werde ich nicht mehr. Aber ich fühle mich stärker,als ich bin." Gleichzeitig lebe er mit der Angst, dass der Krebs zurückkommt.

Ein erklärtes Ziel der Krebsliga ist es, die sogenannte Hyperthermie zu etablieren, wie Zais erklärt. Bei dieser alternativen Therapieform, die die schulmedizinischen Wirkungsweisen unterstützen soll, wird der Körper überhitzt. Die Krebsliga setzt sich dafür ein, dass die Hyperthermie zur Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen wird. "Es geht vor allem darum, für eine gute Lebensqualität zu sorgen", so Zais, der eine Praxis für ganzheitliche Medizin in Hermeskeil betreibt.

Auch das Leben von Reinhilde Detemple, die als Initiatorin bei der Liga von Anfang an dabei war, ist seit etlichen Jahren durch den Krebs geprägt. "Alles fing an, als mein Bruder an Krebs erkrankte", erzählt die 74-Jährige. Das war 1963, ihr Bruder war damals 22 Jahre alt, sie 23. Eine Tortur: Der Krebs kam nach der OP zurück, der Bruder war danach gelähmt, die Ärzte wollten nicht mehr operieren. Detemple gab nicht auf, klagte gegen die Krankenkasse, suchte Spezialisten. Und hatte Erfolg: Ihr Bruder konnte zunächst vom Krebs geheilt werden, und starb erst mit 40 Jahren - an Krebs. Seitdem kümmert sie sich um Krebspatienten. Damals habe sie geschworen: "Ich werde mich ein Leben lang um Krebspatienten kümmern, wenn mein Bruder noch ein paar Jahre länger lebt." Und das tat sie. Unter dem Motto "Gemeinsam sind wir stärker" tat sie sich damals mit etwa 20 Leuten zusammen. Auch heute ist sie noch rund um die Uhr für Patienten da. Macht unter anderem Telefonseelsorge: "Das Telefon steht nie still." Manche stehen aber auch vor ihrer Tür. Oft fährt sie zu Patienten nach Hause, oder ins Krankenhaus.

In schlimmen Fällen steht Detemple den Kranken bis zur letzten Sekunde zur Seite. Wie viele Menschen sie schon an Krebs hat sterben sehen, kann sie nicht sagen. "Der Tod gehört einfach mit dazu. Natürlich gibt es auch sehr schwere emotionale Momente." Was gibt ihr die Kraft diese zu überstehen? Es sei der Glaube an ein Leben nach dem Tod. Dennoch will sie jetzt ihr Amt aufgeben, sie wünscht sich Zeit mit ihrer Tochter und ihren Enkelkindern. "Es reicht langsam. Jetzt ist mal die Familie dran." Deshalb hat sie den Entschluss gefasst, diesen Sommer nicht mehr als Vorsitzende zu kandidieren. Auch wenn sie wohl kaum ganz mit der Krebsliga abschließen wird, steht fest: "Ich bekomme auf jeden Fall eine neue Telefonnummer."

saarl-krebsliga.de

"Ich fühle mich stärker als ich bin."

Gerhard Braun,

Ex-Krebspatient

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