SZ-Serie „Passanten zeigten mit dem Finger auf uns“

Saarbrücken · Sie waren Vorkämpferinnen am großen Steuer: Drei Frauen fingen gemeinsam als Busfahrerinnen bei der Stadtbahn an.

 Maria Lamest (links) im Gespräch mit Lackiererin Brigitte Schuster. Foto: BeckerBredel

Maria Lamest (links) im Gespräch mit Lackiererin Brigitte Schuster. Foto: BeckerBredel

Foto: BeckerBredel

Am Malstatter Markt regnete es in Strömen, als ein Fahrgast zum Bus hastete. Die Tür war schon geschlossen, aber sie öffnete sich wieder. Mit einer Pfütze unter den Schuhen stand der ältere Herr nun auf dem Trittbrett und blickte erschrocken zum Fahrer. "Da fahr ich nicht mit", sagte er und stellte sich wieder in den Regen. Was war geschehen? Er hatte weder seine Fahrkarte vergessen noch war die Linie überfüllt. Er hatte schlicht eine Frau am Steuer gesehen und es vorgezogen, nass zu werden.

Wenn Maria Lamest (60) diese Geschichte erzählt, sagt sie dazu, dass es die einzige negative Reaktion war, die sie als eine der ersten Saarbrücker Busfahrerinnen je erlebt hat. "Wir waren drei Frauen, die gemeinsam bei der Stadtbahn anfingen. Wir waren Pioniere, die Passanten zeigten schon mal mit dem Finger auf uns. Die männlichen Kollegen machten ihre Scherze, aber beleidigt wurden wir nie", erzählt sie heute.

Sie ist immer noch bei der Saarbahn GmbH, fährt immer noch Linienbusse und wird 2020 in den Ruhestand gehen. Ihre beiden Mitstreiterinnen aus der ersten Busfahrerinnengeneration sind schon in Rente. "Ich war 23. Die Älteren sahen in mir ein Kind. Ein kleines Mädchen, das einen Bus fährt. Das hat die Männer irritiert", sagt sie heute. In Beckingen arbeitete sie vorher in einem Reisebüro und sah in der SZ eine Annonce des Arbeitsamtes, das Frauen gezielt für Männerberufe begeistern und dies fördern wollte. "Drei Tage später war ich bei den Saartal-Linien", erzählt sie nicht ohne Stolz. Seitdem bedient sie die Saarbrücker Linien und kann alle Haltestellen auswendig. "Das mussten wir bei der Schaffnerprüfung lernen und aufsagen."

Bevor sie im Reisebüro arbeitete, hatte sie im elterlichen Betrieb, einer nebenberuflichen Landwirtschaft, den Traktor gefahren. Das begründete ihre Affinität zu schweren Fahrzeugen, das Büro gab ihr den Impuls, sich zu bewerben: "Ich konnte nicht drinnen arbeiten, das machte mir keinen Spaß. Ich muss die Jahreszeiten sehen können."

Anekdoten? Die Italienerin, die ihr an einer Endstation im Hochsommer kalte Limonade brachte. Die Oma, die ihr selbstgenähte Taschentücher schenkte - immer wieder. Aber normalerweise laufen die Dienste ohne solche Geschichtchen. Linienverkehr ist Routine. Trotzdem liebt Maria ihren Job auch heute noch. Wenn sie 2020 aufhört, will sie reisen. Dann tauscht sie die Rücklichter im Stadtverkehr gegen Nordlichter in Island oder Skandinavien.

Die Saarbahn in Zahlen: 28 Saarbahnen und 128 unternehmenseigene Busse sind täglich im Einsatz. 485 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bei der Saarbahn GmbH und Saarbahn Netz GmbH beschäftigt. Rund 300 bei der Saarbahn beschäftigte Fahrerinnen und Fahrer steuern täglich 1300 Haltestellen an.www.saarbahn.de/125_jahre/

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