Die meisten Paare wollen im Rathausfestsaal getraut werden

St. Johann. Auch nach rund 30 Jahren im Saarbrücker Standesamt hat Amtsleiter Jürgen Maul immer wieder mal Grund zu staunen. So ist er zum Beispiel überrascht, dass er am Sonntag, 10.10.2010, noch etliche Termine für Trauungen frei hat. Solche Daten - wie zuletzt der 9.9.2009 und der 8.8.2008 - waren in den bisherigen Jahren des neuen Jahrtausends bei heiratswilligen Paaren sehr beliebt

 Im Saarbrücker Rathaus St. Johann schließen jedes Jahr rund 900 Paare ihren Bund fürs Leben. Archiv-Foto: Becker&Bredel

Im Saarbrücker Rathaus St. Johann schließen jedes Jahr rund 900 Paare ihren Bund fürs Leben. Archiv-Foto: Becker&Bredel

St. Johann. Auch nach rund 30 Jahren im Saarbrücker Standesamt hat Amtsleiter Jürgen Maul immer wieder mal Grund zu staunen. So ist er zum Beispiel überrascht, dass er am Sonntag, 10.10.2010, noch etliche Termine für Trauungen frei hat. Solche Daten - wie zuletzt der 9.9.2009 und der 8.8.2008 - waren in den bisherigen Jahren des neuen Jahrtausends bei heiratswilligen Paaren sehr beliebt.Maul berichtet: "Man kann seinen Hochzeitstermin ein halbes Jahr im Voraus buchen, und manchmal saßen die Leute bereits um fünf Uhr früh im Rathausflur, um ihren Wunschtermin zu bekommen." Dieses Jahr hätten die Saarbrücker Standesbeamten am 10. Oktober sogar eine Extraschicht am Sonntag eingelegt - doch die Nachfrage war bisher überschaubar. Maul: "Erstaunlicherweise sind sogar noch eine Menge Termine frei."

Rund 1000 Paare lassen sich jedes Jahr in Saarbrücker trauen - die meisten davon im Rathausfestsaal. Aber das Standesamt bietet auch drei weitere Trauorte an: die historische Scheune in Güdingen, die Bergmannskapelle in Von der Heydt und die Deutschherrnkapelle in Alt-Saarbrücken.

Selten müssen die Standesbeamten zu anderen Orten, um ihre Dienstpflichten zu erledigen - dann aber meist aus traurigem Anlass. Maul: "Manchmal trauen wir die Leute auch zuhause, wenn sie bettlägerig sind, oder falls notwendig im Krankenhaus." Er selbst habe schon im OP-Kittel auf der Intensivstation gestanden und auf das Ja-Wort der Eheleute gewartet.

Die Heiratsfreude ist abhängig von der Jahreszeit. Maul: "Von Januar bis März gibt es kaum Andrang. Wenn es aber im April/Mai warm wird, sind die Wochenendtermine lange im Voraus ausgebucht." Im September und Oktober flaue der Boom dann wieder ab, ehe zwischen Weihnachten und Silvester eine ganz besondere Gruppe kommt. Maul glaubt: "Das sind die, die vom Steuerberater den Tipp bekamen, zu heiraten."

Übrigens müsse man nicht in Saarbrücken gemeldet sein, um dort zu heiraten. "Wir verheiraten pro Jahr etwa 200 auswärtige Paare. Man braucht sogar nicht einmal einen Wohnsitz in Deutschland zu haben", sagt Maul. Wer so lange wie er im Hochzeitsgeschäft tätig ist, erkennt auch Trends. Maul: "Die Trauungen im Rathausfestsaal werden von immer mehr Angehörigen und Freunden besucht."

Als Grund vermutet Maul ein Phänomen, um das sich ebenfalls sein Amt kümmern muss - es registriert nämlich seit 2004 die Kirchenaustritte. Maul: "Seit den jüngsten Skandalen gibt es wieder sehr viel mehr Austritte." Und weil bei den Ausgetretenen die kirchliche Trauung entfällt, mehrten sich die Gäste bei der Heirat auf dem Standesamt.

Maul hat auch beobachtet, dass sich nicht alle in Schale werfen, um sich das Ja-Wort zu geben. Manche Soldaten oder Feuerwehrleute tragen Uniform, Rocker ihre Lederkluft. Und manche Paare kommen in Freizeit- oder Arbeitskleidung.

Von Paar zu Paar müssen Maul und seine Kollegen sich umstellen: "Manche wünschen sich eine schöne Rede, die in Erinnerung bleibt, andere wollen es kurz und bündig."

Alles ist möglich - nur kein Scherz mit dem Wort Nein. Maul: "Wenn einer dieses Wort sagt, wird die Trauung sofort abgebrochen." Ein ernst gemeintes "Nein" hat er übrigens schon genauso erlebt, wie dass Braut, Bräutigam oder sogar ganze Gesellschaften nicht zum vereinbarten Termin erschienen. Auch besondere Zeremonien nach der Trauung habe er schon erlebt: "Einmal röhrten 100 Motorräder auf dem Rathausvorplatz, ein anderes Mal war der Platz voller Schornsteinfeger." al

Auf einen Blick

2009 hat das Standesamt Saarbrücken rund 1000 Paare getraut, etwa 3000 Sterbefälle und 2500 Kirchenaustritte registriert. Etwa 90 Prozent der Trauungen waren im Rathausfestsaal. Bei etwa 70 Prozent der Trauungen heiraten deutsch-stämmige Paare. Ehen zwischen Homosexuellen sind seit 2001 möglich, 2009 haben die Saarbrücker 36 solcher Paare getraut. Dabei gaben sich 17-mal Männer und 19-mal Frauen das Ja-Wort, gegenüber 2008 entspricht dies einem Zuwachs von 80 Prozent. al

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort