Rundgang durch die Innenstadt: Die Baukultur der 50er Jahre

Saarbrücken. Hübsch oder hässlich? An den Saarbrücker Bauten aus den 50er Jahren scheiden sich die Geister. Für viele ist und bleibt sie eine schnöde Quadratisch-praktisch-schmucklos-Architektur. Dabei muss man manchmal nur genauer hinschauen, um im Detail die Schönheit zu entdecken. Etwa die Kassettenstruktur unter dem Flugdach am "Haus des Sports"

Saarbrücken. Hübsch oder hässlich? An den Saarbrücker Bauten aus den 50er Jahren scheiden sich die Geister. Für viele ist und bleibt sie eine schnöde Quadratisch-praktisch-schmucklos-Architektur. Dabei muss man manchmal nur genauer hinschauen, um im Detail die Schönheit zu entdecken. Etwa die Kassettenstruktur unter dem Flugdach am "Haus des Sports". Wer hätte gedacht, dass der Architekt J.W. Ulrich, der das Haus an der Ecke Saarufer- und Eisenbahnstraße 1952/1954 für Saartoto baute, sich auf die Antike bezog?Überhaupt, das Flugdach: Es ist typisch für die 50er, weit auskragend, überstehend. "Um schweren Dächern eine Leichtigkeit zu geben", erklärt Carsten Diez. Der Architekt und sein Kollege Igor Torres führten Interessierte vor einer Woche durch die Eisenbahnstraße, um ihnen an ausgesuchten Gebäuden die Charakteristika der 50er Jahre zu erklären. Mit dabei war Heidrun Stern vom Stadtplanungsamt. Denn diese erste von drei Führungen ist Bestandteil des Modellprojekts "Baukultur in der Praxis", mit dem die Stadt die größtenteils in den 50ern wiederaufgebaute Eisenbahnstraße zukunftsfähig machen will. Diese Baukultur und ihren städtebaulichen Kontext den Hausbesitzern, Anwohnern und sonstigen Bürgern näherzubringen, gehört dazu.

Was den meisten die 50er verleidet, weiß Igor Torres, ist die Rasterarchitektur. Sie geht zurück auf Ernst Neufert, der mit seinem Handbuch "Bauentwurfslehre" das Standardwerk lieferte, um das industrielle Bauwesen zu rationalisieren. Doch Rasterfassaden müssen nicht zwangsläufig so eintönig wirken wie das Sparkassenverwaltungsgebäude Haus Nummer 61, betonen Torres und Diez. Wie die Originalpläne zeigen, hat der Bauherr auf die plastischen Gliederungselemente des Architekten Jakob Reis verzichtet, wohl aus Kostengründen. Im Gegensatz zum Auftraggeber von Architekt Hans von Ellen, dessen Wohn- und Geschäftshaus Nummer 35, auch seitlich in der Gutenbergstraße, aufgelockerter aussieht. Edlen Dolomit-Naturstein wiederum durfte Architekt W. Steinhauer 1956 für die Fensterbrüstungen an der Sparkasse nutzen.

Diese, wie auch die Staatskanzlei, das Fahrradgeschäft Kiel und das Wohn-/Geschäftshaus Eisenbahnstraße 23, darf die neunköpfige Gruppe von innen besichtigen. Von der Leichtigkeit der schwungvollen Travertin-Treppenhäuser bis hin zu den drastischen Saarbrücker Städtebau-Plänen des Franzosen Pingusson lassen Diez und Torres keinen Aspekt unberührt. Das Ziel der zweieinhalbstündigen Führung: "Dass man mehr Respekt entwickelt gegenüber den 50er-Jahre-Bauten", sagt Torres. Gerade jetzt, da man sich anschickt, sie energetisch zu sanieren. sbu

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