Stadtklima Saarbrücken verzichtet auf chemische Keule

Saarbrücken · Egal wie wild das Grün auch spießt, die Stadtverwaltung setzt in allen Bereichen ausschließlich auf Muskelkraft statt auf Herbizide.

 So munter blüht die kleine Wiese am östlichen Rand der Mainzer Straße am Römerkastell.   

So munter blüht die kleine Wiese am östlichen Rand der Mainzer Straße am Römerkastell.   

Foto: Landeshauptstadt Saarbrücken

Superlative sind immer eine zweischneidige Sache – sogar in Saarbrücken. Die Stadt ist beispielsweise eine der zehn grünsten in Deutschland. Das hat 2017 die Nasa festgestellt. Rund 80 Prozent von Saarbrücken sind – grün. Und normalerweise gilt ja für Städte: je grüner desto besser. Denn Bäume, Sträucher, Stauden, Blumen, Wiesen helfen den geplagten Stadtmenschen, all den Stress besser zu ertragen, den so eine Stadt automatisch mit sich bringt. Grün beruhigt, die Pflanzen erzeugen Sauerstoff und mindern den Lärm. Prima.

Aber da gibt’s auch einen Haken. Und der wird sichtbar, wenn das Wetter solche Kapriolen macht wie dieses Frühjahr. Der muntere Wechsel von reichlich Regen zu überraschend intensiver Sonne und umgekehrt – der schlaucht die Menschen und beflügelt die Pflanzen. Die Menschen haben sogar zweifach zu leiden, erstens kommt ihr Kreislauf aus dem Takt und zweitens haben sie jede Menge Arbeit in ihren Gärten, wo sie das wild wuchernde Grün nur mit Mühe unter Kontrolle bringen.

Und je größer der Garten, desto größer die Mühe. Besonders hart wird’s dann meist fürs städtische Grünamt, das dieses Wachstum bändigen muss.

Die SZ wollte wissen, ob da nicht auch – gerade in Jahren wie diesem – quasi aus Notwehr das eine oder andere Sprühmittel zum Einsatz kommt. Vielleicht auf Gehwegen, Plätzen und Einfahrten, wenn dort das Grün hartnäckig zwischen den Platten sprießt?

Aber die Stadt-Pressestelle widersprach energisch. Sie versicherte: Das Saarbrücker Grün wird rein ökologisch gepflegt. Da ist keinerlei  Chemie im Spiel. Auch nicht dort, wo man von Hand nur schwer rankommt. Deshalb steht das Grünamt in diesem Kampf auch nicht allein.

Stadt-Sprecher Thomas Blug erklärt: „Das Team vom Zentralen Kommunalen Entsorgungsbetrieb (ZKE) befreit die Gehwege  mechanisch vom Wildwuchs. Dabei kommen akkubetriebene, motorbetriebene Freischneider, Unkrautfräsen und Kratzeisen zum Einsatz. An schlecht zugänglichen Stellen wie Mauerecken, Nischen oder auf Treppen – zum Beispiel auf der Berliner Promenade – entfernen die Mitarbeiter Unkraut – unter Beachtung des Brandschutzes – auch thermisch mittels eines Brenners.“ Denn die Saarbrücker Straßenreinigungssatzung verbietet den Einsatz von Herbiziden. Schon seit den 80er Jahren verzichtet die Stadt komplett auf die chemische Keule und ist von Umweltschutzverbänden als herbizidfreie Kommune anerkannt.

Aber damit nicht genug. Auf Saarbrücker Wiesen lässt das Grünamt Abschnitte mit blühenden Pflanzen für Insekten stehen. In Grünanlagen, an Straßenrändern und auf Verkehrsinseln hat das Amt Wildblumen gesät. Einige Grünflächen sind sogar als Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen.

Außerdem stellt das Amt mehreren Hobbyimkern für deren Bienenstöcke Standplätze in Parks zur Verfügung, so auch im Deutsch-Französischen Garten und  auf dem Friedhof Dudweiler.

Neben den konventionellen Gärten, Wiesen und Parks legt  das Grünamt neuerdings auch wieder Staudengärten an, wie beispielsweise am Wolfgang-Staudte-Platz und in der Stengelanlage. „Diesen Ansatz“, so erklärt die Pressestelle, „wollen wir systematisch weiterentwickeln und weitere Flächen anlegen. Das alles erfordert jedoch viel Aufmerksamkeit und Handarbeit.“

Das Grünamt setzt darauf, dass selbst öffentliche Parks davon profitieren, wenn man der Natur dort zur Abwechslung auch mal ihren Lauf lässt. Die Pressestelle erklärt: „Das Pflegekonzept für die öffentlichen Grünanlagen setzt seit Jahren auf eine weitgehende Extensivierung. Das bedeutet, dass wir nur behutsam in die Natur eingreifen und die Grünflächen sich natürlich entwickeln lassen.“

 Diese Wildblumen sprießen zwischen einer Straße und den Saarbahngleisen (r.).  Foto: LHS Saarbrücken

Diese Wildblumen sprießen zwischen einer Straße und den Saarbahngleisen (r.). Foto: LHS Saarbrücken

Foto: Landeshauptstadt Saarbrücken

Und diesem Konzept folgt die Stadt nicht nur bei ihren Parks. Auch auf Straßen- und Wegebanketten, Böschungen und Flächen, die nicht für einen bestimmten Zweck genutzt werden, wirft das Grünamt in der Regel nur noch zweimal pro Jahr den Rasenmäher an. Mancherorts sogar nur einmal. Immer vorausgesetzt, dass die Pflanzen niemanden gefährden. Und selbstverständlich wird schon gar nicht gemäht, wenn gerade Wildkräuter und -blumen blühen. Und mit seiner Baumschutzsatzung will Saarbrücken möglichst viele gesunde Bäume erhalten oder dafür sorgen, dass gefällte Bäume schleunigst ersetzt werden – denn wo Bäume fehlen, wird das Klima in der Stadt menschenfeindlich.

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