"Wir fühlen uns nicht alt, sondern lebensklug"

Riegelsberg. Als Wolfgang und Petra Speicher, beide im zarten Alter von 22 Jahren, sich in Eiweiler mit "Petras Blumenboutique" selbstständig machten, wollte das junge Paar beweisen, dass sie als Floristin und er als Gärtner und Landschaftsbauer die Kraft und das Können haben, sich eine Existenz aufzubauen. Mit Mut, Elan und Fleiß schufteten sie jahrein, jahraus

 Petra und Wolfgang Speicher sagen ihrem Geschäft "Floris Blumen und Grünanlagen" leise "Servus". Foto: M. Jungfleisch

Petra und Wolfgang Speicher sagen ihrem Geschäft "Floris Blumen und Grünanlagen" leise "Servus". Foto: M. Jungfleisch

Riegelsberg. Als Wolfgang und Petra Speicher, beide im zarten Alter von 22 Jahren, sich in Eiweiler mit "Petras Blumenboutique" selbstständig machten, wollte das junge Paar beweisen, dass sie als Floristin und er als Gärtner und Landschaftsbauer die Kraft und das Können haben, sich eine Existenz aufzubauen. Mit Mut, Elan und Fleiß schufteten sie jahrein, jahraus. 1980 folgte der Umzug nach Schwarzenholz, 1995 übernahm Wolfgang "Flori" Speicher seinen Lehrbetrieb, die damalige Gärtnerei Jungfleisch-Lotz in der Riegelsberger Wolfskaulstraße. 59. "Für meine Kaufentscheidung blieb mir damals gerade eine halbe Stunde Bedenkzeit. Ein halbes Jahr davor hatte ich noch Manschetten vor dem Kauf, im Frühjahr 1995 sagte ich 'ja'. Schon als Schüler hatte ich mir in dieser Gärtnerei mein Taschengeld aufgebessert. Meine Mutter hatte damals selbst einen Blumenladen am Friedhof." Sie wusste um die hohe berufliche Belastung und wollten, dass ihr Sohn Metzger lernt. Doch sein Herz schlug schon immer für die Arbeit in der Natur. Am liebsten wäre er Förster geworden. "Nach der Schule", so Speicher, "absolvierte ich meine Lehre als Garten- und Landschaftsbauer in der Gärtnerei Jungfleisch. Dass ich knapp 20 Jahre später hierher zurückkehren konnte, bedeutet viel für mich."Neben dem beruflichen Engagement hat sich das Ehepaar auch am Gemeinschaftsleben beteiligt. Während Petra Speicher mehr im Hintergrund aktiv ist und ihrem Mann den Rücken frei hält, engagiert sich Wolfgang Speicher im damaligen Heimat- und Verkehrsverein und im Karnevalsverein, wo er sich als Elferratspräsident, Moderator und Sänger der "Krumbierkichelcher" als Stimmungskanone Anerkennung erwirbt. Er ist Mitbegründer des Angelsportvereins Riegelsberg und setzt sich für das Aufstellen des Maibaums vor dem Rathaus ein. Die Adventsausstellungen in Floris Gewächshaus und Kabarett-Abende mit Detlev Schönauer bereichern das kulturelle Leben der Gemeinde.

Dass sie wirklich mit 55 Jahren in Rente gehen, haben beide wohl überlegt: "Wir sind nicht verrückt", erklärt Petra Speicher. "Wir haben auf dieses Ziel hingearbeitet." Ausschlaggebend waren persönliche Erfahrungen von Wolfgang Speicher, wie schnell das Leben zu Ende sein kann: "Meine Mutter starb mit 61 Jahren, vier Wochen, bevor sie ihr Blumengeschäft abschließen wollte. Mein Vater starb vier Monate später, er war gerade mal 65 Jahre alt. In meinem Unterbewusstsein spüre ich rational nicht erklärliche Ängste." Petra Speicher ergänzt: "Bevor es uns so ergeht wie Wolfgangs Eltern, die ihr ganzes Leben nur geschuftet haben, ziehen wir die Reißleine."

Ihre Zukunft haben die beiden gut geplant. "Wir fühlen uns nicht alt, aber lebensklug", so ihr Credo, "wir wissen, dass es mehr als nur Arbeit im Leben gibt". Nach 33 Jahren harter Arbeit, oft 12 bis 14 Stunden am Tag, kaum freien Wochenenden und Arbeit an den Feiertagen, freuen sie sich jetzt, "mehr Zeit für uns, unsere Familie, die beiden Enkelkinder und für Freunde zu haben, die uns all die Jahre unterstützt haben". Wandern, Skifahren und Entspannen in "Klein-Bayern", wie Flori seinen Garten hinterm Haus nennt, stehen auch auf der Tagesordnung. Ein schöner Plan für den dritten Lebensabschnitt!

Auf einen Blick

Am morgigen Samstag ab 11 Uhr laden Petra und Wolfgang Speicher zur kleinen Abschiedsfeier in ihr Geschäft ein (Saarbrücker Str. 49). Die Tradition der einstigen Gärtnerei Jungfleisch wird durch die Übergabe an das Team vom "Grünen Engel" von jüngeren Händen fortgeführt: Ende März wollen Kerstin und Christian Steimer nach Renovierungen das Blumengeschäft wiedereröffnen. Auch Monika Krächan, seit 26 Jahren für Floris im Einsatz, steht für Kontinuität. Und so ganz gibt Flori Speicher das Berufsleben nicht auf: Er will weiterhin Weihnachtsbäume verkaufen. mj

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