SZ-Serie „Was macht eigentlich . . ? „Ich fliege jeden Sommer in das Himalaya-Gebirge“

Saarbrücken · SZ-Serie „Was macht eigentlich . . ?“ — Heute: die ehemalige Ballettchefin des Saarländischen Staatstheaters, Birgit Scherzer

 Blick ins „Requiem“ von Birgit Scherzer.

Blick ins „Requiem“ von Birgit Scherzer.

Foto: stöß,bettina

In Birgit Scherzers Familie deutete nichts darauf hin, dass sie einmal eine erfolgreiche und berühmte Choreographin werden würde. „Wir lebten in Stollberg im Erzgebirge, und mein Vater war gelernter Schreiner. Meine Schwester Steffi und ich haben aber immer gerne getanzt, daher waren wir zusammen im Kinderballett“, erzählt Birgit Scherzer, langjährige Choreographin des Saarländischen Staatstheaters.

Die Liebe zum Tanzen verführte die beiden kleinen Mädchen dazu, sich im Jahr 1966 heimlich an der Staatlichen Ballettschule in Berlin zu bewerben. „Wir wussten gar nicht, was das bedeutet“, sagt sie und lacht. Während ihre Schwester Steffi angenommen und später Primaballerina an der Deutschen Staatsoper Berlin wurde, wurde Birgit abgelehnt. „Daher war eine Ballettausbildung für mich schon gestorben. Ich machte Abitur und wollte Archäologie studieren. Eher aus einem Spaß heraus habe ich mich mit achtzehn Jahren noch  mal beworben, da war ich eigentlich schon viel zu alt“, erzählt Birgit Scherzer weiter.

Diesmal klappte es, und Birgit Scherzer wurde an der renommierten Palucca Schule Dresden angenommen. Die Ausbildung sollte eigentlich nur für kleinere Theater reichen, aber Birgit Scherzer konnte nach der Ausbildung ein Engagement am Landestheater in Halle erlangen. Und das war ein Glücksfall, denn in Halle konnte sie nicht nur tanzen, sondern auch choreographieren und freie Arbeiten ausprobieren.

„Von dort aus habe ich einen Partner zum Vortanzen an die Komische Oper nach Berlin begleitet. Eigentlich wollte ich gar nicht weg, aber ich wurde in Berlin engagiert“, berichtet sie. Das war für Birgit Scherzer ein großes Lob, denn sie wurde von einem der größten Häuser der DDR engagiert. In den nächsten Jahren gewann sie verschiedene Preise, darunter 1988 den Kritikerpreis der Berliner Zeitung.

Aber Birgit Scherzer war politisch nicht angepasst, und so bekam sie ideologische Probleme, ihr wurde die Arbeitsgrundlage entzogen. „Ich hatte die Wahl. Einknicken, Provinz oder das Ausland“, fasst sie zusammen. Daher reist sie mit einem Besuchervisum im Januar 1989 nach Westberlin aus. „Von dort aus habe ich mich beworben und mich erst mal mit kleinen Choreographien über Wasser gehalten“, sagt sie.

In diese Zeit fielen auch die ersten Kontakte mit dem Saarländischen Staatstheater, wo sie als Gast für die Oper choreographierte. 1991 erhielt sie dann eine Einladung von dem damaligen Intendanten Kurt Josef Schildknecht. „Ich hatte wegen der Ausreise keine Unterlagen dabei. Aber er hat mich trotzdem engagiert. Und dann begann die Zeit, an die ich immer mit großer Freude zurückdenke“, schwärmt sie noch heute.

Fast neun Jahre blieb Birgit Scherzer Choreografin und Leiterin des Balletts in Saarbrücken. Sie konnte sich hier verwirklichen. „Es passte einfach alles. Die Unterstützung, die Konstellation, der Zusammenhalt. Das findet man nur einmal im Leben“, sagt sie begeistert. Und erzählt, dass sie hier auch zum ersten Mal für eine Oper Regie geführt hat. „Es war eine sehr kreative Zeit, und ich fühle mich dem Theater und der Stadt bis heute verbunden.“ Dass sie 1999 ihren Vertrag nicht verlängert hat, ist ihr nicht leicht gefallen. „Es gab keine Probleme. Aber ich brauchte neuen Input“, erklärt sie.

In den Jahren seit 1999 arbeitete Birgit Scherzer überwiegend freischaffend, lebte lange Zeit in Spanien, dann wieder in Berlin. Sie hatte Gastspiele in England, den USA, aber auch in Frankreich, Schweiz, Tschechien oder Island. Von 2006 bis 2009 war sie Ballettdirektorin und Chefchoreografin am Landestheater Innsbruck. „Ich liebe die Berge. Daher habe ich dort lange gewohnt“, erzählt sie. Und dort hat sie eine weitere Leidenschaft entdeckt: das Bergsteigen.

 Impression von der Generalprobe zu ,,Ende, Aus, Faust“, dem Stück, mit dem sich Birgit Scherzer vom Saarland  verabschiedete.

Impression von der Generalprobe zu ,,Ende, Aus, Faust“, dem Stück, mit dem sich Birgit Scherzer vom Saarland  verabschiedete.

Foto: Becker & Bredel

„Ich fliege jeden Sommer in das Himalaya-Gebirge und mache dort Trekking-Touren. Das liegt mir sehr am Herzen, ich habe in Ladakh Freunde und engagiere mich sozial“, überrascht sie. Heute wohnt Birgit Scherzer in Hamburg. Demnächst wird sie in Cottbus und in Gera Produktionen übernehmen. Und an Heiligabend wird sie wieder in Berlin sein. „Jedes Jahr treffen sich an Heiligabend Tänzer, Theaterleute und Freunde von damals aus Saarbrücken. Wir haben alle zusammengearbeitet, und wir sind noch heute befreundet. Das findet man nur einmal im Leben.“

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