Eine „zweite Schultze Kathrin“ Die vergessene Retterin

Saarbrücken/Völklingen · Wie „Schultze Kathrin“ half auch Margarethe Böttger Soldaten, die bei Spichern verwundet wurden.

 Kein Foto gibt es von Margarethe Böttger, die sich während der Schlacht von Spichern ähnlich um Verletzte kümmerte wie „Schultze Kathrin“, aber in Vergessenheit geriet. Die hier auf dem Foto zu sehende Ansicht wird sie persönlich gekannt haben: Die Wilhelm-Heinrich-Straße in Alt-Saarbrücken, aufgenommen im Jahr der Schlacht 1870. Im Hintergrund die Ludwigskirche.

Kein Foto gibt es von Margarethe Böttger, die sich während der Schlacht von Spichern ähnlich um Verletzte kümmerte wie „Schultze Kathrin“, aber in Vergessenheit geriet. Die hier auf dem Foto zu sehende Ansicht wird sie persönlich gekannt haben: Die Wilhelm-Heinrich-Straße in Alt-Saarbrücken, aufgenommen im Jahr der Schlacht 1870. Im Hintergrund die Ludwigskirche.

Foto: Saarlandmuseum, Fotografische Sammlung

Die einen kommen in die Geschichtsbücher, andere bleiben, trotz ganz ähnlicher Leistungen, Fußnoten der Geschichte oder werden ganz vergessen – Beispiele gibt es genug. Heimatforscher Roland Isberner, Zweiter Vorsitzender des Heimatkundlichen Vereins Warndt, hat sich einer solchen Vergessenen, eventuell sogar zweien angenommen, die Mut und Menschlichkeit bewiesen.

Fast jeder Saarländer kennt den Namen „Schultze Kathrin“ – eigentlich Katharine Weißgerber. Die Dienstmagd der Familie von Carl Jacob Schultz kümmerte sich, gerade 52 geworden, am 6. August 1870 mitten in der Schlacht von Spichern unter Lebensgefahr um verwundete Soldaten, bekam dafür vom Preußen-König Wilhelm I., dem späteren Kaiser, das „Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen“ überreicht. Es ist sogar eine Liste erhalten, in der 51 Frauen aus Saarbrücken und St. Johann aufgezählt sind, die besagtes Verdienstkreuz bekamen, das in knapp 3000 dokumentierten Fällen verliehen wurde, die im Krieg 1870/71 Soldaten oder deren Angehörigen geholfen hatten. 

Zur Saarbrücker Liste vermutet Isberner allerdings, dass sie unvollständig ist, denn darin werden „neben Katharine Weißgerber nur Frauen des gehobenen Standes genannt“. Isberner geht davon aus, dass er zumindest eine Frau aus dem einfachen Volk identifiziert hat, die ebenfalls als Freiwillige half und ausgezeichnet wurde, wenn auch nicht mit besagtem Verdienstkreuz: Margarethe Böttger wurde als Margarethe Amberg am 16. August 1823 in St. Johann geboren. Über ihr Leben ist nicht mehr viel bekannt. Verheiratet war sie seit 1852 mit dem Hauptzollamts-Assistenten Friedrich Böttger. Der Schwiegersohn des Paares, Modellschreinermeister Friedrich Hamann aus Völklingen, hatte vermutlich als Soldat im Krieg 1870/71 gekämpft. In Völklingen ist Margarethe Böttger auch verstorben – ein Nachruf in der „Völklinger Zeitung“ vom 12. Mai 1900 lieferte Isberner einen Hinweis. Denn darin ruft der „Verein ehemaliger Hohenzollern Füsiliere Regiment Nr. 40 von Völklingen und Umgebung“ dazu auf, zahlreich zur Beisetzung von Margarethe Böttger zu erscheinen, die als „Inhaberin der Verdienstmedaille von 1870 für Nichtkombattanten“ („Kriegsdenkmünze“) bezeichnet wird, die verwundeten Soldaten auf dem Schlachtfeld Hilfe geleistet und später verletzte Soldaten uneigennützig gepflegt habe.

In einem späteren Bericht der Zeitung heißt es zudem zur Beisetzung, „auf einem Ordenskissen wurden beide Dekorationen dem Sarge vorausgetragen“ – es muss also noch eine weitere Ehrung für die Frau gegeben haben, vermutlich die „Medaille Wilhelm der Große“.

Des Weiteren berichtet Isberner von einer mündlichen Überlieferung innerhalb einer Völklinger Familie, dass eine Frau mit Namen Margarethe Marx, geborene Dollmann, „Schultze Kathrin“ zur Hand gegangen sei und beim Wassertragen geholfen habe, geehrt wurde die Helferin aber offenbar nicht, oder entsprechende Unterlagen gingen verloren.

Ein deutliches Indiz dafür, dass in jenen Tagen das einfache Volk, zumal Frauen, bei Ehrungen tatsächlich selten berücksichtigt wurden, ist die Verleihungsliste jener Frauen, die mit dem „Preußischen Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen“ ausgezeichnet wurden. Denn darin finden sich fast nur hochrangige Persönlichkeiten, beginnend mit Frauen aus dem Hochadel der deutschen Länder, „Majes­täten“, „königliche Hoheiten“ und „Prinzessinnen“, die sich sicher nicht selbst in der Krankenpflege und schon gar nicht während der Kampfhandlungen die Hände schmutzig machten. Vermutlich waren sie, wenn überhaupt, ideelle Schirmherrinnen für helfdende Gruppierungen, die vielleicht auch finanzielle Hilfen gaben.

Auch „Schultze Kathrin“ wurde, im wahren Wortsinn, in die zweite Reihe gedrängt: Für den damaligen Festsaal des Saarbrücker Rathauses entstand ein überlebensgroßer Gemäldezyklus des Historien- und Kriegs-Malers Anton von Werner, der sich in stark idealisierter Form mit dem Deutsch-Französischen Krieg und der Schlacht von Spichern befasste (eine Ausstellung der Bilder ist im Historischen Museum Saar geplant). Darunter auch das Bild „Einzug König Wilhelms in Saarbrücken am 8. August 1870“. Dort steht „Schultze Kathrin“, kaum zu erkennen, im Hintergrund.

 Im hier gezeigten kleinen Vor-Gemälde „Ankunft Wilhelm I. in Saarbrücken“ des Malers Anton von Werner ist „Schultze Kathrin“  noch prominent vorne rechts im Bild zu sehen. In der späteren Hauptarbeit verschwindet sie, kaum noch zu erkennen, im Hintergrund. 

Im hier gezeigten kleinen Vor-Gemälde „Ankunft Wilhelm I. in Saarbrücken“ des Malers Anton von Werner ist „Schultze Kathrin“  noch prominent vorne rechts im Bild zu sehen. In der späteren Hauptarbeit verschwindet sie, kaum noch zu erkennen, im Hintergrund. 

Foto: Deutsches Historisches Museum
 Das „Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen“.

Das „Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen“.

Foto: schmidt
 Wilhelm I., preußischer König und deutscher Kaiser. 

Wilhelm I., preußischer König und deutscher Kaiser. 

Foto: dpa

Auf einem kleineren, als Entwurf dienenden Bild hatte sie noch prominent im Vordergrund gestanden, sogar – dank eines Kunstgriffs des Malers – mit dem Gesicht leicht dem Betrachter zugewandt, weil sie ein kleines Kind im Auge behält, das seitlich an ihr vorbeiläuft. Doch eine Kunstkommission, so der Heimatforscher Isberner, wollte das Gemälde ernster und „patriotischer“ gestaltet haben, und so musste „Schultze Kathrin“ in den Hintergrund rücken.

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