Abenteuer-Tour mit Kultroller Mit meiner 50er zum neuen Job ins Saarland

Mainz/Saarlouis · Eine Vespa erfreut sich einer großen Fangemeinde und ist das ideale Gefährt für die Stadt. Aber kann und darf man mit einem 50er Roller auch Hunderte Kilometer über Land- und Bundesstraßen brausen?

 Kleine Pause der Abenteuer-Tour mit der 50er Vespa auf der B 48 bei Kaiserslautern.

Kleine Pause der Abenteuer-Tour mit der 50er Vespa auf der B 48 bei Kaiserslautern.

Foto: Rüdiger Fröhlich

Um 10.57 Uhr geht die Abenteuer-Tour in Mainz-Gonsenheim los, strahlend blauer Himmel und schon jetzt 26,5 Grad. Perfektes Vespa-Wetter. Allerdings fahre ich heute nicht kurz zum Rhein, sondern über geplante 164 Kilometer nach Saarlouis ins Saarland. Sonnenbrille, Rucksack und Helm auf und „La Dolce Vita“ auf zwei Rädern kann losgehen. Gleich an der ersten Kreuzung am Gonsenheimer Hof wäre es dann fast passiert. Ich hupe wie wild mit meinem Vespa-Hüpchen, der Fahrer im weißen Audi A7 macht weder Schulter- noch Seitenblick und zieht weiter links rüber, ich genau neben ihm. Zum Glück hupt jetzt auch der Mercedes-Fahrer hinter ihm, die Hupe laut und mächtig. Der ältere Herr am Lenkrad des Audis reagiert jetzt endlich, kurz vor dem Zusammenprall mit meinem schwarzen Roller.

Danach geht es über Bretzenheim mit 40 Km/h hinauf zum Lerchenberg, am ZDF vorbei. Am Kreisel biege ich links nach Klein-Winterheim ab – und nach dem Schock kommt mein erstes Highlight. Mit Tempo 68 geht’s steil bergab vom Industriegebiet in den kleinen Weinort, auch dank meines leichten Übergewichts. Ich bin megastolz, neuer Temporekord.

Auf der L 401 von Nieder-Olm nach Saulheim begleitet mich dann am Straßenrand der Landstraße ein Raubvogel über den Weizenfeldern. Ein Polizeiwagen kommt mir entgegen. Hier gilt meist Tempo 70 und ich verhalte mich ja regelkonform. Mit einem Roller-Kleinkraftrad darf man auf Land- und Bundesstraßen fahren, außer es wird durch das Zeichen 255 (Verbot für Krafträder, auch mit Beiwagen, Kleinkrafträder und Mofas) explizit untersagt. Bislang fühle ich mich mit meiner 50er auch nicht als Hindernis. „Zum Glück ist um die Uhrzeit auch noch nicht viel los“, denke ich. „Aber, wer weiß wie es bei Tempo 100 auf der Bundesstraße wird.“

Nach dem Motto „Männer verfahren sich nicht, sie entdecken neue Gebiete“ habe ich auf Karten und Navi verzichtet. Aber ich hatte mir vorher die Strecke bei Google Maps mit der Option „Autobahn meiden“ angeschaut: Mainz – Wörrstadt – Bad Kreuznach, dann knapp an Kaiserslautern vorbei, und über St. Wendel und Tholey nach Saarwellingen, direkt bei Saarlouis-Fraulautern. So schwer kann das auch ohne Navi nicht sein.

Es läuft. Bei Wörrstadt geht es nochmal steil bergab. Mit 68 Sachen rase ich volles Rohr durch eine scharfe S-Kurve, wieder ein großer Spaß. Jetzt bin ich auch auf meiner neuen Heimat für heute, der B 420. Auch hier fühle ich mich weiter nicht als lahme Schnecke trotz Tempo 100. Zwei Lkw kommen mir nahe der JVA Wörrstadt entgegen, ich spüre jeweils den heftigen Windstoß. Ein anderer Laster überholt mich. Jetzt bin ich hin und wieder doch eine kleine Behinderung auf der Bundestraße, aber es läuft alles weiter bei wenig Verkehr problemlos.

Ich düse weiter mit meinem Roller, um 12.14 Uhr bin ich in Wöllstein. „Ist doch eigentlich schon Mittagszeit“, grübele ich. Blinker links Richtung Ortsmitte gesetzt und sofort erkenne ich den Biergarten. Ich parke die Vespa direkt vor der „Marktschänke“ vor schönen lila Blumen, es wirkt fast wie in Südfrankreich. Der Tank ist noch fast voll, nur ein Strichbalken ist weg. Uschi Bossmann, die Besitzerin, lotst mich gleich freundlich zu einem kühlen Sitzplatz. Bei Uschi laufen Schlager, gerade „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros. Für mich als Hobbytänzer mit Schwerpunkt Disco-Fox ist das perfekt. Ich wähle drei Rühreier mit Schinken, dazu Brot und Salatbeilage für preiswerte fünf Euro. Dazu gibt es ein alkoholfreies Weizen. Ich fühle mich pudelwohl bei Uschi und creme mich ein zweites Mal mit 30er Sonnencreme ein.

 Erste Pause bei Uschis Biergarten in Wöllstein, der „Marktschänke“

Erste Pause bei Uschis Biergarten in Wöllstein, der „Marktschänke“

Foto: Rüdiger Fröhlich

Nach der Stärkung geht es weiter über die B 420 an Bad Kreuznach vorbei. Vor 75 Jahren hatte Enrico Piaggo seine Vespa zum Patent angemeldet. Sie ist nicht gealtert, eine Erfolgsgeschichte, wie ich finde. An einem Kreisel bin ich mir plötzlich nicht sicher. Bin ich jetzt auf der B 48? Richtung Meisenheim? Richtung Kaiserslautern? Ich fahre der hübschen Bikerin mit dem schwarzen, langen Zopf, der aus ihrem Helm herausschaut, hinterher Richtung Kaiserslautern. Sie trägt eine schwarz-weiße Lederkombi, Nummernschild mit dem Zulassungsbezirk ROK. Auf der steilen Goldgrabenbrücke und an ein, zwei Örtchen kommt sie an einem Lkw nicht vorbei und ich kann kurz mit ihr mithalten. Für einen Motorrad-Flirt ist meine Vespa mit 4,4 PS aber viel zu schwach auf der Brust und in der Nähe von Rockenhausen fährt die hübsche Bikerin mir dann auf und davon. Ich schaue auf ein Schild am Straßenrand. B 48. Und nun bin ich mir sicher: Männer verfahren sich doch.

In Kaiserslautern drehe ich zunächst eine kleine Ehrenrunde durch die Stadt, finde auch die L 37 in Richtung Landstuhl und US-Air-Base Ramstein nicht. Es ist schon 14.47 Uhr und in der Stadt richtig heiß, besonders wenn man steht. Der Tank zeigt noch drei Balken, noch fast halbvoll. Ich fahre trotzdem an eine Tankstelle, fülle Super für 5,77 Euro nach und frage nach dem Weg. Ich war doch richtig unterwegs, muss nur vorne am Kreisel links rum. In Landstuhl ist die Burg Nanstein ausgeschildert, die ich von einer wundervollen Wanderung kenne. Dort oben auf dem Berg an der Burg gibt es einen gemütlichen Biergarten mit tollem Ausblick. Ich fahre aber weiter in Richtung Zweibrücken, an einer riesigen Satellitenanlage der US-Streitkräfte vorbei. Die L 465 ist von der Landschaft und der Strecke her traumhaft für Biker und Cabriofahrer. Einen langen Berghang komme ich wieder nur mit Tempo 40 hoch, der Grund ist derselbe wie beim Temporekord, nur leider umgekehrt. An einer Kreuzung steht plötzlich Homburg 10 Kilometer. Ich bin begeistert, gleich bin ich im Saarland.

In Bechhofen mache ich dann meinen zweiten Stopp, im Hof Bistro. Es sind jetzt über 30 Grad und ich suche mir im Biergarten draußen ein schattiges Plätzchen. Der Wirt ist begeistert von meiner Vespa. „Ich wollte auch schon immer so einen italienischen Kultroller haben“, sagt er und bringt mir mein alkoholfreies Hefeweizen. Ich creme mich erneut mit Sonnencreme ein, sprühe mich erstmals auch mit Mückenspray ein und erzähle ihm von meiner kleinen Abenteuer-Tour und dass ich mich bei Kaiserslautern etwas verfranzt habe. „Warum hat Moses sein Volk sieben Jahre durch die Wüste geführt?“, fragt mich der Wirt und gibt gleich selbst die Antwort: „Weil Männer NIEMALS nach dem Weg fragen.“ Er lacht sich über seinen eigenen Witz kaputt und auch ich muss schmunzeln.

 Zweiter Stopp in Bechhofen bei Homburg, im Hof Bistro.

Zweiter Stopp in Bechhofen bei Homburg, im Hof Bistro.

Foto: Rüdiger Fröhlich

Kurze Zeit später fahre ich an der Karlsberg-Brauerei in Homburg vorbei, oben thront über der Stadt der Schlossberg mit den Ruinen der Hohenburg, unterhalb derer Europas größte und von Menschenhand geschaffene Buntsandsteinhöhlen liegen. Endlich ist auch die Landeshauptstadt Saarbrücken ausgeschildert, über die B 423. Es ist 17.41 Uhr und weiter mit über 32 Grad sehr heiß. Schlussspurt, freue ich mich, gebe Gas und düse weiter über Kirkel und St. Ingbert in Richtung Saarbrücken. Inzwischen tut mir mein rechtes Knie ein wenig weh, schließlich bin ich nun schon fast sieben Stunden unterwegs. Auch meine Sonnenbrille drückt jetzt erstmals leicht links am Helm.

In Saarbrücken-Scheidt entscheide ich mich daher kurzfristig zu einer dritten Pause. Mit 50 Sachen brause ich an dem Biergarten „Spitzweckstube“ zunächst vorbei, schaue in den Rückspiegel, und bremse dann scharf. Ich stelle die Vespa ab und laufe die paar Meter zurück zum Biergarten, in dem gerade ein Spiel von der Fußball-EM, Dänemark gegen Belgien, gezeigt wird. Ich setze mich in den Schatten und bestelle eine Pizza Peperoni für 7,50 Euro. „Es sind nur noch so 30 Kilometer“, sage ich ermutigend zu mir selbst. Aber ich wünsche mir dringend eine Dusche. „Sonnencreme, Schweiß und Mückenspray sind bei der Hitze kein Spaßprogramm für die Haut, dazu die knallige Sonne.“ Die Pizza ist lecker, außerdem gibt es natürlich dazu wieder ein alkoholfreies Weizen.

In der Abendhitze fahre ich nach meinem Abstecher in die „Spitzweckstube“ quer über die B 51 durch Saarbrücken, teils direkt an der Saar entlang. Es läuft weiter prächtig, kaum Staus in der Stadt. Über Völklingen und Bous geht es weiter nach Ensdorf. Das Saar-Polygon thront über Ensdorf und Saarlouis, ich habe es gepackt. Nach Saarlouis-Fraulautern ist es kürzer über Ensdorf. Es ist 19.52 Uhr, als ich in der Kreuzbergstraße in Fraulautern ankomme. 192,7 Kilometer bin ich gefahren, knapp neun Stunden war ich unterwegs. Ich ziehe den Helm ab und summe fröhlich den Song von Vicky Leandros vor mich hin: „Nein, sorg‘ dich nicht um mich, du weißt, ich liebe das Leben.“

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