Serie Museen im Saarland Wie aus Obst hochprozentiger Genuss wird

Perl · Im Saarländischen Brennereimuseum in Perl stellt Alois Becker über 50 Destillen aus. Die Älteste ist rund 200 Jahre alt.

 Rund 50 Destillen hat Alois Becker im Saarländischen Brennereimuseum in Tettingen-Butzdorf gesammelt. In zwei Räumen stellt der Perler Destillen aus Deutschland und dem benachbarten Frankreich aus.

Rund 50 Destillen hat Alois Becker im Saarländischen Brennereimuseum in Tettingen-Butzdorf gesammelt. In zwei Räumen stellt der Perler Destillen aus Deutschland und dem benachbarten Frankreich aus.

Foto: Nina Drokur

Vorbei an weiten Feldern und Streuobstwiesen, die ihr Winter-Dasein fristen, durch idyllische kleine Ortschaften hindurch, in denen der Stadtrummel und die Hektik des 21. Jahrhunderts weit weg scheinen, führt die Viezstraße von Merzig aus direkt in die Brennerei von Alois Becker in Tettingen-Butzdorf. In der Lindenstraße 11 im kleinen Ortsteil der Gemeinde Perl, Alois Beckers Elternhaus, brennt die vierköpfige Familie seit über 30 Jahren Schnaps. Mirabellen, Kirschen, Äpfel, rund drei Hektar Obstwiesen besitzen die Beckers, deren bunten Ertrag sie übers ganze Jahr zum klaren Hochprozenter verarbeiten. Aus einer Destille sind im Laufe der Zeit jedoch über 50 geworden – aus Deutschland und dem benachbarten Frankreich zusammengetragen. Doch in den meisten brennt die Familie nicht. Im selbst gegründeten Saarländischen Brennereimuseum stellt Alois Becker die Exponate aus mehreren Jahrhunderten aus.

Auf dem Hof der Familie riecht es nach verbranntem Holz, im Kachelofen im Anbau, wo Alois Becker die Brenner zur Schau stellt, flackert ein frisches Feuer. Rund 200 Jahre alt ist die älteste Destille, die der Perler besitzt. Einem Antiquitäten-Händler aus Wadern hat er sie abgekauft, erzählt Alois Becker mit rauchig-tiefer Stimme. Aufgebockt auf Ziegelsteinen steht der Gussofen mit Kupfertank unscheinbar neben einem Kühlschrank. Auf dem schwarzen kleinen Brenner sind ein Arzneikelch und die für Apotheken typische Schlange zu erkennen. Darin wurde also vermutlich hauptsächlich für medizinische Zwecke gebrannt, schlussfolgert Becker. Aus der kleinsten Destille, die auf einem Wandregal steht, tropfen vermutlich nur wenige Schnapsgläser. „Ich hab sie aber nicht ausprobiert“, sagt der wortkarge Mann. Neben den Destillen hängen in goldenen Bilderrahmen kleine Beschreibungen. Die Bauart etwa, wie bei der Wanderbrennerei. Mit dieser zog der Brenner, so steht es auf der Tafel, mit einem Pferdeschlitten zu den einzelnen Bauern, wo er das Brenngut gegen Bezahlung zu Schnaps verarbeitete.

Ein Brennereimuseum zu eröffnen, das hatte Alois Becker nach eigenem Bekunden immer schon vor. Letzten Anstoß gab dann der Besuch eines ähnlichen Museums im Schwarzwald, wo Alois Becker und Ehefrau Rosi regelmäßig Urlaub machen. Mit etwa 20 Destillen legte er 2007 dann den Grundstein.

Vor den Destillen aller Art und Größe für seine Ausstellung reihen sich Bierzeltgarnituren. Für Geburtstage vermieten sie den Raum mit rustikalem Charme, erzählt der Mann Mitte 60. Und vier Mal im Jahr, nur im Winter, lädt die Familie hier zum Flieten-Essen ein. „Man, dann ist hier was los“, schwärmt der Perler. Rund 100 Leute finden hier Platz. Am Ende des schmalen Raumes stehen einige Regale aus Holz. Hier verkauft die Familie Becker ihren Schnaps. Und das nicht etwa nur in normalen Glasflaschen. In einigen verstecken sich Spielzeug-Traktoren. Andere sind geformt wie Lyoner-Ringel. Und sogar in Dosen verkaufen die Beckers den Klaren an die Touristen, die etwa aus Holland oder Österreich nach Perl kommen. Mit einem Nagel, wie bei der Dosenmilch früher. Alois Becker lacht: „Das ist für die Gaudi.“

Ins Auge fallen sofort auch die zahlreichen Urkunden, die die Wände des Raumes zieren. 2011, das erzählt Becker stolz, kam der beste Schnaps Deutschlands aus seiner Brennerei. Aus 604 eingereichten Schnäpsen wählte die Jury seinen 42-prozentigen Mirabellenschnaps zum Besten. Viele Faktoren spielen bei der Wahl eine Rolle. Vor allem soll der Brand nach der Frucht schmecken und nicht im Hals kratzen. Nicht jedes Jahr nimmt Becker an der Prämierung der Deutschen Landwirschaftsgesellschaft (DLG) teil. Das wäre zu teuer, denn die Teilnahme kostet Geld. Aber in diesem Jahr will er es noch mal versuchen. Eine Silbermedaille soll es auf jeden Fall werden, sagt er fest entschlossen.

Nicht alle Destillen von Alois Becker stehen im eigentlichen Saarländischen Brennereimuseum. Längst hat der Platz im Sammlerherz des Perlers seinen räumlichen Platz überstiegen. Unter einer Überdachung vor dem Haus verstecken sich zwischen Kabeln und Eimern ein paar weitere. Die meisten sind allerdings in einer Garage gegenüber dem eigentlichen Museum untergekommen. Hier reihen sich die verschiedensten Gerätschaften, die die Brennerei verlangt, aneinander. Sofort ins Auge springen die kupferfarbenen glänzenden Kuppeln, hinter denen sich die Kühlung verbirgt.

Ob er die gerade erst poliert hat? „Das ist mit Lack eingebrannt, das bleibt so“, verneint der Brenner. Tafeln mit Erläuterungen, wie es sie im eigentlichen Museum gibt, fehlen hier noch. „Geplant ist das schon“, sagt Becker. „Aber die Zeit…“ Ein Querschnitt offenbart jedoch, was in den Kesseln passiert: Die Maische wird in die sogenannte Brennblase gefüllt und dort erhitzt. Der aufsteigende Dampf wird im Kondensator wieder flüssig. Was dann zunächst aus dem Hahn tropft, der sogenannte Vorlauf, ist nicht genießbar. Nahtlos schließt sich, das zeigt auch ein Schaubild in der Brennerei, der Mittellauf an, die Grundlage für den Branntwein.

An einigen Brennereien ist das begehrte Endprodukt nicht so einfach zugänglich. Verschlussbrennerei nennt sich das, erläutert Becker, und erinnert an das Branntweinmonopol, das erst 2017 außer Kraft trat. Dennoch sind auch heute die Regeln des Schnapsbrennens noch streng und die Mitarbeiter des Hauptzollamtes in Saarbrücken werfen nach wie vor wachsame Augen auf die Schnaps-Hersteller.

Eine Destille aus ihrer umfangreichen Sammlung hat Familie Becker in Gebrauch. Sie steht in einer kleineren Garage. Sie ist aus Edelstahl, wie die meisten heutzutage, zumindest von außen. Um Punkt 15 Uhr heizt Ehefrau Rosi den Brenner an. Keine Minute später, keine Minute früher. Das ist so mit dem Hauptzollamt in Saarbrücken abgesprochen. „Nichts wird so streng bewacht wie die Brennerei“, sagt Becker. Jeden Brennvorgang muss Becker beim Hauptzollamt anmelden. Auch bezahlen muss er gleich, so will es das seit 2018 geltende Alkoholsteuergesetz. Unabhängig davon, wann er den Schnaps verkauft.

Jede Abweichung muss er sofort telefonisch melden. Jederzeit könnte ein Zollmitarbeiter vorbeikommen und sein Unternehmen kontrollieren. Gemeinsam füllen Rosi und Alois Becker die Maische in den Behälter. Im September haben sie das Obst geerntet. Dass viele seiner Bäume hinter dem Haus und in der näheren Umgebung stehen, gefällt Becker. So kann er den richtigen Erntepunkt genau abpassen, sagt der Fachmann. Zur Maische verarbeitet, müssen die Früchte rund vier Wochen gären. Über den Winter brennen die Beckers dann die Maische ab, so wie eben Zeit ist.

Eigentlich, so erzählt er, waren Alois Becker und seine Frau Rosi in der Landwirtschaft tätig. Einige Kühe hatten sie. Heute hat die Familie nur noch einen Hund, Jack-Russel-Dame Lucy, die aufgekratzt über die Obstwiesen direkt hinterm Hof flitzt. Die Schnapsbrennerei ist aber nur ein Nebenberuf der Beckers. Alois Becker ist Vermessungstechniker. Auch die beiden erwachsenen Söhne arbeiten eigentlich in anderen Bereichen, auch wenn sich der Vater wünscht, der 36-jährige Michael würde die Schnapsbrennerei irgendwann übernehmen. Bei Veranstaltungen, das sagt der Vater stolz, helfen aber alle mit. Beim „Äppelfeschd“ im Herbst etwa. Besonderen Spaß hat Alois Becker an großen Umzügen wie an Fastnacht. Ein Foto hat er davon in dem kleinen Raum an der Wand, wo die aktive Destille steht.

Gleich daneben hängt noch ein kleines Stück Geschichte: Schnapsbecher in verschiedenen Größen. „Früher musste jede Brennerei solche Becher haben. Alle zwei Jahre wurden sie geeicht“, sagt Becker und streicht mit dem Finger über die Gravur am Rand eines 0,5 Liter fassenden Messbechers. Heute dienen sie nur noch als Dekoration.

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