Die Zeit der schönen Zwerge

Homburg · Schiffe versenken? Nein, danke. Gartenmenschen spielen lieber Zwiebeln versenken, Frühlingsblüten kann man nie zu viele haben. Für den Herbst hatte ich schon im Mai Bestellungen losgeschickt, um "Ausverkauft"-Enttäuschungen zu vermeiden.

 Die Teufels-Krokusse (Crocus imperati) hatten es dieses Mal noch eiliger als sonst: Sie verlegten ihre Blütezeit in den Dezember – normalerweise starten sie erst Mitte Januar. Foto: Döpke

Die Teufels-Krokusse (Crocus imperati) hatten es dieses Mal noch eiliger als sonst: Sie verlegten ihre Blütezeit in den Dezember – normalerweise starten sie erst Mitte Januar. Foto: Döpke

Foto: Döpke
 Winzlinge, sportlich: Das Parma-Veilchen (Viola suavis) im Vorgarten hat sich gesputet (links). Und die Frühlings-Alpenveilchen (Cyclamen coum), gewöhnlich erst im Februar, März an der Reihe, zeigen schon seit November zarte Blütchen auf feinen roten Stielen. Fotos (2): Döpke

Winzlinge, sportlich: Das Parma-Veilchen (Viola suavis) im Vorgarten hat sich gesputet (links). Und die Frühlings-Alpenveilchen (Cyclamen coum), gewöhnlich erst im Februar, März an der Reihe, zeigen schon seit November zarte Blütchen auf feinen roten Stielen. Fotos (2): Döpke

 Seit November färbt Winterjasmin (Jasminum nudiflorum) die Terrassenwand gelb. Foto: Döpke

Seit November färbt Winterjasmin (Jasminum nudiflorum) die Terrassenwand gelb. Foto: Döpke

Foto: Döpke
 Blüten-Versprechen, von links: Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) sind längst in Habacht-Stellung, die Kamelien-Knospen zum Platzen prall. Und zwischen den Chrysanthemen, die erfreulich üppiges Überwinterungslaub gebildet haben, spitzen Tulpen hervor. Fotos (3): Döpke

Blüten-Versprechen, von links: Schneeglöckchen (Galanthus nivalis) sind längst in Habacht-Stellung, die Kamelien-Knospen zum Platzen prall. Und zwischen den Chrysanthemen, die erfreulich üppiges Überwinterungslaub gebildet haben, spitzen Tulpen hervor. Fotos (3): Döpke

 Die Duft-Pestwurz (Petasites fragrans) verströmt köstliches Vanille-Aroma. Foto: Döpke

Die Duft-Pestwurz (Petasites fragrans) verströmt köstliches Vanille-Aroma. Foto: Döpke

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 Rosen im Januar: Die Moschata-Rose „Buff Beauty“ hat Weihnachts-Knospen noch entfaltet – mit herrlich duftendem Ergebnis. Rechts eine Rose auf dem Völklinger Heidstock; SZ-Leser Karl-Heinz Remark schickte uns dieses aktuelle Bild aus seinem Garten. Fotos: Döpke, Remark

Rosen im Januar: Die Moschata-Rose „Buff Beauty“ hat Weihnachts-Knospen noch entfaltet – mit herrlich duftendem Ergebnis. Rechts eine Rose auf dem Völklinger Heidstock; SZ-Leser Karl-Heinz Remark schickte uns dieses aktuelle Bild aus seinem Garten. Fotos: Döpke, Remark

 Ungewohnt früh dran: Lenzrosen (Helleborus) blühten schon ab Dezember. Foto: Döpke

Ungewohnt früh dran: Lenzrosen (Helleborus) blühten schon ab Dezember. Foto: Döpke

Foto: Döpke

Klappte, ab September trudelte Päckchen um Päckchen ein - und irgendwann kam ich mit dem Versenken nicht mehr nach.

Die Empfindlichen, Eiligen, die man unverzüglich pflanzen muss - weil die Zwiebeln sonst austrocknen und sterben -, landeten natürlich sofort im Erdreich, Märzenbecher, Schneeglöckchen, Schachbrettblumen. Edle Tulpen ebenso, botanische Arten, rare historische Sorten. Das mit den Tulpen erwies sich freilich als mühsam: Nach dem trockenen Sommer war der ohnehin zähe Lehmboden härter denn je. Die Aktion zog sich hin. Von den Robusten lagen noch im Dezember etliche Tüten in der Garage. Erst am Silvesternachmittag hatte ich die letzte Krokus-Hundertschaft verbuddelt. Dann rasch noch die ebenfalls überständigen Laubsäcke ausleeren, Mulch für Sensibelchen, denen eine Winterdecke auf den Wurzeln wohltut - mit dem letzten Licht des alten Jahres war ich fertig. Und dachte: Die Kälte kann kommen.

Doch die tat, was sie schon Wochen getan hatte, sie blieb weg. Meine neuen Frühlingsblüher versenkte ich neben vorzeitigen Frühlingsblüten. Die Teufelskrokusse (Crocus imperati), die normalerweise Mitte Januar - als erste Vorboten - Lilablau mit Streifen zeigen, blühten sich schon Anfang Dezember das Seelchen aus dem Zwiebelchen. Schneeglöckchen-Geklingel und den Duft von Parma-Veilchen gab es zu Weihnachten, zusammen mit frischen Knospen von Clematis und Rosen . Die Frühlings-Alpenveilchen (Cyclamen coum), sonst erst im Februar, März in Blüte, starteten sogar schon im November. Und halten durch bis jetzt - so zart sie aussehen, diese Winzlinge haben Kraft.

Auch die üblichen Verdächtigen begannen ungewohnt früh, der Winterjasmin (Jasminum nudiflorum) im November, Hasel und Duft-Geißblatt (Lonicera fragrantissima) Anfang Dezember. Die Winterblüte (Chimonanthus praecox) ließ zu Silvester die erste Knospe platzen - Rekord, das gab's noch nie. In der Nachbarschaft trägt eine Hamamelis von oben bis unten Gelb, sie weiß wohl nicht, dass sie auf Deutsch "Lichtmess-Zaubernuss" heißt (Mariä Lichtmess wird am 2. Februar gefeiert).

Die größte Überraschung steckte in einem etwas wilden Beet. Betörendes Aroma wehte mir in die Nase - die Duft-Pestwurz (Petasites fragrans) hat es dieses Mal geschafft zu blühen. Mit Duft zum Niederknien. Ich hab's getan, dem vollen Genuss zuliebe. Und der Pflanze dabei Abbitte geleistet. Oft und oft hatte ich sie zuvor verflucht, hatte - vergebens - versucht, sie aus dem Garten zu verbannen: Sie wuchert, zwar weniger heftig als ihre heimische Verwandte, aber doch mit kräftigen Ellenbogen. Nun bin ich versöhnt, sie darf bleiben.

Was wird aus ihr - jetzt, bei Frost? Was wird aus noch belaubten Rosen , voreiligen Sträuchern, hervorspitzenden Zwiebelblühern? Was kann ich für sie tun? Wenig. Gemulcht habe ich, das ist das Wichtigste. Zweige des gewesenen Weihnachtsbaums schützen dies und das vor Wintersonne, ein paar Töpfe sind in der Garage geparkt. Schnee ist hilfreich, er wärmt wunderbar. Für den Rest müssen die Pflanzen selber sorgen. Das können sie, sie haben es in den Genen: Zwiebelblüher schalten auf Pause, Zaubernüsse rollen ihre Blütenblätter ein; und ist der Frost vorbei, geht es weiter, als sei nichts gewesen. Rosen & Co. mögen leiden, aber dagegen bin ich machtlos. Und sehe den Frost gelassen - mit Vorfreude auf eine zweite Zeit der schönen Zwerge : Jetzt sind ja auch noch viele neue Zwiebeln da.

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