Das Böse als Verführung

Homburg · Kein Wunder, dass der Sitzungssaal im Forum so gut wie ausgebucht war: Zum Ende der Homburger Lesezeit las die renommierte Krimiautorin Ingrid Noll aus ihrem neuen Roman „Hab und Gier“. Und plauderte locker und gut gelaunt.

 Die Bestseller-Autorin Ingrid Noll überzeugte am Dienstagabend beim Abschluss der Homburger Lesezeit mit einer witzigen Lesung mit teilweise bösen Untertönen aus ihrem aktuellen Roman „Hab und Gier“. Foto: Thorsten Wolf

Die Bestseller-Autorin Ingrid Noll überzeugte am Dienstagabend beim Abschluss der Homburger Lesezeit mit einer witzigen Lesung mit teilweise bösen Untertönen aus ihrem aktuellen Roman „Hab und Gier“. Foto: Thorsten Wolf

Foto: Thorsten Wolf

Die einen sind Autoren, die anderen Bestseller-Autoren. Ingrid Noll darf man getrost zur zweiten Kategorie zählen, ihre Krimis gehören seit vielen Jahren zur "Crème de la Crème" deutscher Buchkunst. Und so verwunderte es wohl niemanden, dass die Lesung der Weinheimer Schriftstellerin als Abschluss der "Homburger Lesezeit" am vergangenen Dienstagabend im Forum nahezu ausverkauft war. Apropos Weinheim : Für den sicheren Transport der heute 79-jährigen Noll aus ihrer Heimatstadt sorgte die Stadt Homburg in Person von Norbert Schmitt , eigentlich Fahrer von Homburgs Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind . Er sorgte am Dienstag für Noll für ein Rundherum-sorglos-Programm, chauffierte die Autorin zu einem Fernsehdreh nach Bexbach, sorgte für die Versorgung, betreute Noll während der Lesung und brachte sie sicher am Abend auch wieder nach Hause an die Bergstraße. Und wie ist eine Erfolgsautorin so hautnah? Norbert Schmitt : "Sehr natürlich. Wir haben auf der Fahrt viel geredet und sie hat mir auch in einer Widmung geschrieben, dass sie noch nie so schön abgeholt worden sei."

Schmidt hatte also schon mal alles "vorbereitet" für eine bestens aufgelegte Ingrid Noll . Und selbige zeigte sich entsprechend entspannt und witzig, ganz gleich, ob bei der kleinen Signierstunde vor Beginn ihres Auftritts oder während der Veranstaltung selbst. Eben die stand ganz im Zeichen des neuen Noll-Krimis "Hab und Gier". Dessen Inhalt im Waschzettel-Format: Schon lange hatte die Bibliothekarin Karla vom Rentnerdasein geträumt, sich zurücklehnen und endlich in Ruhe selber lesen. So gibt sie mit 60 ihren Job in der Stadtbücherei auf. Mit einigen Kollegen hält sie losen Kontakt - bis zu einer folgenschweren Einladung. Beim einem "Gabelfrühstück" (ein bei festlichen Anlässen eingenommenes zweites Frühstück am späten Vormittag) macht ihr der kinderlose Witwer Wolfram todkrank ein Angebot: Falls sie sich um seine Beerdigung und die Inschrift auf seinem Grabstein kümmert, erbt sie ein Viertel seines Vermögens. Pflegt sie ihn bis zu seinem Tod, erbt sie die Hälfte. Und bringt sie ihn wunschgemäß um, bekommt sie alles, eine Villa in Weinheim inklusive - die Ruhe der Rentnerin ist dahin.

So weit, so gut, so Noll. Doch wie viel Noll steckt eigentlich in einem Noll? Die Autorin lieferte da am Rande der Lesung mit einem Augenzwinkern ein durchaus offenes Eingeständnis: "Ich bin natürlich nicht die Protagonistin meines Romans, denn ich wäre viel zu feige, um etwas Böses zu tun. Auch weil ich Angst vor Strafe hätte. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht innerlich auch Gelüste hätte, die jeder hat. Ich zum Beispiel würde mal gerne in einem Museum ein Bild stehlen. Aber natürlich täte ich es nicht." Mit dieser Selbsteinschätzung reflektierte Noll die Quintessenz ihrer Romane: Das Böse als Verführung dessen, der eigentlich gar nicht böse sein will. "Ich kann verstehen, wenn Menschen korrumpiert werden, weil sie etwas gerne hätten. Und dann auch, wenn sie nicht so anständig sind wie ich, etwas Kriminelles machen. Das Böse ist nie wirklich weit weg."

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Zur Person Ingrid Noll , geboren am 29. September 1935 in Schanghai, machte recht spät Schriftsteller-Karriere. Ihr Erstlingsroman "Der Hahn ist tot" entstand erst 1991 und wurde auf Anhieb ein großer Erfolg. Verfilmt wurde unter anderem der Roman "Die Apothekerin" mit Katja Riemann in der Hauptrolle. thw

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