Krieg in der Ukraine Gerettet vor dem Krieg in der Ukraine

Ottweiler · Dank einer privaten Initiative fanden elf Frauen und Kinder aus der Ukraine in Ottweiler Zuflucht. Die Menschen sind dankbar für die Hilfe, die auch von der Stadt selbst kam.

 Eliza Modrewski-Eisenbeis (links) und Holger Schäfer (rechts) mit Frauen und Kindern aus der Ukraine, die am Sonntag in Ottweiler angekommen sind.

Eliza Modrewski-Eisenbeis (links) und Holger Schäfer (rechts) mit Frauen und Kindern aus der Ukraine, die am Sonntag in Ottweiler angekommen sind.

Foto: Marc Prams

Marina holt ihr Handy vor und zeigt ein Foto des Kellers in ihrem Haus in Odessa, der ukrainischen Metropole am Schwarzen Meer. Auf dem Boden liegen Decken und Schlafsäcke. „Wir haben uns hauptsächlich im Keller aufgehalten, weil es dort sicherere war“, erzählt die 59-Jährige. Dass sie ihre Heimat verlassen müsste, damit hatte sie nicht gerechnet. Bis zum 1. März, als die Angst vor dem Krieg zu groß wurde. „Eine Bombe ist in einer Militärstation nahe unseres Wohnorts eingeschlagen. Daraufhin haben wir binnen zwei Stunden unsere Sachen gepackt und uns auf dem Weg gemacht“, sagt Marina, die mit ihren beiden Kindern und einem Enkelkind mit dem Zug über Polen in die Slowakei wollte. „Aber es waren so viele Leute, die das gleiche vorhatten. Also haben wir uns umentschieden“, erzählt sie. Schließlich kam sie mit ihrer Familie im polnischen Nowa Sól an, wo sie über den Bürgermeister, Wadim Tyszkiewicz, erfuhren, dass es eine Möglichkeit gab,  nach Deutschland zu kommen. „Eigentlich wollten wir in der Nähe der Ukraine bleiben, aber als wir das erfuhren, haben wir uns dafür entschieden, diese Möglichkeit zu nutzen“, sagt Marina.

„Diese Möglichkeit“, das waren Eliza Modrewski-Eisenbeis, ihr Mann und fünf weitere Helfer, die sich am vergangenen Freitag mit zwei 7-Sitzer-Bussen und einem weiteren Wagen auf den Weg in Richtung polnisch-ukrainische-Grenze gemacht hatten. „Wir wollten helfen“, sagt Eliza Modrewski-Eisenbeis. Mit sechs Jahren ist die gebürtige Polin nach Deutschland gekommen, „wo ich zunächst in einem Auffanglager war“. Als sie jetzt die Bilder des Krieges und der Menschen, die vor diesem Krieg flüchten, gesehen hat, stand für sie fest: „Ich muss etwas tun. Ich muss helfen.“ Also hat sie über Facebook um Sachspenden gebeten, und kaum 35 Stunden später waren die drei Fahrzeuge bis unters Dach voll gepackt mit Hygieneartikeln, Medikamenten, Wasser, Babynahrung, und und und. „Dinge, die die Leute dringend benötigen und gut im Gepäck verstauen können“, sagt die zweifache Mutter aus Ottweiler.

Wo genau sie die Sachen abliefern würden, stand noch nicht fest, als sie sich auf den Weg machten. Stets in Kontakt mit ihrem Schwager Pavel Mazurek, der wiederum mit Behörden in Polen in Verbindung stand, lotste der sie schließlich nach Nowa Sól und dessen Bürgermeister Wadim Tyszkiewicz, der sich in der „Gesellschaft der Freunde der Ukraine (Towarzystwo Przyjaciol Ukrainy)“ engagiert. „Wir hatten vor, Menschen, die auf der Flucht sind, mit nach Deutschland zu nehmen, aber es war zunächst nicht so einfach, welche zu finden. Die Menschen hoffen, dass sie  bald wieder in ihre Heimat können und wollen daher eigentlich lieber in der Nähe bleiben“, erzählt Eliza Modrewski-Eisenbeis.

Neben Marina und ihrer Familie aus Odesses kamen auch Julia (48) mit zwei ihrer vier Kinder und Olga (40) mit ihren beiden Kindern aus Kiew mit nach Ottweiler. „Am 24. Februar um 5 Uhr fiel die erste Bombe“, erinnert sich Olga. „Am 2. März haben wir den Entschluss gefasst, zu fliehen.“ Dankbar sind die beiden für die vielen freiwilligen Helfer, die sie dabei unterstützt haben. „Es gibt so viele Menschen, die uns und den vielen anderen, die auf der Flucht sind, helfen und geholfen haben“, sagen die beiden Frauen, die ebenfalls nicht den Plan hatten, mit ihren Familien nach Deutschland zu gehen. Über Lemberg schafften es die sieben bis nach Warschau, wo sie nach einer Nacht über Veronika Marczuk von den „Freunden der Ukraine“ Kontakt zu Eliza Modrewski-Eisenbeis erhielten.

Dass Julia, Olga, Marina und ihre Kinder nun in Sicherheit sind, verdanken sie auch der schnellen, unkomplizierten Hilfe vonseiten der Stadt, beziehungsweise von Bürgermeister Holger Schäfer. „Ich hätte nie gedacht, dass das alles so gut laufen würde“, freut sich Modrewski-Eisenbeis, die den Ottweiler Bürgermeister kurz vor ihrer Abreise kontaktiert hatte und der dann in kürzester Zeit Dokumente erstellte, die die Ausreise der Ukrainer überhaupt erst ermöglichten. „Ich war das ganze Wochenende über mit Frau Modrewski-Eisenbeis per WhatsApp in Kontakt. Sobald wir Kenntnis darüber hatten, wie viele Personen kommen würden, konnten wir die Vorbereitungen treffen“, sagt Schäfer. Ein Haus in der Altstadt, das in städtischem Besitz ist, wurde bereits am Freitag mit 17 Betten ausgestattet. „Die hat der Kreis gestellt. Auch hier läuft die Zusammenarbeit sehr gut“, so Schäfer, der die Menschen aus der Ukraine am Sonntagabend in Empfang nahm. Im Haus in der Altstadt gab es erst mal eine warme Suppe für alle. „Die Leute sind hier mit allem ausgestattet, was sie benötigen. Jetzt sind wir dabei, Wohnungen für sie zu organisieren.“

Zwar sind alle froh darüber, sicher untergebracht zu sein, aber den Krieg hinter sich lassen, davon kann keine Rede sein. Ihre Männer und Teile der Familie sind nach wie vor in der Ukraine, über Handy versuchen sie stets, sie zu erreichen.

Für Eliza Modrewski-Eisenbeis war die Hilfsaktion keine einmalige Sache. Sie wird am kommenden Wochenende wieder nach Polen fahren, Hilfsgüter abliefern und Menschen, die auf der Flucht sind, ins sichere Deutschland bringen.

 Mit bis unters Dach bepackten Wagen haben sich die Helfer auf den Weg gemacht.

Mit bis unters Dach bepackten Wagen haben sich die Helfer auf den Weg gemacht.

Foto: Eliza Modrewski-Eisenbei
 Blick in den Schlafraum, für den der Landkreis Neunkirchen Betten zur Verfügung gestellt hat.

Blick in den Schlafraum, für den der Landkreis Neunkirchen Betten zur Verfügung gestellt hat.

Foto: Holger Schäfer

Wer Eliza Modrewski-Eisenbeis unterstützen möchte, kann dies gerne tun. Gefragt sind weitere mehrsitzige Autos für den Transport. Die Benzinkosten für die 2000 Kilometer werden dank Spenden übernommen. Außerdem werden benötigt: gängige Medikamente wie Schmerzmittel, Fiebersäfte, Zäpfchen, Nasentropfen und ähnliches, Windeln, Feuchttücher, Babynahrung, Babymilch, Pflaster, Damenhygiene-Artikel, Wasserflaschen in allen Größen, „alles, was man selbst mit auf Reisen nehmen würde und gut ins Gepäck passt“, sagt Eliza Modrewski-Eisenbeis. Wer mit ihr Kontakt aufnehmen möchte, findet sie unter ihrem Namen auf Facebook.

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