Graffiti-Workshop in Neunkirchen Bauzaun zeigt jetzt Kunst aus der Dose

Neunkirchen · Street Art-Mini-Festival „Light up!“: 15 Teilnehmer sprühten in Neunkirchen beim Graffiti-Workshop rund um die Stummsche Reithalle.

 Spryen mit Erlaubnis beim Graffiti-Workshop in Neunkirchen.

Spryen mit Erlaubnis beim Graffiti-Workshop in Neunkirchen.

Foto: Anja Kernig

Es kleckst. Farbnasen laufen runter. „Ihr müsst auch durchziehen“, mahnt Saskia Kassell die beiden Jungs, die mit ihren Dosen versuchen, halbwegs passable Striche auf die Spanholzplatte zu sprühen. „Nicht immer nur schütteln!“ Wobei das rhythmische Farbdosen-Schwenken schon ziemlich professionell klingt. Gleichwohl: Das allein erzeugt noch keine schwungvoll-fließende Linienführung. Die ist reine Übungssache. Und genau dazu ist man ja heute hier – beim Street Art-Mini-Festival „Light up!“ am und in der Stummschen Reithalle.

Eingeladen hatte die Kutscherhaus-Kreativfamilie um Integrationsmanagerin Edda Petri. Nach dem fulminanten Start mit der Einweihung des Beikirch-Wandgemäldes tags zuvor durften am Samstag Normalbegabte wie du und ich zunächst sprayen und später rappen.

Möglich machten dieses großzügige Geschenk – alle Angebote plus Open Air-Abschlusskonzert waren kostenlos – Bund und Land, die den Aktionstag mit 75 Prozent beziehungsweise 15 Prozent der Kosten finanzierten.

13 junge Menschen im Alter zwischen 14 und 23 Jahren fanden sich um 11 Uhr ein, um relativ fix einen Skizzenblock und Bleistifte in die Hand gedrückt zu bekommen. Keine Theorie, lieber jeden dort abholen, wo er steht und ausprobieren lassen, lautete die Strategie des Dozenten-Quartetts. Dazu gehören außerdem Nicolas Bier, Gustav Arnold und Juri Amrath, die sich selbst „Die Saarlandstreicher“ nennen. „Wir wollten das nicht so schulisch angehen“, erklärte Gustav Arnold, 22-jähriger Jura-Student. Es komme vor allem auf die Kreativität an. Gemeinsam versuchte man sich im „Style-Writing“, bei dem man Schriftzüge und /oder Ziffern als Bildkomposition umsetzt. „Manche hatten erst keine Idee. Denen habe ich ein paar meiner Entwürfe gezeigt“, verriet Kollegin Saskia. Arnold kam durch Freunde auf den Geschmack am Graffiti und sieht das Ganze rein als Hobby. Die 18-jährige Saarbrückerin dagegen hat schon von klein auf gern gemalt. Jetzt, nach der Schule, geht sie erstmal für ein Auslandsjahr nach Schweden. Später darf es dann gern ein Studium in Richtung Kunst/Design/Illustration sein.

Für Joshua Bepler war der Workshop eine Riesenchance. Der 23-Jährige gelernte Kaufmann aus Dirmingen dokumentiert schon länger die Graffiti-Szene im Saarland und ist ein Riesenfan – der offiziell-genehmigten ebenso wie der „Nacht- und-Nebel-Aktionen“. Rein künstlerisch gibt es da halt kaum Unterschiede. Schon lange wollte er es mal ausprobieren, hier fand er den richtigen Rahmen für den Selbstversuch. Erwartet hatte Bepler eine Art Frontalunterricht „vorn an der Tafel“, wo erklärt wird, wie die Schatten zu fallen haben etc. Insofern war er „positiv überrascht“ – auch, dass so eine „klasse“ Aktion ausgerechnet in Neunkirchen stattfinde, wo es „kaum Jugendkultur gibt“, jedenfalls nichts Augenfälliges an Fassaden, Laternen und ähnlichem. Das Sprayen selbst erwies sich als schwieriger als gedacht. Vor allem die Größenverhältnisse zu treffen. „Jetzt habe ich noch mehr Respekt vor den Profis.“ Weitermachen würde er gern, aber an die Öffentlichkeit will Joshua Bepler erst damit gehen, wenn er’s richtig drauf hat.

Ein wenig schade fand Edda Petri, dass nicht alle angemeldeten Jugendlichen kamen. Umso schöner, dass im Laufe des Tages noch zwei Teilnehmer spontan dazu stießen, so dass am Ende 15 „Nachwuchskünstler“ die 2,80 mal zwei Meter großen Spanplatten mit bunt-poppigen Schriftzügen besprühten, darunter zwei Gruppen der Projekte „Tat & Rat“ und „Neustart“ des Diakonischen Werks. „An uns dürfen gern auch andere Jugendeinrichtungen herantreten“, hofft die Integrationsmanagerin auf weitere Kooperationen im soziokulturellen Bereich. Von der Graffiti-Aktion zeugt noch eine Woche der Bauzaun mit den „Kunstwerken“.

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