Mit "Butterbrot" fing alles an

Sulzbach. Das erste deutsche Wort, das Francesco Sanzo kannte, nachdem er 1959 als Elfeinhalbjähriger aus seiner Heimat Kalabrien in Süditalien mit seinem Vater zum Geldverdienen ins Saarland kam, war "Butterbrot". "Dank eines vierjährigen Mädchens, das mir deutsch beibringen sollte, habe ich die Sprache schnell verstanden

 Francesco Sanzo Foto: ane

Francesco Sanzo Foto: ane

Sulzbach. Das erste deutsche Wort, das Francesco Sanzo kannte, nachdem er 1959 als Elfeinhalbjähriger aus seiner Heimat Kalabrien in Süditalien mit seinem Vater zum Geldverdienen ins Saarland kam, war "Butterbrot". "Dank eines vierjährigen Mädchens, das mir deutsch beibringen sollte, habe ich die Sprache schnell verstanden. Als Gegenleistung musste ich sie immer beim Schaukeln stundenlang anschubsen", erzählte Sanzo in einem Gemisch aus saarländischem und italienischem Dialekt am vergangenen Freitagabend vor seinem rund 30-köpfigen Publikum in der Buchhandlung Strauss in der Sulzbachtalstraße.Der 63-Jährige sympathische Vollblutitaliener mit italienischer Seele und deutschem Gehirn - wie er selbst sagt - verstand es, den ganzen Abend lang Anekdoten zum Besten zu geben. Selten hatte man das Gefühl, es ginge um eine Buchvorstellung. Aber genau das war es: "Ein Junge mit zwei leeren Flaschen", heißt das Werk, das in 446 Seiten Geschichten eines italienischen Gastarbeiters erzählt, der wie viele andere in den 50-ern ins Saarland kam und im Baugewerbe Arbeit fand. "Mich interessiert, was er zu erzählen hat, das Thema Migration ist schließlich aktuell. Außerdem soll er ein lustiger Mensch sein", meinte Besucherin Margit Kessler aus Quierschied kurz vor Beginn. "Ich mache das jetzt schon zehn Jahre. Wir hatten bisher etwa 50 Lesungen hier", verriet Buchhändler Rolf Strauss im Gespräch mit der SZ. "Heute veranstalten wir die Buchvorstellung in Zusammenarbeit mit der Projektgruppe Interkultur und der Lokalen Agenda der Stadt Sulzbach", fügte Strauss hinzu. Das Thema Integration gab es zu Sanzos Gastarbeiterzeiten nicht.

"Wo ich hinging, war ich der kleine Spaghettifresser. Man wurde viel gehänselt", erinnerte sich Sanzo. Auch habe man innerhalb einer italienischen Barackengemeinschaft kaum versucht, zu den Einheimischen Kontakt aufzunehmen. "Mir war schnell klar, alles läuft über die Sprache", so Sanzo. Heute bezeichnet er sich als Saarländer, obwohl er an seinem ersten Tag im Saarland anders dachte: "Als ich in Saarbrücken ankam und mit meinem Bruder auf dem Moped nach Bliesransbach fuhr, dachte ich, als ich all die schwarzen Häuser sah, ich wäre in der Hölle gelandet. Bei uns ist alles so sonnig und weiß getüncht. Hier war's kalt und schwarz", erzählte der ehemalige Bauunternehmer. Denn Sanzo schaffte es vom Gastarbeiter bis zum Bauunternehmer in seinen 52 Jahren in Deutschland. "Er ist ein Macher, einer, der gerne praktische Probleme löst. Ein herzensguter Kerl", so Strauss im Gespräch. Ein Charakterzug, der den Gelobten bereits zu einer Erfindung motivierte: "Das ist der Sanzofix. Eine Mischung aus Besen, Schaufel und Kantenschneider", so der Autor zu seinem Arbeitsgerät, das er ganz kurz einem kleinen Kreis vorstellte. Doch der Sanzofix blieb Nebensache, schließlich gab es viele Fragen zu beantworten. Und so mancher Insider hätte auch gern noch tiefere Einblicke gewonnen: "Er hätte ruhig noch tiefer auf die Probleme eingehen können, die die Leute damals hatten", so der 27-jährige Calcagno Sergio aus Hühnerfeld.

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