Mehr als ein bloßes Etikett

Überherrn/Saarbrücken. Freitagmittag, die Gedanken der Schüler sind schon im Wochenende, von dem sie noch 45 Minuten Sozialkunde trennen. Mehr als diese eine Stunde Sozialkunde pro Woche ist im Lehrplan der neunten Klasse nicht vorgesehen

 Gemeinsam mit einer Künstlerin haben die Schüler der Klasse 5.4 der Gemeinschaftsschule Überherrn eine neue Dekoration für eine Wand des Schulgebäudes entworfen. Foto: Rolf Ruppenthal

Gemeinsam mit einer Künstlerin haben die Schüler der Klasse 5.4 der Gemeinschaftsschule Überherrn eine neue Dekoration für eine Wand des Schulgebäudes entworfen. Foto: Rolf Ruppenthal

Überherrn/Saarbrücken. Freitagmittag, die Gedanken der Schüler sind schon im Wochenende, von dem sie noch 45 Minuten Sozialkunde trennen. Mehr als diese eine Stunde Sozialkunde pro Woche ist im Lehrplan der neunten Klasse nicht vorgesehen. Doch an der Schule am Warndtwald, einer Gemeinschaftsschule, früher Erweiterte Realschule in Überherrn, unterrichten Lehrer das Fach in Klasse 9 in einer Doppelstunde - dafür fällt es im Schuljahr danach komplett aus. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in einer Doppelstunde die Inhalte sinnvoller vermittelt werden können", sagt Schulleiter Carsten Broy.In diesem Punkt vom Lehrplan abzuweichen, ist eigentlich nicht erlaubt. Doch die Schule am Warndtwald ist freier, denn seit dem Schuljahr 2007/08 ist sie eine von 17 Schulen im Saarland, die am vom damaligen Kultusminister Jürgen Schreier (CDU) gestarteten Modellversuch "Selbstständige Schule" teilnehmen. In dem Projekt erhalten Schulen größere Handlungsspielräume, was Unterrichtsgestaltung, Zusammensetzung des Kollegiums und Finanzen betrifft. Was sich bewährt, soll auf andere Schulen übertragen werden. Da derzeit die Auswertung des Modellversuchs läuft, gibt das Ministerium noch keine Auskunft über den Erfolg des Projekts.

Seit 2007 hat sich an der Schule am Warndtwald manches geändert - etwa bei der Pausengestaltung: "Uns ist aufgefallen, dass viele Schüler morgens zur Schule kommen, ohne gefrühstückt zu haben, und deswegen unkonzentriert sind", sagt Konrektorin Klaudia Hiry-Landry. Daher habe das Kollegium beschlossen, nach der ersten Stunde eine Frühstückspause einzulegen.

Ein anderes Beispiel: Weil nur wenige evangelische Kinder die Schule besuchen, konnte in der Vergangenheit nicht immer evangelischer Religionsunterricht angeboten werden. Mittlerweile werden evangelische Schüler der siebten Klassen von Haupt- und Realschulzweig gemeinsam unterrichtet. Jahrgangsübergreifend wird mitunter Sport unterrichtet. Regelmäßig kontrolliert das Ministerium, ob sich die Schule an die Rahmenvorgaben des Modellversuchs hält. "Selbstständige Schule" sei dabei mehr als ein bloßes Etikett, das einer Schule angeheftet werde, sagt Broy. Die Schule müsse von sich aus neue Wege gehen.

So verzichtet die Schule auf interne Lehrerstunden und gibt das Geld stattdessen externen Personen, zum Beispiel Künstlern: Gemeinsam mit der deutsch-französischen Künstlerin Susanne Speicher gestaltet die Klasse 5.4 bilingual eine Wand der Schule neu. Mit dem Saarlouiser Künstler Mike Mathes und der Künstlerin Anni Kenn-Fontaine haben Schüler das Schulgelände künstlerisch aufgewertet. "Neue Impulse von außen erhöhen die Motivation der Schüler", sagt Hiry-Landry. "Um alles zu verwirklichen, braucht man ein Kollegium, das mitzieht und sich mit der Schule identifiziert und nicht bloß Dienst nach Vorschrift macht", sagt der Sprecher der Steuergruppe "Selbstständige Schule", Peter Bely.

Nicht bewährt habe sich in Überherrn die im Modellversuch erlaubte "schulscharfe Stellenausschreibung", bei der die Schulen selbst Stellen für neue Lehrer ausschreiben. Gewöhnlich werden die Lehrer vom Ministerium zugewiesen. "Doch wir dürfen nur Neueinstellungen und keine Versetzungen ausschreiben", sagt Schulleiter Broy. So habe es für offene Stellen geeignete Lehrer gegeben, die gerne an der Schule am Warndtwald unterrichtetet hätten. Doch das Ministerium habe nicht zugestimmt. In Fächern wie Mathematik, Naturwissenschaften oder Informatik, in denen es zu wenig Lehrer gebe, dürften Schulen nicht in einen Wettbewerb um Lehrer treten, erklärt Bely.

Insgesamt zieht die Schule nach sechs Jahren im Modellversuch eine positive Bilanz. "Wir hoffen, dass es weitergeht und wir die Änderungen, die sich bewährt haben, beibehalten können", sagt Schulleiter Broy. Lehrer, Schüler und Eltern wollten das Projekt ausweiten und auch in Bereichen wie Naturwissenschaften oder Musik mit externen Honorarkräften arbeiten.

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