Kein Happy End für Filmbühne

Theley. Als sich beim Lokaltermin die Eingangstür des ehemaligen Theleyer Kinos Union Filmbühne öffnet, betritt der 84-jährige Eduard Bard wieder seinen ehemaligen Arbeitsplatz. In diesem nun maroden Gebäude war er von 1956 bis 1960 Filmvorführer. Eingangs stellt Bard klar: "Im Theleyer Volksmund heißt das Gebäude noch heutzutage Eide-Saal

Theley. Als sich beim Lokaltermin die Eingangstür des ehemaligen Theleyer Kinos Union Filmbühne öffnet, betritt der 84-jährige Eduard Bard wieder seinen ehemaligen Arbeitsplatz. In diesem nun maroden Gebäude war er von 1956 bis 1960 Filmvorführer. Eingangs stellt Bard klar: "Im Theleyer Volksmund heißt das Gebäude noch heutzutage Eide-Saal." Dieser Saal mit Balkon wurde in den Jahren 1952/53 von kulturtreibenden Vereinen in Eigenleistung an das ehemalige Gasthaus Dewes-Ruthig angebaut. "Die Anlieger mussten damals zustimmen", schildert Bard die Entstehungsgeschichte.Angekommen in der Mitte des Saales strahlt der Senior über das ganze Gesicht. Als die Erinnerungen und Anekdoten an die mit Patina behaftete Räumlichkeit aus ihm heraussprudeln, ist es fast wie ein Dokumentarfilm für seine Zuhörer. Der rote Vorhang hängt noch, ebenso noch ein paar Fetzen von der Leinwand, auf der drei Mal pro Woche die neuesten Streifen flimmerten. Den Job des Filmvorführers hat Bard von seinem erfahrenen Kollegen Eduard Gross gelernt. "Wir haben einen Lehrgang gemacht", erinnert er sich. Fünf Mark habe sein Lohn für die Vorführung betragen. "Die Vorstellungen waren immer sehr gut besucht", sagt der Filmvorführer. Bard erklärt, wo der Sperrsitz war und geht schließlich dorthin, von wo aus er einst die Bilder zum Laufen gebracht hat. Über eine Leiter geht es in den Keller und eine Wendeltreppe hinauf in eine wahre Schatzkammer, den Filmvorführraum, den Bard nun seit Jahrzehnten das erste Mal wieder zu Gesicht bekommt. "Die schweren Filmrollen haben wir mühsam hochschleppen müssen", erzählt Bard.

Frauen schwärmten für Gable

Oben angekommen legt er sofort seine rechte Hand auf einen der beiden wuchtigen Bauer-Filmprojektoren. "So wurden die Filmrollen eingelegt", sagt er und zeigt es, erklärt, wie die Projektoren bedient wurden und wie ein gerissener Film mit Spezialkleber zusammengeflickt wurde. Im Vorprogramm habe die "Foxtönende Wochenschau" die Besucher mit den neuesten Nachrichten versorgt. Klar habe die Damenwelt seinerzeit der Hollywood-Legende Clark Gable im Film "Vom Winde verweht" zu Füßen gelegen oder hätten alle Besucher über den Tod des Apachen-Häuptlings Winnetou getrauert. Während Bard seine Anekdoten erzählt, stöbert er in einer Kiste und wird fündig. "Das ist ja unglaublich", sagt er. Bard hält ein Zeitdokument, das Tagebuch der Filmvorführer, in Händen. Seite für Seite ist jede einzelne Vorstellung, jeder noch so geringste Vorfall penibel darin aufgezeichnet. Wer wann als Filmvorführer Dienst hatte, davon zeugen Namenskürzel.

Am 17. Dezember 1955 riss der Film im ersten Akt. Die Stummfilmstars "Dick und Doof" liefen dienstags, am 16. Februar 1962 kämpfte der kauzige Westernheld "Fuzzy gegen Tod und Teufel". "In den Spätvorstellungen wurden auch Filme mit leichtbekleideten Darstellern gezeigt", fällt Bard ein. Bei pikanten Szenen habe er dann auf Anweisung von Oma Dewes seine Hand vor den Projektor halten müssen. "Dann hat der ganze Saal lautstark gepfiffen", weiß er noch gut. Auf der Empore im Kinosaal fanden 80 Personen Platz. Teilweise ist die Klappbestuhlung noch vorhanden. "Als das Fernsehen dann immer stärker aufkam, ging es mit dem Kinobesuch zurück", fügt Bard an. Zum letzten Mal verlässt er dann den Vorführraum und hinter ihm schließt sich die Eingangstür des Kinos wohl zum allerletzten Mal. Mittlerweile ist das Gebäude in den Besitz der Gemeinde Tholey übergegangen.

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Hintergrund

Der Eide-Saal in der Talstraße war früher der zentrale Veranstaltungsort für die Theleyer Vereine und Gaststätte und Kinosaal zugleich. Legendär ist noch heutzutage, passend zur Mondlandung, die Kappensitzung von 1970. Das Prinzenpaar, befestigt an einem Seilzug, wurde damals als bemannte Mondrakete quer durch den Saal geflogen.

Mit 350 Besuchern ging fünf Jahre später die finale Kappensitzung über die Bühne. Im Jahre 1976 schloss der Eide-Saal seine Pforten, auch weil die Theleyer kulturtreibenden Vereine in neuere Räume umgezogen waren. Sieben Jahre später machte die Kneipe Dewes dicht.

Mit der Gründung der Theleyer Narrekäpp Helau-Mildau im Jahre 1999 wurde der Veranstaltungsort quasi reanimiert. "Rettet den Eide-Saal" ist bis heute ihr Motto geblieben.

Beim Sommerfest am elften Geburtstag der Narrekäpp stand der Eide-Saal der Bevölkerung zur Besichtigung offen. Scherzhaft bat der Tholeyer Bürgermeister Hermann Josef Schmidt damals den "Narrekopp" Volker Peter, einen Antrag zu formulieren, um den Eide-Saal als Unesco-Weltkulturerbe anzumelden. frf

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