"Ich arbeite an meiner Einsatzbereitschaft""Relativ wenig Mittel, sehr gute Arbeit"

Lebach. Am 27. März 2008 wurde der in Thüringen geborene und in Lebach wohnende Soldat Markus Grießbach eine Person der Zeitgeschichte: Sein Schicksal war an diesem und an den folgenden Tagen Thema in allen deutschen Nachrichtensendungen - wenn auch ohne Namensnennung

 Oberfeldarzt Matthias Johann mit Kindern im Rettungszentrum in Kundus. Foto: SZ

Oberfeldarzt Matthias Johann mit Kindern im Rettungszentrum in Kundus. Foto: SZ

Lebach. Am 27. März 2008 wurde der in Thüringen geborene und in Lebach wohnende Soldat Markus Grießbach eine Person der Zeitgeschichte: Sein Schicksal war an diesem und an den folgenden Tagen Thema in allen deutschen Nachrichtensendungen - wenn auch ohne Namensnennung. Es war damals nämlich gelungen, seine Identität zu schützen und ihn vor einem Ansturm der Neugierigen ans Krankenbett zu bewahren. Dorthin schafften es lediglich einige Politgrößen, Führungskräfte der Bundeswehr, die Familie und enge Vertraute. Der 32-jährige Soldat des Fallschirmjägerbataillons 261 in Lebach, verheiratet und Vater eines dreijährigen Sohnes, war bei seinem Einsatz in Afghanistan schwer verwundet worden. Er lag fünf Tage im künstlichen Koma, 22 Tage im Akutkrankenhaus und weitere fünf Wochen in einer Reha-Klinik. Das von ihm in der Nähe des Einsatzortes Kundus gesteuerte Fahrzeug, ein zehn Tonnen schwerer "Dingo", fuhr auf eine hinterhältig gestellte Sprengfalle. Dank der guten Panzerung überlebten alle drei Insassen. Grießbach erlitt drei Brüche an Halswirbeln sowie einen Bruch im Mittelgesicht. Er hat dem Vernehmen nach noch etliche Operationen vor sich, bei denen Metallplatten entfernt werden. Am Freitagabend trat ein heiterer, elanvoller Hauptfeldwebel Grießbach vor eine hundertköpfige Zuhörerschaft der Reservistenkameradschaft des Kreises Saarlouis und der Lebacher Gruppe. "Ich arbeite an meiner Einsatzbereitschaft" und "ich habe die Sache sehr schnell verarbeitet, denn der Anschlag galt unserem Auftrag, nicht mir persönlich", versicherte der Referent. Grießbach zeigte sich erleichtert, dass die mit großem Aufwand geknüpfte Rettungskette von Afghanistan bis ins Bundeswehrkrankenhaus Koblenz einwandfrei funktioniert hatte. Ihr verdankt er sein Leben, den 27. März begeht er ab sofort als zweiten Geburtstag. Oberstleutnant Carsten Jahnel, Kommandeur des Fallschirmjägerbataillons 261 und 2008 in Führungsverantwortung in Kundus, würdigte die Arbeitsleistung der Lebacher Soldaten, die mit über 200 Mann in Afghanistan waren (derzeit noch mit 40). Sie hätten ihren Auftrag, den Beschuss des Militärlagers in Kundus zu unterbinden, bereits nach drei Wochen erreicht. Es sei der Anspruch gewesen, als Beschützer aufzutreten und nicht als Besatzer. Jahnel bezeichnete die deutsche Aufbauhilfe für eine neue afghanische Zivilgesellschaft und zur Bekämpfung von Terrorismus als "nicht sinnlos" beziehungsweise ein "Erfolgsmodell", wenn das Engagement nachhaltig und mit politischer Rückendeckung betrieben werde. Gleichwohl gestand Jahnel ein, dass die Sinnhaftigkeit des Tuns in der Öffentlichkeit bisweilen in Frage gestellt werde. Das Thema Ihres Vortrages lässt einen schlucken: "Kundus 2008, Verletzungsmuster nach terroristischen Anschlägen".Johann: Ich habe gezeigt, mit welchen Besonderheiten der Chirurg bei Sprengverletzungen konfrontiert wird - wie wirkt ein Sprengsatz mechanisch, welchen Einfluss hat die Druckwelle auf Organe? So etwas gehört ja nicht zum Alltag in der hiesigen Ausbildung, kann aber auch hier ein Thema werden, etwa nach terroristischen Anschlägen oder nach Funden von Weltkriegswaffen. Wie viele Ärzte kümmern sich um die Soldaten in Kundus?Johann: Fünf Rettungsmediziner, die in gepanzerten Fahrzeugen mit raus gehen, dazu im Rettungszentrum im Lager zwei Chirurgen, zwei Anästhesisten und ein Zahnarzt. Ist das genug?Johann: Mit relativ wenig Mitteln leisten wir eine sehr gute Arbeit. Wir können verletzte Soldaten in Kundus so behandeln, dass es deutschem Standard entspricht. So werden auch Gliedmaßen-Amputationen vermieden, wann immer es medizinisch vertretbar ist. Ziel ist die schnelle Transportfähigkeit in ein Bundeswehrkrankenhaus. Problematisch wäre ein Massenanfall an Verletzten, der die Kapazitäten des Rettungszentrums überschreitet. Doch können wir jederzeit auf die Hilfe vom Einsatzlazarett in Mazar-e-Sharif zurückgreifen. Sie behandeln auch Einheimische?Johann: Ja, wenn sie Opfer von Anschlägen wurden und wenn unsere Kapazitäten reichen. Wir müssen ja immer bereit sein, unseren Soldaten zu helfen. Wie ist die Stimmung im deutschen Lager?Johann: Wegen der ständigen Gefährdung und den tatsächlichen tagtäglichen Vorkommnissen in der Nähe des Lagers herrscht eine Grundspannung. Wegen guter Prävention und Ausrüstung sind schwerwiegende Verletzungen und Todesfälle bisher zum Glück selten.

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