Baustellen gibt's in der Region zuhauf. Und Ampeln. Viele Ampeln. Sie stehen auf rot. Lange auf rot. Zeit genug, um sich umzuschauen. Nach dem schmächtigen Kahlkopf vor mir: scheint nicht putzmunter zu sein. Räkelt sich auf dem Fahrersitz, wie aus Tiefschlaf erwacht. So fuhr er auch. Das robuste 80er-Jahre-Lockenwunder im Auto hinter mir wühlt verbissen in der Handtasche, wie ich im Rückspiegel erkenne. Dann legt die Dame los: rückt den Innenspiegel zurecht, schmiert die Lippen schreipink. Seelenruhig. Dabei entgeht ihr, dass die Ampel umspringt. Den anderen Verkehrsteilnehmern nicht, die wild hupen. Nächste Baustelle, nächstes Rot. Mein Blick fällt durch den Spiegel auf den Hintermann, der genüsslich nach Ölquellen bohrt. Ich schaue rasch nach vorn. Ein junger Kerl, der seinen Pkw zur rollenden Disco umgestaltet hat. Wummernde Bässe dringen durchs geschlossene Fenster meines Autos. Der Jugendliche zuckt epileptisch und trällert. Er ist der erste, den ich kenne, der allein dreistimmig singt. Er hätte bei einer TV-Talentshow die Vorrunde nicht überstanden. Höhepunkt: der aus einer Seitenstraße hinzustoßende Fahrer. Er muss wegen des Staus ebenso stehen bleiben. In einem Schnellrestaurant deckte er sich soeben mit allerlei fetttriefenden Lebensmitteln ein. Der Herr stopft und schlingt. Leicht korpulent würde seine Statur unzureichend beschreiben. In jenem Augenblick, als die Wagen anrollen und Hupen dröhnen, pfeffert er wie vom Donner gerührt den halb verspeisten Hamburger von innen gegen die Windschutzscheibe und schaltet den Scheibenwischer an, der außen über pulvertrockenes Glas quietscht. Ich muss anfahren. Zu schade auch. Was würd' ich ohne rote Ampeln tun? Für mich kann's gar nicht lange genug rot sein