Vergabe von Arztterminen Warum die Ärzte ein Call-Center planen

Saarbrücken · Gesetzlich Versicherte sollen sich Termine künftig vermitteln lassen können, auch online. Das hat weitreichende Folgen.

 Die Kassenärztliche Vereinigung muss zusätzliches Personal einstellen, um die Anrufe von Patienten bearbeiten zu können.

Die Kassenärztliche Vereinigung muss zusätzliches Personal einstellen, um die Anrufe von Patienten bearbeiten zu können.

Foto: picture alliance / dpa/Patrick Pleul

Es ist eine kleine Revolution, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plant, damit gesetzlich Versicherte schneller einen Arzttermin bekommen. Wer einen Termin beim Hausarzt oder beim Kinderarzt möchte oder wer wegen Schmerzen eine Arztpraxis oder Notfallambulanz aufsuchen will, soll sich künftig an die bundesweit einheitliche Hotline 116 117 wenden können. Die Termin-Servicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), die sich hinter dieser Nummer verbergen, sollen dann nach einer ersten Einschätzung, wie dringend das Anliegen ist, einen Termin vermitteln.

Bislang sind die 2016 eingerichteten Terminservice-Stellen nur dazu da, Facharzttermine zu vermitteln – und auch das nur in nachweislich dringenden Fällen. Bei der KV Saarland am Saarbrücker Eurobahnhof kümmern sich zwei Halbtagskräfte um diese Aufgabe. Mit den neuen Aufgaben dürfte die Zahl der Anrufe deutlich steigen, weshalb die KV für das Ende des Jahres die Einrichtung eines kleinen Call-Centers vorbereitet. Zudem soll es auch möglich sein, sich per App einen Termin geben zu lassen.

Die Ärzte haben sich mit den Servicestellen abgefunden, auch wenn sie an deren Sinn zweifeln (die SZ berichtete). Für sie geht es nun darum, bei Spahns Gesetz „wenigstens den größten Unsinn abzuwenden“, wie der Saarbrücker Kardiologe Dr. Dirk Jesinghaus, der Vorsitzende der KV-Vertreterversammlung, sagt. Denn Spahn will vorschreiben, dass die Servicestellen künftig an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden erreichbar sein sollen. Warum bitteschön, fragen die Mediziner, soll es möglich sein, nachts um 2 Uhr einen Termin beim Hautarzt oder beim Neurologen zu vereinbaren? Die Schätzungen, wie viel Personal die KV für einen Drei-Schicht-Betrieb einstellen müsste, reichen von 12 bis 20.

Noch hält sich die Hoffnung, dass es am Ende nicht so kommen wird. Mit folgender Möglichkeit könnten die Kassenärzte gut leben, wie die KV-Vorstände Dr. Gunter Hauptmann und Dr. Joachim Meiser erläutern: Tagsüber, von 8 bis 18 Uhr, wäre das Call-Center der KV für alle Termin-Anfragen über die 116 117 da, dafür müssten fünf oder sechs Mitarbeiter eingestellt werden. Außerhalb der Sprechstunden würde die 116 117 zur Leitstelle auf dem Saarbrücker Winterberg umgeleitet. Dazu muss man wissen, dass 116 117 schon heute die Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes ist. Wer sie außerhalb der Sprechzeiten wählt, landet in der Leitstelle, wo die Disponenten entweder den Kontakt zum zuständigen Bereitschaftsdienst herstellen – oder dem Patienten bei einem Notfall gleich den Rettungswagen schicken.

In einem Brief an die Kassenärztliche Bundesvereinigung und an Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) wirbt Jesinghaus dafür, dass diese „sachgerechte, patientenfreundliche und gut funktionierende Kooperation“ mit dem Rettungszweckverband auch zukünftig möglich ist. Allerdings: Sollte es Spahn tatsächlich darum gehen, dass die Servicestellen auch nachts Arzttermine vermitteln können und nicht nur für Akutfälle erreichbar sind, dann stünde die saarländische Lösung vor dem Aus. Einen Gesetzentwurf gibt es bisher nicht.

Klar aber ist, dass sich die KV durch die Reform gehörig wandeln wird, von einer bloßen Verwaltungsbehörde zu „einem zentralen Dienstleister in der Gesundheitsversorgung“, wie KV-Vorstand Meiser sagt. Auch technisch wird sich einiges tun. Arztpraxen werden freie Termine künftig online an die KV melden und nicht mehr per Fax. Die Termin-Servicestelle wäre dann irgendwann auch online zu erreichen, Termine könnten über eine App vermittelt werden. „Diese Option wird kommen“, sagt Meiser. Frühestens 2020. Nach Meisers Angaben ist aber noch offen, wie verhindert werden kann, dass sich online-affine „Profi-Patienten“ mehrere Termine auf Vorrat blockieren – und vornehmlich ältere Patienten, die sich nicht so gut damit auskennen, den Termin aber unter Umständen viel nötiger haben, leer ausgehen.

Die Termin-Servicestelle vermittelt in dringenden Fällen gesetzlich Versicherten innerhalb einer Frist von vier Wochen einen Termin bei einem Facharzt. Voraussetzung ist ein entsprechender Vermerk auf der Überweisung. Seit 2017 gilt die Vermittlungspflicht auch für bestimmte psychotherapeutische Leistungen. Die Servicestelle der KV ist montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr unter Tel. (06 81) 85 77 30 erreichbar.

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