Diskussion in Saarbrücken Wie das Saarland fairen Handel und Menschenrechte weltweit stärken könnte

Saarbrücken · Im Rahmen der Fairen Wochen diskutierten Experten in Saarbrücken über globale Verantwortung im Saarland. Wo bereits im Saarland Nachhaltigkeit gelebt wird und wo noch Potenzial schlummert.

Helmut Paulus vom Weltladen Saarbrücken und Christian Bersin von der Landeshauptstadt Saarbrücken bei der Veranstaltung "Global verantwortliche Beschaffung" in Saarbrücken.

Helmut Paulus vom Weltladen Saarbrücken und Christian Bersin von der Landeshauptstadt Saarbrücken bei der Veranstaltung "Global verantwortliche Beschaffung" in Saarbrücken.

Foto: David Lemm

„Fair steht dir – #fairhandeln für Menschenrechte weltweit“. Unter diesem Motto finden noch bis zum 30. September bundesweit die sogenannten Fairen Wochen mit diversen Aktionsangeboten statt. Ganz oben auf der Agenda: menschenwürdige Arbeitsbedingungen und nachhaltiges Wirtschaften in der Textil-Lieferkette.

Anlässlich der Fairen Wochen lud am Dienstag ein Bündnis verschiedener Initiativen und Vereine sowie der VHS des Regionalverbandes Saarbrücken unter der Federführung von Helmut Paulus vom Weltladen Saarbrücken zu einer Veranstaltung ins VHS-Zentrum im Saarbrücker Schloss. Neben den Akteuren waren auch Mandatsträger (darunter Ulrich Commerçon, SPD-Fraktionschef im Landtag) mit von der Partie, um aus verschiedenen Blickwinkeln die Praxis global verantwortlicher Beschaffung zu beleuchten.

Zehn Fairtrade Towns im Saarland

Elena Yorgova-Ramanauskas, Staatssekretärin für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie, betonte eingangs, dass dieses vielfältige Thema nicht nur auf Landesebene, sondern auch auf der persönlichen Ebene des Konsums anzusiedeln sei und man deshalb „awareness“ (dt.: Bewusstsein) schaffen müsse. Dass die Lieferketten mittlerweile ganz oben auf der Agenda der Unternehmen stünden und es im Saarland zehn Fairtrade Towns gebe, führte sie als positive Faktoren auf. Dennoch müsse man „das Thema größer denken“ – Stichwort Agenda 2030 – und „ein saarländisches Beschaffungskonzept“ sei das erklärte Ziel für die Zukunft.

Dabei ließ sie jedoch offen, wie dieses Konzept genau aussehen könne. Ein Blick nach Bremen könnte helfen. Da Birte Detjen von der Kompetenzstelle für sozial verantwortliche Beschaffung aus Bremen kurzfristig erkrankt war, übernahm Carsten Schulz, Teamleiter von Immobilien Bremen, den Einführungsimpuls. Live zugeschaltet präsentierte er am Beispiel Bremens, wie sich nachhaltige Beschaffung in der Praxis ausgestaltet.

Bremen als Vorbild bei Nachhaltigkeit

Bereits 2008 fasste die Bremer Bürgerschaft einen Beschluss gegen ausbeuterische Kinderarbeit. 2015 verabschiedete der Senat die entwicklungspolitischen Leitlinien, womit der politische Rahmen geschaffen wurde. Im Bremerischen Tariftreue- und Vergabegesetz wurde den öffentlichen Auftraggebern ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen.

Die der Stadtgemeinde angegliederte Dienstleisterin Immobilien Bremen fungiert als zentrale Beschaffungsstelle. Der 2015 eingeführte und öffentlich zugängliche Webshop „BreKat“ ist das erste Mittel zur nachhaltigen Beschaffung. Abgerundet werden diese strategischen Maßnahmen mit der seit 2016 agierenden Kompetenzstelle für sozial verantwortliche Beschaffung mit dem Einkaufs- und Vergabezentrum (EVZ).

Schulz betonte, dass ein entscheidender Erfolgsfaktor die rechtliche Implementierung gewesen sei. „Heute haben wir viele Möglichkeiten, was man machen darf, weil es im Landesrecht festgehalten ist. Wichtig sind die zentralen Strukturen sowie die Transparenz vor und während der Ausschreibung“, beendete er seinen 45-minütigen Impulsvortrag.

Regionalverband widerholt als Fairtrade-Region ausgezeichnet

„Wie sieht es im Saarland aus?“, leitete Helmut Paulus in den zweiten Teil der Veranstaltung über. Heike Erbelding vom Regionalverband Saarbrücken skizzierte die hiesige Entwicklung. Bereits 2016 wurde der Regionalverband Saarbrücken als offizielle Fairtrade-Region ausgezeichnet und mehrfach rezertifiziert – zuletzt 2022.

Konkret umgesetzt heißt das beispielsweise, dass die Schulbuchausleihen nur noch fair gehandelte Biobaum-Faitrade Tasche den Schülern ausgeben. Dass man auf jegliche Give-Aways verzichte, sei eine Maßnahme, um den Kostenzuwachs bei den Taschen von zehn Cent auf 1,10 Euro abzufedern. Auch bei den Schulkiosken, wo es fair gehandelte Produkte geben muss, hat sich einiges getan, so auch bei der Arbeitskleidung der Hausmeister. „Ein bisschen Fairtrade hat sich etabliert. Das große Problem bleibt aber das Büromaterial – abgesehen vom Papier“, zog Erbelding als Fazit.

Wo bei der Nachhaltigkeit noch Entwicklungspotenzial herrscht

Auch Christian Bersin von der Landeshauptstadt sieht noch Luft nach oben. „Das Bremer Modell ist nicht eins zu eins zu übertragen. Die Beschaffung ist bei uns dezentralisiert“, erklärte er. Obwohl bereits viele nachhaltige Maßnahmen umgesetzt werden konnten, seien faire Produkte (vor allem Fleisch in den Kitas) nicht immer zu beschaffen, was ernüchternd sei. Als ebenso ernüchternd empfinde er es, „dass nicht wenige Sachbearbeiter überfordert sind und die Dienstanweisungen nicht zu Kenntnis nehmen, also nicht umsetzen.“ Deshalb wünsche er sich „eine gewisse Unterstützung von oben“.

Kommunen im Saarland setzen auf Nachhaltigkeit

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Foto: Ruppenthal

Wie kleine Kommunen nachhaltige Beschaffungsrichtlinien auf den Weg bringen und umsetzen können, zeigte Kerstin Lauerburg aus Nohfelden in ihrem Vortrag. Sie kümmert sich seit 2020 unter anderem um nachhaltige Beschaffung in ihrer Gemeinde und teilt sich die dafür zuständige und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zu 90 Prozent finanzierte Stelle Kepol. „Das Thema ist never ending“, sagte sie mit Bezug auf neue Beschaffungsrichtlinien, die sie angehen möchte. Dem pflichteten in der Abschlussrunde die Diskutanten bei. „Beim politischen Willen hapert es noch“, meinte Tamara Enhuber, Koordinatorin beim Bündnis „Saarland-Verantwortung-Lieferketten“.

Das fand auch Ulrike Dausend, Geschäftsführerin und Korrdinatorin beim Netzwerk Entwicklungspolitik im Saarland (NES). „Wir kommen nicht weiter, wenn wir es nicht strukturell verankern“, sagte sie und plädierte für eine Zentralisierung der Beschaffung nach dem Bremer Vorbild. „Wir können ganz viel von Bremen lernen“, beendete Paulus die Veranstaltung. In naher Zukunft soll es eine größere Folgeveranstaltung geben, kündigten die Veranstalter an.

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