"Die Spieler empfinden Scham"

Herr Zimmermann, ab wann ist ein Mensch nach Ihrer Auffassung spielsüchtig?Markus Zimmermann: Beim Suchtbegriff geht man davon aus, dass jemand keinen eigenen Einfluss mehr auf sein Verhalten hat

 Spielhallen sind im Saarland besonders verbreitet. Foto: dpa

Spielhallen sind im Saarland besonders verbreitet. Foto: dpa

Herr Zimmermann, ab wann ist ein Mensch nach Ihrer Auffassung spielsüchtig?

Markus Zimmermann: Beim Suchtbegriff geht man davon aus, dass jemand keinen eigenen Einfluss mehr auf sein Verhalten hat. Gemäß der Krankenhaus-Diagnoseschlüssel ist ein Mensch dann süchtig, wenn er nicht mehr aufhören kann, wenn eine Steigerung des Suchtverhaltens vorliegt, er weitgehend andere Interessen vernachlässigt und sich selbst dadurch schädigt.

Abgesehen davon, dass man schnell viel Geld verlieren kann: Welche sozialen Folgen kann Spielsucht haben?

Zimmermann: Ein erster Ansatz, um eine Sucht zu erkennen, ist, dass die sozialen Kontakte schnell nebensächlich werden. Und wenn das Spielen zur regelmäßigen oder ausschließlichen Beschäftigung wird, gehen die Beträge schnell in die Höhe. Das hängt auch mit der Funktionsweise heutiger Automaten zusammen: Das Geld wird häufig in Punkte umgewandelt, und diese werden dann abgezogen. Insgesamt hat die Spielgeschwindigkeit zugenommen, das ist kein Vergleich zu den alten Walzenautomaten. Hier kommt der Suchtprozess zum Tragen: Die Spieler empfinden einerseits häufig Scham und Angst und wünschen sich andererseits: Jetzt muss doch die Glückssträhne kommen! Es ist eine Fehleinschätzung, dass man die Automaten berechnen könne.

Welche Hilfen gibt es für Betroffene?

Zimmermann: Im Saarland gibt es in jedem Landkreis Suchtfachstellen, die Betroffenen helfen, außerdem psychosoziale Beratungsstellen. Wir haben auch zwei ambulante Behandlungsstellen in Neunkirchen und Saarbrücken, jeweils auch mit Selbsthilfegruppen, was ich für einen sehr wichtigen Aspekt halte. Eine stationäre Behandlung ist in der Fachklinik Münchwies möglich.

Zwischen 2010 und 2012 haben die Konzessionen für Spielhallen im Saarland so stark wie in keinem anderen Bundesland zugenommen. Wie erklären Sie sich das?

Zimmermann: Ich denke, die Kommunen waren teilweise überfordert damit, den Anträgen baurechtlich etwas entgegenzustellen. Vielleicht war man mancherorts auch froh, durch Spielhallen Leerstände zu verringern und etwas Geld in die Kasse zu bekommen. Außerdem war die Dichte der Spielhallen im Saarland vor 2010 nicht besonders hoch - da haben Anbieter das Saarland als günstigen Standort gesehen und rasch noch Anträge gestellt, bevor die Vorgaben 2012 verschärft wurden.

In einigen Städten, etwa Saarlouis, kommen auf einen Bewohner besonders viele Spielhallen. Warum?

Zimmermann: Vielleicht deshalb, weil es im Grenzgebiet eher Kundschaft gibt: In Frankreich ist Glücksspiel verboten, daher haben die Anbieter wohl versucht, das Angebot zu verstärken und vermehrt Franzosen anzulocken.

Mit dem im vergangenen Jahr beschlossenen Landesspielhallengesetz wurde versucht, die Entwicklung einzudämmen. Inwiefern haben sich die Spielregeln für Betreiber geändert?

Zimmermann: Das Gesetz folgte dem neuen Glücksspiel-Staatsvertrag zwischen den Bundesländern. Es gibt nun erstmals genaue Rahmenbedingungen für gewerbliche Betreiber. So sind Mindestabstände von Spielhallen zueinander und die Entfernungen zu Schulen geregelt, Mehrfachkonzessionen sind nun verboten. Betreiber müssen auch Maßnahmen darlegen, wie sie dem Jugend- und Spielerschutz Genüge tun und ein Sozialkonzept vorlegen. Zurzeit sind wir dabei, diese Konzepte zu prüfen. Foto: LPH

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