Institution in Spichern Vor 125 Jahren gegründet: Wie sich das legendäre Restaurant Woll im Laufe der Jahre verändert hat

Spichern/Saarbrücken · Vor 125 Jahren ist das Restaurant von Adolf Woll für deutsche Nationalisten gegründet worden, die den Schlachtplatz auf den Spicherer Höhen besuchten, wo 1870 ein blutiges Gemetzel stattfand. Heute ist „der Woll“ so erfolgreich wie eh und je. Was ist das Erfolgsrezept?

Jörg Walter, leitet als Gastwirt seit 2007 das Traditions-Restaurant Woll auf den Spicherer Höhen. Hier genießt der Würzburger ein Stück Kuchen und ein Glas Carola-Wasser aus Ribeauvillé.

Jörg Walter, leitet als Gastwirt seit 2007 das Traditions-Restaurant Woll auf den Spicherer Höhen. Hier genießt der Würzburger ein Stück Kuchen und ein Glas Carola-Wasser aus Ribeauvillé.

Foto: Silvia Buss

Empfängt man als Saarbrückerin Gäste von auswärts, raten, nein, „befehlen“, gutmeinende Freunde stets: „Ihr müsst mit denen zum Woll fahren!“ Auch Politiker mit Staatsgästen hielten sich daran. „Der Woll“, das Restaurant auf den Spicherer Höhen, die im Krieg von 1870/71 blutiger Kämpfe zwischen Deutschen und Franzosen und im Zweiten Weltkrieg von Deutschen und Alliierten waren, ist eine Institution, ein „must go“ vergleichbar nur mit der Saarschleife. Wieso eigentlich?

Foto-Erinnerungen an die Geschichte der Restaurants Woll in Spichern
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Foto: BeckerBredel

Schon immer ein Publikumsmagnet

Es war schon immer ein Publikumsmagnet, meint Jörg Walter, der das Restaurant seit 2007 als angestellter Geschäftsführer leitet und die Geschichte erforscht hat. 1895, also 25 Jahre nach der Schlacht von Spichern, als Elsass-Lothringen deutsches „Reichsland“ war, fingen die Deutschen an, auf den Spicherer Höhen massiv Kriegerdenkmäler zu errichten. Daraufhin reisten vor allem Preußen in Massen an, um den Schauplatz der siegreichen Schlacht und die Gräber der „Helden“ zu sehen. Was aber fehlte, war ein Gasthaus, in dem sich die Militärtouristen stärken und erfrischen konnten. Adolf Woll erkannte die Chance – und ließ es bauen.

1897 erbaute Adolf Woll die Sommerfrische für Touristen

1897, die eingravierte Zahl sieht man stets an der Treppe zur Außenterrasse, wurde das Restaurant eröffnet und vom ersten Tag an war es voll. „Es heißt, der Briefträger, der die Post abholte, musste sich damals sogar eine größere Tasche kaufen, weil die Besucher so viele Ansichtskarten verschickten“, berichtet Walter. Auch heute noch besuchen viele den Ort wegen seiner Geschichte. Doch zum Woll, der bis 2004 in Familienbesitz blieb, bevor der Enkel von Gründer Adolf ihn an vier Saarbrücker verkaufte, zieht es viele aus anderen Gründen.

Kurz raus aus der Stadt in ein anderes Land

„Es ist wie Urlaub, man fährt nur kurz aus der Stadt raus und ist schon in einem anderen Land“, sagt Walter. Und wenn man dann bei milden Temperaturen unter den Kastanien auf der Terrasse sitze und einen Rosé trinke, habe man einen wahnsinnigen Ausblick. Die Sonne gehe hier gefühlt eine Stunde später unter als im Tal – und dann auch noch oft spektakulär.

Sofort in das Haus verliebt

Walter, der aus Würzburg stammt, der sich als Koch, Konditor und im Hotelfach ausbilden ließ und bei Sterneköchen arbeitete, kam durch eine wundersame Fügung hierher. Ein Weinhändler von hier, der verstorbene Robert Wagner, der ihn kannte, habe ihm eines Tages auf einer Weinmesse irgendwo im Bundesgebiet gesagt, er müsse sich unbedingt ein Haus ansehen, das sei genau das Richtige für ihn. „Ich hatte gar nicht vor, ein Restaurant zu übernehmen“, erinnert sich Walter lächelnd. Doch als Walter ihn hierher führte, hat er sich sofort in den Ort und das Haus verliebt. „Es ist ein besonderes Gefühl , hier zu seine, bei jedem Wetter“, so herrlich ruhig, nichts stört, schwärmt Walter noch nach so vielen Jahren über seinen Arbeitsplatz.

Die Gäste sind schon wie alte Freunde

Doch mit dem schönen Gefühl gab er sich als Restaurantchef natürlich nicht zufrieden. Er wollte, dass die Leute auch wegen des Essens kommen. Und das hat er, guckt man sich um, auch geschafft. Es ist Sonntag, nach 15 Uhr und immer noch voll. 120 Gäste gehen in den Gastraum. Linker Hand sitzt eine große französische Gesellschaft noch beim Kaffee, eine zweite Gesellschaft, die im umgebauten Stallgebäude im Hof feierte, ist gerade aufgebrochen. Am Nebentisch wird Walter von vier älteren Herrschaften wie von alten Freunden begrüßt, sie haben ihm ein Fotobuch von ihrer Doppelgeburtstagsfeier beim Woll überreicht. Die meisten Gäste hier seien unglaublich treu, kämen regelmäßig wieder, einmal im Jahr, einmal im Monat oder in der Woche, fast immer mit Freunden oder Kindern, die dann später ebenfalls zu Stammgästen würden, sagt Walter stolz.

Saarbrücker stellen 80 Prozent der Kundschaft

Was die Saarbrücker, die schon immer um die 80 Prozent der Kunden stellen, am liebsten essen? Natürlich französisch, eher klassisch. Manche bestellen sich als Vorspeise Austern und Schnecken und Froschschenkel und tauschen dann untereinander, erzählt Walter. Anders als in Deutschland isst man hier auch als Deutscher gern mehrgängig. Selbst nach so vielen Vorspeise schaffen auch 90-jährige Damen hier noch Hauptgang und Dessert.

Speisekarte wurde „entschlackt“

Als Walter kam, hat er nicht nur die rustikale Einrichtung etwas erneuert, auch die Speisekarte hat er entschlackt. Die Gerichte: „alles Renner, kein Penner“. Auch bei den Hauptgerichten setzt man auf Tradition. Neben Entrecôte, Rumpsteak, Cordon bleu, auch mit Münster-Käse, gibt es etwa geschmorte Rinderbäckchen nach alter Rezeptur, Boudin, Bauernomelette und Steak Tartare. Sehr gefragt seien auch die Wollschen „Moules frites“, sagt Walter. Die Menüs schreibt er selbst, an den Weihnachtstagen ist das Haus schon ausgebucht. Was es dieses Mal Silvester geben wird, überlegt er noch.

Geschwisterpaar Amélie und Jean-Victor Decker kocht dort seit 40 Jahren

In der Küche kocht das französische Geschwisterpaar Amélie und Jean-Victor Decker – und das schon seit 40 und 39 Jahren. „Die müssen Sie unbedingt erwähnen!“, sagt der Chef. Auch das Servicepersonal ist französisch und schon lange dabei. Warum soll man gute Leute auswechseln? Weil manche Gäste hier mittags kommen und erst nach dem Abendessen wieder gehen und Spaziergänger zu jeder Zeit der Hunger überfallen kann, hat Woll anders als viele französische Lokale durchgehend geöffnet. Sogar nachmittags kann man hier Herzhaftes und Warmes wie Pizza oder Flammenkuchen essen. Gerade ziehen draußen, am großen weißen französischen Gedenkkreuz, Militärs vorbei. Gleich wird die Sonne untergehen, schon färbt sich der klare Himmel orange. „Wir lassen immer die große Wiese bis zum Kreuz mähen“, erzählt Walter. Auch eine Aussicht muss man pflegen.

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