Achtung, ich höre mit!

Am Anfang dieses neuen Jahres ist es wohl an der Zeit, eine Warnung auszusprechen: Ich höre mit. Nein, ich habe zu Weihnachten keine Abhöranlage aus Altbeständen des amerikanischen Geheimdienstes bekommen.

Ich habe auch nicht den Beruf gewechselt. Ich kann auch nicht mal etwas dafür. Man zwingt mich regelrecht dazu, am Privatleben von Menschen teilzuhaben, die ich überhaupt nicht kenne. Man zwingt mich, tiefe Einblicke in die Welt fremder Wesen zu erhaschen.

Vor einigen Wochen wusste ich innerhalb weniger Minuten, dass der Ex-Freund einer jungen Frau ständig fremdgegangen ist und eben deswegen der Ex-Freund ist, aber doch noch ein Funken Hoffnung besteht, dass es doch wieder etwas wird mit den beiden. Außer mir wissen das mindestens ein Dutzend weiterer Leute, die in der Nähe waren, als sie das in ihr Handy brüllte. Als ich kurz zuvor in meinem Lieblingscafé saß, haben sich zwei Typen am Nachbartisch so arglos über einen Trick zur kostenlosen Beschaffung eines neuen Fernsehers unterhalten, dass ich dachte: Seid froh, dass ich Journalist bin und kein Versicherungsdetektiv.

Am letzten Tag des vergangenen Jahres stand ich dann vor der Diskontoschenke und habe mir eine Currywurst mit Pommes gegönnt. Ein Vater, der seinen Kinderwagen lässig neben dem Stehtisch parkte, an dem ich stand, hat das auch getan. Erst hat er seinem Kind ein Stück vom Weck geben wollen. Das fand die Kleine nicht so toll. Auch die Pommes wollte sie nicht. Aber die "Wuast" kam gut an. An der Wurst war aber etwas Currysoße. Was den Papa zur Mahnung ans Kind veranlasste: "Das dürfen wir aber nicht der Mama sagen!" Das Kind konnte kaum sprechen, wirkte also nicht so, als habe es vor, der Mama einen detaillierten Bericht vom Besuch der Pommesbude zu geben, aber der Papa wiederholte die Mahnung noch mal. Das Kind wollte nur mehr "Wuast". Die bekam es - garniert mit der nachdenklichen Frage: "Was soll aus dir nur mal werden?" Das Kind sagte nur: "Wuast!"

Sollte die Mama, der auf keinen Fall etwas erzählt werden sollte, von der Currywurstorgie am Silvestertag, das jetzt lesen und dabei Vater und Kind erkennen, dann ist das dumm gelaufen - für den Papa. Denn nun kommt Teil zwei der Warnung: Ich höre nicht nur mit, ich schreibe auch ab und zu über all diese wilden Geschichten aus unserer wundervollen Stadt.

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