Terex kündigt Betriebsrat 75 Entlassungen an

Zweibrücken · Neue düstere Details für die Terex-Belegschaft: Firmenchef Steve Filipov hat für den Umbau der hiesigen Werke, bei dem etwa 500 Stellen wegfallen sollen, 100 Millionen Euro einkalkuliert – etwa für Abfindungen und Kündigungen. Bald will Filipov 75 Leute betriebsbedingt feuern. Das Beispiel John Deere zeigt für die IG Metall, dass es auch anders geht.

 Betroffenheit und Sorge waren den Terex-Beschäftigten gestern Nachmittag in der proppenvollen Festhalle auch anzusehen. Foto: Marco Wille

Betroffenheit und Sorge waren den Terex-Beschäftigten gestern Nachmittag in der proppenvollen Festhalle auch anzusehen. Foto: Marco Wille

Foto: Marco Wille

"Die Terex-Belegschaft rückt zusammen!" - mit diesen Worten beschrieb Ralf Cavelius, der 2. Bevollmächtigte der IG Metall Homburg-Saarpfalz, gestern treffend die Szenerie in der Zweibrücker Festhalle. Rund 600 Gewerkschaftsmitglieder beim Zweibrücker Kranbauer waren zu der (anfangs öffentlichen) Gewerkschafts-Versammlung gekommen, um ihrem Ärger freien Lauf zu lassen und sich neueste Details über den vom neuen Terex-Cranes-Präsidenten Steve Filipov angekündigten Kahlschlag einzuholen.

Und die waren unerfreulich. Laut Betriebsratschef Eduard Glass hat Filipov im Gespräch mit dem Arbeitnehmergremium erklärt, dem Unternehmen stünden für den Konflikt in Zweibrücken und Bierbach rund 100 Millionen Euro zur Verfügung. Darin seien Kündigungen, Verluste oder Kosten eines Sozialplans eingerechnet, konkretisierte Cavelius: "Würde das Geld stattdessen in den Standort investiert, wäre das sinnvoller!"

Cavelius ist ratlos, wie viele der 1700 Arbeitsplätze es bei der Umstrukturierung - etwa der Schließung des Bierbacher Werkes, verstärkter Auslagerung, Einschnitte in der Zweibrücker Verwaltung - treffen wird. Vergangene Woche nannte Terex Prozentangaben für verschiedene Bereiche, wonach man auf rund 500 bedrohte Arbeitsplätze kommt. Klar ist nun, dass demnächst 75 betriebsbedingte Kündigungen erfolgen und zehn befristete Verträge nicht verlängert werden (siehe "Hintergrund"). Das habe Filipov am Mittwoch dem Betriebsrat gesagt, so Glass. Gerechtfertigt würden diese Kündigungen durch angeblich schlechte Auftragslage. Glass fühlt sich angesichts solcher Aussagen "verarscht", denn die Abteilungen Fertigung und Vertrieb sendeten im Gegenteil Signale, dass es sehr wohl Aufträge gebe. Glass: "Eine Krise kann man sich selbst machen. Genau das hat Terex am 6. Dezember getan." Denn in einem florierenden Unternehmen seien einschneidende Umstrukturierungen schlecht umzusetzen. So etwas wie aktuell geplant hat Glass in 38 Jahren noch nicht erlebt: "Das ist eine von Menschen gemachte Sache, in Zweibrücken eingepflanzt aus den USA. Eine Katastrophe für den Standort und die gesamte Region." Für Ralf Cavelius verfolgt Terex eine "Salamitaktik", um die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer auszuhebeln. Einen Sozialplan müsste Terex nicht erstellen, wenn erst Entlassungen aufgrund der Auftragslage vorgenommen würden und dann Monate später nochmal mit der ganz anderen Begründung eines Firmenumbaus ("Hintergrund").

Die Maßnahmen von Terex seien offenbar seit Monaten geplant, mutmaßt Cavelius, hätten damit längst dem Betriebsrat mitgeteilt werden müssen. Alle angedachten Schritte müssten in einem großen Paket verhandelt werden. Cavelius machte in seiner Ansprache deutlich, dass weder IG Metall noch Betriebsrat die Pläne verhindern, sie nur "verändern" und Alternativen liefern könnten: "Der Angriff auf den Standort darf keine Runde machen, wir müssen dem Einhalt gebieten." Es gehe Terex nur ums Geld.

Sehr deutliche Worte fand in einer Rede auch Zweibrückens Oberbürgermeister Kurt Pirmann (SPD ), der der Veranstaltung wie einige Stadträte und Landtagsabgeordneter Christoph Gensch (CDU ) beiwohnten: "Eine solch menschenverachtende Art wie derzeit bei Terex habe ich noch nicht erlebt!" Firmenchef Filipov habe ein "Spielzeug vom Papa" (früher ebenfalls Terex-Chef) erhalten und jetzt "eine Bombe geschmissen". Die drohende Eiseskälte gelte es abzuwenden. Terex müsse mit dem Widerstand von Betriebsrat, Beschäftigen und Politik rechnen. Auch Pirmann glaubt, dass Terex schlechte Stimmung schaffen und so Eigenkündigungen erreichen wolle. Der OB sarkastisch: "Dann kann man nachher sagen, dass einige freiwillig gegangen sind - und schickt die 500 noch hinterher."

Hoffnung schürte ein anderes Beispiel aus der Rosenstadt. Beim Landmaschinenbauer John Deere sei 2015 ebenfalls ein Abbau von 300 Stellen (von 1370) angekündigt worden. Marc Möller, dortiger IGM-Vertrauensleute-Vorsitzender, erläuterte, dass man damals auch in der Festhalle eine Mitgliederversammlung durchgeführt und so ein deutliches Signal des Zusammenhalts in Richtung Spitze des wie Terex amerikanischen Unternehmens gesandt habe. Man habe danach verhandelt und sich angenähert. Jetzt würden nur 100 Stellen abgebaut, auf sechs Jahre und auf freiwilliger Basis im gegenseitigen Einverständnis. Im Gegenzug habe man etwa eine Beschäftigungssicherung bis 2020 und die gleiche Bezahlung von Leiharbeitern durchgesetzt. Möller ermutigend in Richtung der Terex-Kollegen: "Wenn man an einem Strang zieht, kann man etwas erreichen. Auf die Solidarität von John Deere könnt ihr zählen. Bei Aktionen werden wir erscheinen!" "Wir werden verarscht", beschreibt ein Schlosser aus dem vor dem Aus stehenden Werk Bierbach die Gefühlslage bei Terex nach dem angekündigten Abbau von 500 Stellen. "Meine Familie fragt mich auch, warum ich noch letztes Jahr meist auch samstags und sonntags arbeiten musste, weil so viel zu tun war - und jetzt droht uns der Rausschmiss!" Die Sorge um den Arbeitsplatz sei nun so groß, dass viele krank zur Arbeit gingen. Er habe wenig Hoffnung, dass Terex von dem Kahlschlag noch Abstand nimmt: "Die Amis setzen lieber Leiharbeiter ein."

Ein Schweißer aus Bierbach erzählt zwar auch, dass sich "natürlich jeder Gedanken macht" - hat aber noch Hoffnung, dass es nicht so ganz schlimm kommt. Zumal Terex in Bierbach in den letzten Jahren noch einiges investiert habe. Dass die Auftragslage schlecht sei, hält der Schweißer für ein vorgeschobenes Argument: "Die wollen einfach mehr Gewinn machen und deshalb Bereiche auslagern. Aber was uns in letzter Zeit aus anderen Ländern geliefert wurde, war nicht so gut."

"Die Leute sind total fertig", erzählt ein anderer Schweißer aus Bierbach. Auch er sieht einen gefährlichen Konflikt zwischen den Terex-Zielen, Geld zu sparen und die Qualität zu erhöhen.

"Die Mannschaft ist reif, auf die Barrikaden zu gehen", findet ein Fertigungssteuerer aus dem Werk Wallerscheid, "ich als Franzose sowieso, in Frankreich stünden wir schon vor dem Werkstor, aber das kann man in Deutschland ja nicht machen". Toll finde er, "dass der Zusammenhalt bei uns bei Terex heute größer ist, als er je war, auch zwischen Arbeitern und Verwaltung".

Ein Bohrwerksdreher aus dem Werk Wallerscheid vermutet, dass Terex mit falschen Zahlen operiere, "denn das Jahr ist eigentlich recht gut gelaufen".

"Beschissen, gerade so kurz vor den Feiertagen", beschreibt ein Wallerscheid-Elektriker die Stimmungslage: "Alle hängen in der Luft. Mich als älteren Kollegen würde es nicht so hart treffen, aber die Jüngeren, von den viele ja auch hier Häuser gebaut haben, sehr."

Ein weiterer Wallerscheid-Beschäftigter beschreibt vor allem "die Ungewissheit" als belastend: "Die Leitung lässt ja noch offen, wann es genauere Informationen gibt." Die Versammlung in der Festhalle zeige den starken Zusammenhalt der Belegschaft, gut seien auch die vielen Solidaritätsbekundungen aus Politik und Gesellschaft. "Letztlich steht man aber alleine da, denn jeder Stellenabbau ist ein Einzelschicksal."

"Wir haben qualifizierte langjährige Facharbeiter, die fürs Krangeschäft leben und stolz sind, wenn ein Kran aus dem Werk kommt", sagt ein Qualitätssicherer aus der Dinglerstraße. Wenn künftig noch mehr billiger eingekauft und in Zweibrücken nur noch Teile zusammenmontiert würden, vergeude man diese Ressourcen und die Qualität werde leiden.

Auch eine Stahlbau-Beschäftigte aus Bierbach sagt: "Ich bin dreißig Jahre dabei und stolz auf unsere Arbeit. Alle stellen sich bei uns die Frage, wer bleiben kann und wer gehen muss. Es sieht schon übel aus, wenn die Amerikaner das durchziehen." Trotz der belastenden Nachrichten sei der Krankenstand nicht erhöht: "Wir haben bisher immer Qualität geliefert, dass lassen wir uns nicht kaputtmachen. Es wird geschafft bis zum Schluss!"

Zum Thema:

Hintergrund Steigt die Gesamtzahl des Stellenabbaus bei Terex Zweibrücken /Bierbach durch die jetzt angekündigten 75 Kündigungen, oder sind die in dem geplanten Abbau von etwa 500 Stellen schon enthalten? "Wir wissen's nicht", antworten Cavelius und der stellvertretende Terex-Betriebsratsvorsitzende Patrick Steiner wortgleich auf Merkur-Nachfrage. Rechtsanwalt Sascha Lerch (er berät den Terex-Betriebsrat) erklärt die "Salamitaktik", warum Terex zunächst 75 Mitarbeitern kündigen wolle, so: Terex wolle den Stellenabbau in Einzel-Pakte schnüren, um rechtlich den Eindruck zu erwecken, als ob es sich bei dem Abbau von 500 oder 575 Stellen um keine Gesamtmaßnahme handele. So wären "75 Kündigungen betriebsverfassungsrechtlich unter dem Schwellenwert, bei dem ein Sozialplan erforderlich wäre". Lerch hält die Argumentation, die 75 Kündigungen hätten nichts mit dem folgenden Stellenabbau zu tun, für "absurd" - zumal Terex den 500-Stellen-Abbau ja selbst öffentlich angekündigt habe. lf

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