Richter-Schelte vom Chef-Ankläger

Zweibrücken · Wer Angst habe, eine harte Strafe auszusprechen, sei als Richter fehl am Platz, betont der Leitende Oberstaatsanwalt Eberhard Bayer. Auch das Argument zu voller Gefängnisse greife nicht.

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Zweibrücken, Eberhard Bayer, hat den Gerichten vorgeworfen, oftmals "zu zögerlich" mit straffälligen Jugendlichen umzugehen. Insbesondere bei Gewalttaten müssten früher "Denkzettel" verpasst werden, fordert der Jurist im Merkur-Gespräch. Die Strafen seien in Deutschland nicht zu niedrig, man müsse sie nur konsequenter anwenden. "Der Strafrahmen ist nicht umsonst da. Wenn ich jemandem nicht wehtun kann, darf ich nicht Richter werden", so Bayer. Auch das Argument, die Gefängnisse seien bereits voll, greife nicht, meint der Staatsanwalt. Das liege viel mehr daran, dass zu oft gleich mehrmals hintereinander Bewährungsstrafen ausgesprochen werden, die dann irgendwann allesamt wiederrufen und abgesessen werden müssen.

Es sei schon frustrierend, wenn man es als Staatsanwalt immer wieder mit denselben Straftätern zu tun bekommt und sämtliche Maßnahmen ohne Wirkung bleiben - auch wenn Bayer betont, dass das natürlich nicht bei allen Tätern der Fall sei. Meistens sei der positive Einfluss einer Strafverfolgungsbehörde auf den Einzelnen aber eher gering. "Wir sind kein gesellschaftlicher Reparaturbetrieb", sagt Bayer, der die Politik auffordert, mehr für Prävention zu tun. Unterstützung vonseiten der Politik wünscht sich Bayer auch bei den Ermittlungen. So forderte er ein neues Gesetz, das die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations- und Verbindungsdaten ermöglicht. "Wir brauchen das, wir merken das tagtäglich." Gerade angesichts der zunehmenden Straftaten im Internet werde es für die Ermittler immer schwieriger, Täter zu ermitteln, wenn entsprechende Verbindungsdaten nicht zu Verfügung stehen. "Natürlich muss klar sein, wie diese Daten gesichert werden und wer den Abruf veranlasst", betont Bayer, der für eine strenge richterliche Kontrolle plädiert.

Der Leitende Oberstaatsanwalt sieht es als die Aufgabe seiner Behörde an, "den staatlichen Strafanspruch durchzusetzen". Deshalb gehe er auch sehr zurückhaltend mit der Gnadenbefugnis um, die er für das Land Rheinland-Pfalz ausübt (außer bei besonders schweren Straftaten, wo direkt die Ministerpräsidentin entscheidet). "Die Gnadengründe müssen außergewöhnlich sein", so Bayer. Sie dürfen nicht bereits vom Gericht als strafmildernd berücksichtigt worden sein. Mögliche Gründe: die plötzliche Erkrankung eines Angehörigen oder die konkrete Aussicht auf eine Arbeitsstelle.

Stichwort Arbeit: Die Staatsanwaltschaft hat keineswegs grundsätzlich ein Interesse daran, Delinquenten ins Gefängnis zu schicken. "Schwitzen statt sitzen" lautet daher laut Bayer das Motto bei Tätern, die Geldbußen oder -strafen nicht bezahlen können. Die müssten eigentlich als Ersatzstrafe pro Tagessatz einen Tag ins Gefängnis. Doch stattdessen können auch pro Tag sechs Stunden gemeinnützige Arbeit abgeleistet werden. Auf diese Weise wurden 2013 insgesamt 2071 Tage Haft abgewendet, erklärt der Chef-Ankläger weiter.

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