Moment mal

Moment mal Zweibrücken ist überall oder: Wenn die Mitte aus dem Zentrum verschwindet Liebe Leserinnen, Liebe Leser, Zweibrücken ist überall! Und der Satz offensichtlich, wenn nicht gar für immer, so doch für lange Zeit in meinem Kopf

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Zweibrücken ist überall oder: Wenn die Mitte aus dem Zentrum verschwindet

Liebe Leserinnen, Liebe Leser, Zweibrücken ist überall! Und der Satz offensichtlich, wenn nicht gar für immer, so doch für lange Zeit in meinem Kopf. Denn er fällt mir inzwischen jeden Morgen ein - mit der nervigen Penetranz jenes schreienden Kuckucks in den weltbekannten hölzernen Chronometern aus dem Schwarzwald - wenn ich zu früher Stunde auf dem Weg in die Redaktion bin. Und einmal nicht die Autobahn nehme. Dann fahr ich nämlich "durch die Dörfer". Und ich sehe sie an vielen Straßen: Die in die Jahre gekommenen Ein- und Zweifamilienhäuser aus den 50er bis 70er Jahren, die jetzt auch im inzwischen vorliegenden "Grundstücksmarktbericht Westpfalz 2009" eine so exponierte Rolle spielen. Die Immobilienexperten haben sie in ihrer Expertise zu einem zentralen Themenbereich erhoben, weil sich um jene Erbmasse längst vergangener Jahre eine Menge besonderer Probleme schart: Zum Vererben taugen sie kaum, denn der Arbeitsplatz hat viele Nachfahren aus der jüngeren Generation inzwischen weit weg von diesen angestammten Häusern gespült. Sie wohnen längst nicht mehr in ihrem Haus aus Kinder- oder Jugendtagen, haben verständlicherweise auch kein Interesse (oder Geld), in die bisweilen marode Substanz zu investieren. Zum Verkaufen taugen sie auch nur bedingt, denn der Schnitt und die Aufteilung entsprechen nicht mehr den heutigen Usancen, die energetischen Parameter schon lange nicht mehr dem, was man heute unter ökologischen Vorzeichen als energiebewusst apostrophiert. Die Folge: Viele dieser Häuser stehen leer, gammeln vor sich hin oder sie werden verramscht. Die Zahl der Häuser, die zu einem Bruchteil des Verkehrswertes verhökert werden, ist Legende. Ihr Schicksal schmerzt. Und oftmals kommen mit neuen Käufern neue, bisweilen aus Sicht der "Ureinwohner" nicht immer passende, Menschen in die sozial fest verankerten Wohngebiete, deren personelle Tradition und soziale Struktur über Jahrzehnte unverbrüchlich standen. Das tut weh, und es wirft weitere Probleme auf.Sie zu lösen oder zumindest Lösungsansätze aufzuzeigen, beginnt - wie so vieles - im Kopf: Ein Umdenken ist gefragt, denn die Rückbesinnung auf alte Bausubstanz und deren Erhaltung unter neuen Vorzeichen beginnt nicht in den politisch motivierten Förderprogrammen, sondern sie beginnt beim Einzelnen. Bei jedem, der noch immer ohne Rücksicht auf Verluste die Ausweisung neuer Baugebiete fordert. Und der dann - wie im gerade sehr konkreten und ebenfalls im Merkur berichteten Falle des Neubaugebietes Urtelswiese in Dellfeld feststellt, dass die Nachfrage nicht da ist. Oder nicht im erwünschten Maße. Wobei: Auch Dellfeld ist überall! Denn nicht nur dort sind die Folgen des demographischen Wandels spürbar. Nicht nur dort sind die Jungen nicht mehr in dem Maße da, das fortzuleben, was bei den Alten gang und gäbe war.Wobei nicht verkannt werden soll, dass es noch immer eine Klientel für Neubaugebiete gibt, aber sie ist deutlich kleiner (geworden). Und leider sind die aus ihren Ansprüchen erwachsenden finanziellen Folgen umso größer. Für uns alle. Die Kosten neuer Anschlüsse, technischer Versorgungsleitungen, der Kanalbaumaßnahmen. Wen wundert es da, dass es immer mehr Fachleute und Mahner gibt, die mit Recht fordern, die alte Bausubstanz mehr denn je im Blick zu haben, sich neu auf Innenstädte oder dörfliche Mittelpunkte zu konzentrieren, das Schließen der Baulücken und so genannten Enkelbauplätze zu forcieren, bevor Landschaft ohne Not zersiedelt wird. Die Probleme werden ansonsten nur vergrößert, und sie werden in der Mitte unserer Dörfer und Städte umso augenfälliger, je mehr die Mitte aus dem Zentrum verschwindet. Michael Klein Chefredakteur

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