Seehofer verschafft sich Ruhe an der Heimatfront

München · Dunkle Anzüge und aufgekratzte Stimmung kennzeichneten gestern die Lage in der CSU-Landtagsfraktion. Tags zuvor hatte sich die tagelange Spannung gelöst, wen Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in sein neues Kabinett berufen würde.

Im "Steinernen Saal" vor dem Münchner Plenarsaal, wo sie vereidigt wurden, gratulierten sich die 17 Glücklichen - elf Staatsminister und sechs Staatssekretäre - gegenseitig und strahlten in die Kameras. "So schön wird's nie mehr", ahnte der neue bayerische Justizminister Winfried Bausback. Das könnte auch für Seehofer gelten.

"Alter Wein in neuen Schläuchen", mosert die Opposition allerdings zu Seehofers neuem Landeskabinett. "Superminister" und ein "Ministerium für Heimat und Selbstverwaltung" hatte der CSU-Chef versprochen. Drei bis vier "Superminister" sind herausgekommen, beim "Heimatministerium" hat man sich mehr erwartet als eine Außenstelle des Finanzministeriums mit 100 Beamten in Nürnberg.

Viel Aufmerksamkeit hat man den Personalia Ilse Aigner und Markus Söder gewidmet, die als Konkurrenten um die Nachfolge Seehofers gelten. Sind jetzt wirklich beide "Superminister"? Aigner nicht so ganz. Die aus Berlin in Bayerns Politik Zurückgekehrte erhält zwar als neue Wirtschaftsministerin die Zuständigkeiten für die Energiewende, muss aber den Bereich Verkehr Innenminister Joachim Herrmann überlassen, der sowieso eine Art "Superminister" war. Vermutlich deshalb erhält Aigner als Trostpflaster den schönen Titel "stellvertretende Ministerpräsidentin". Der hat aber nix zu bedeuten, bemerkte Seehofer bereits am Mittwoch flapsig.

Viele Reibungsverluste und Doppelzuständigkeiten sind mit dem neuen Zuschnitt der Ressorts beseitigt, aber einige Ungereimtheiten auch neu geschaffen worden. Warum man noch ein eigenständiges Europaministerium mit einer Staatsministerin braucht, erklärt sich nur durch die von Seehofer zu erfüllende Frauen- und Regionalquoten. Auch die Anbindung der "Heimat-Abteilung" in Nürnberg an das Finanzministerium hat wohl eher personelle als sachliche Gründe - nämlich die kleine Beförderung des ehrgeizigen Amtsinhabers, des Franken Söder.

So sehr er die Zuständigkeiten durcheinandergewirbelt hat, so wenig Neues hat der starke Mann der CSU in personeller Hinsicht gewagt. Es dürfte sich wohl um die erste bayerische Regierungsneubildung handeln, bei der niemand gegen seinen Willen aus dem Kabinett hinaus komplimentiert wurde.

So übte die Opposition gestern im bayerischen Landtag auch weniger Kritik an den neuen Ressortzuschnitten als an Seehofers Personalentscheidungen. Die innerparteiliche Harmonie sei dem Regierungschef wichtiger gewesen als die Herausforderungen der nächsten Jahre, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann. "Der Berg kreiste und gebar eine Maus", spottete Oppositionsführer Markus Rinderspacher (SPD).

Immerhin: Es gibt wenig Unzufriedene in der CSU. Auch die Zahl der Enttäuschten, die auf einen Sprung ins Kabinett hofften, hält sich diesmal in Grenzen. Seehofer hat sich damit größtmögliche Ruhe an der Heimatfront geschaffen, um sich in den nächsten Wochen und womöglich Monaten ganz auf das Berliner Schlachtengetümmel konzentrieren zu können.

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