70 Jahre Länderkammer Der Jubilar Bundesrat hat eine Reform nötig

Berlin · Der föderale Staatsaufbau in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Er entspricht der regionalen Vielfalt und fördert sie, wo anderswo der Zentralismus alles über einen Kamm schert. Er verhindert separatistische Tendenzen und gleicht regionale Interessen aus, die mitunter Staaten spalten.

7. September 1949: Der Bundesrat tritt in Bonn zu seiner ersten Sitzung zusammen.

7. September 1949: Der Bundesrat tritt in Bonn zu seiner ersten Sitzung zusammen.

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Deutschland wäre verrückt, wenn es daran substantiell etwas ändern würde.

Demokratie und Neuanfang waren 1949 das erklärte Ziel, als erst der Bundesrat und kurz darauf der Bundestag am 7. September in Bonn erstmals tagten. Beide Kammern feiern jetzt 70. Geburtstag – wie schon das Grundgesetz im Mai.

Freilich muss zwischen Bund und Ländern inzwischen immer wieder eine neue Balance gefunden werden, weil sich die Dinge verändern. Beispiele: An die Hochschulen werden heute größere Ansprüche gestellt – die Folge waren Hochschulpakt und Exzellenzinitiative. Oder: Der Bildungsföderalismus führt nicht überall zu guten Ergebnissen – also musste der Bund mit viel Geld für mehr Ganztagsbetreuung und bessere Digitalausstattung sorgen. Immer wieder ist das Grundgesetz nachgebessert worden, wenn solche Probleme auftauchten. Im Vergleich zu 1949 ist die Bedeutung der Länder etwas geschwächt, die des Zentralstaates behutsam gestärkt worden. Zu Recht. Im globalen Wettbewerb kann ein Industrieland wie Deutschland nicht mit totaler Kleinstaaterei daherkommen.

Der Bundesrat hat seine Reformen noch vor sich. Am Donnerstag feiert die Länderkammer ihren Geburtstag (mit einem Vortrag von Verfassungsrichter Peter Müller, ehemals Ministerpräsident des Saarlandes). Sie ist eigentlich keine Länderkammer, sondern eine Kammer der Landesregierungen. Die Länderparlamente sind hier nicht vertreten. Sie sind die eigentlichen Verlierer der Entwicklung. Ihre Bedeutung sinkt stetig. Damit sinkt auch die Identifikation der Bürger mit politischen Entscheidungen.

Im Bundesrat läuft alles wie ehedem. Vornehm, ruhig und routiniert. Die Entscheidungen fallen in Runden, in die niemand blickt. Es sind Kuhhändel zwischen Beamten und Staatsekretären, bei denen Regional- und Parteiinteressen munter vermischt werden. Und Finanzströme manches lösen. Noch immer findet das sortiert nach A-Ländern (SPD-regiert) und B-Ländern (CDU) statt. Obwohl es inzwischen grüne und linke Regierungschefs gibt. Sie stören die Maschine. Es gibt auch immer mehr Koalitionen mit drei oder gar vier Parteien. Sie enthalten sich, wenn die Partner sich nicht einigen können. Enthaltungen aber zählen wie ein Nein und können die erforderliche absolute Mehrheit bei Zustimmungsgesetzen blockieren.

Das gehört als erstes abgeschafft. Nur noch Ja oder Nein sollten zählen. Denn wenn die ganze Nation aufgehalten wird, bloß weil sich irgendwo Landesregierungen nicht einigen können, wird es destruktiv. Der Bundesrat sollte das verändern, bevor er in diesen Ruf gerät.

Außerdem sollten die Ministerpräsidenten ihre Landesparlamente vorher – nicht wie jetzt hinterher – über das Abstimmungsverhalten diskutieren lassen. Jedenfalls bei wichtigen Gesetzen. Auch wenn es kein imperatives Mandat gibt, würden so die großen Themen auf die regionale Ebene heruntergebrochen, die Verantwortung würde transparenter. Die liegt nämlich auch bei unangenehmen Dingen nicht nur beim Bund. Der Föderalismus gehört – auch weiterhin – auf die große Bühne der Politik. Nicht in die Hinterzimmer.

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