100 Tage im Amt Die neue Ruhe der SPD unter Esken und „Nowabo“

Berlin · 100 Tage Schonfrist? „Mein Eindruck ist, die war nach 100 Sekunden schon vorbei“, sagt Saskia Esken anlässlich ihrer ersten 100 Tage an der SPD-Spitze. Die Einschätzung von Co-Parteichef Norbert Walter-Borjans: „Die Mitglieder der SPD haben für eine Überraschung gesorgt.“ Am Sonntag war es 100 Tage her, dass die Genossen Esken und Walter-Borjans an die SPD-Spitze wählten.

 Seit 100 Tagen SPD-Chefs: Norbert Walter-Borjans, Saskia Esken.

Seit 100 Tagen SPD-Chefs: Norbert Walter-Borjans, Saskia Esken.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Eine Bilanz:

Am Anfang stand Andrea Nahles. Als die Parteichefin am 2. Juni 2019 nach derben Wahlverlusten für die SPD und heftigem internen Streit ihren Rücktritt ankündigte, gab sie der SPD mit auf den Weg: „Ich hoffe sehr, dass es euch gelingt, Vertrauen und gegenseitigen Respekt wieder zu stärken und so Personen zu finden, die ihr aus ganzer Kraft unterstützen könnt.“ Doch danach sah es lange nicht aus. Nach einer beispiellosen Deutschlandtour von zuletzt noch sechs Kandidatenduos stimmten 53 Prozent für die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken (58) und den früheren nordrheinwestfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans (67) – 45 Prozent für Klara Geywitz und Olaf Scholz. Nur 230 000 der 426 000 Mitglieder hatten abgestimmt.

Der Start war holprig. Esken und Walter-Borjans fehlte es an Personal im Willy-Brandt-Haus und an einem klaren Plan. Die SPD schien die Rolle der Chaostruppe nicht loszubekommen. Im internen Wahlkampf punkteten „Nowabo“ und vor allem Esken damit, die Groko infrage zu stellen. Doch SPD-Ministerpräsidenten, die Fraktionsspitze und die Regierungsmitglieder taten alles, um mit den beiden Neuen vor dem SPD-Parteitag im Dezember einen gemäßigten Kurs einzuschlagen. Ergebnis: Die Delegierten folgten dem ausgetüftelten Kompromiss, dass es neue Milliardeninvestitionen des Staats und einen neuen Mindestlohn geben soll. Das mögliche Groko-Aus war dagegen vorerst abgesagt.

Mit Interviews sorgten Esken und Walter-Borjans indes für Kopfschütteln bei vielen Genossen. Sie forderten ein Tempolimit, eine neue Steuer auf Bodenspekulationen – und höhere Rentenbeiträge für Spitzenverdiener. Doch mit den Wochen legte sich die Aufregung um die SPD und ihre Führung. Vor allem seitdem bei der CDU die Führungskrise losbrach, ist es ruhig ums SPD-Personal geworden. Walter-Borjans sagt sogar, „dass der Stabilitätsanker dieser Regierung jetzt definitiv die SPD ist“.

Und die K-Frage? SPD-Vizechef Kevin Kühnert und Vizekanzler Scholz wollen, dass die Frage der SPD-Kanzlerkandidatur nicht erst im Wahljahr 2021 beantwortet wird. Auch Walter-Borjans sagt: „Wir sind gemeinsam der Meinung, dass wir die Entscheidung, wer es denn machen soll, in diesem Jahr treffen sollten.“ Immerhin: In Umfragen verbesserte sich die SPD zuletzt leicht auf 15 bis 17 Prozent. Esken und Walter-Borjans streben derzeit keine Kanzlerkandidatur an.

Angesichts der Coronakrise ist das Thema Koalitionsbruch erstmal vom Tisch. „Es ist notwendig und hat sich auch gezeigt, dass die Koalition handlungsfähig ist, wenn neue Herausforderungen dazukommen“, sagt Esken. Richtig sei zwar, „dass wir weiterhin die große Koalition sehr, sehr skeptisch beurteilen“. Doch stelle man sich jetzt auf eine reguläre Wahl 2021 ein. Dass nun allseits nach einem starken Staat gerufen wird, Milliardeninvestitionen und Konjunkturstützen kommen, hilft den neuen SPD-Chefs – ähnliches wollten sie schon vorher. So sagt Walter-Borjans: „Das ist eine Unterstützung, wenn auch mit einem tragischen Hintergrund.“

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