Elizabeth Warren und Sexismus Sind die USA nicht reif für eine Frau an der Spitze?

Washington · Welche Rolle spielt das Geschlecht in der Politik? Zu dem Thema werde sie noch einiges zu sagen haben, kündigte Elizabeth Warren an, als sie sich aus dem Rennen um die Präsidentschaft verabschiedete.

 Elizabeth Warren, Senatorin für den  US-Bundesstaat  Massachusetts

Elizabeth Warren, Senatorin für den US-Bundesstaat Massachusetts

Foto: dpa/Steven Senne

Für Frauen, so viel schon jetzt, sei es eine Fangfrage. „Wenn du sagst, bei diesem Wettlauf war Sexismus im Spiel, heißt es gleich: Heulsuse! Sagst du, es war kein Sexismus im Spiel, werden zigtausende Frauen denken: Auf welchem Planeten lebst du eigentlich?“

Noch im Herbst hatten Meinungsforscher Warren an der Spitze des Feldes der demokratischen Bewerber fürs Oval Office gesehen. Vor einem Monat landete sie beim Vorwahlstart in Iowa zwar noch auf einem achtbaren dritten Platz, doch von da an ging es abwärts. Am „Super Tuesday“ sah sie keinen Stich gegen Joe Biden und Bernie Sanders. Selbst in Massachusetts, dem Staat, den sie im US-Senat vertritt, musste sie den beiden männlichen Konkurrenten den Vortritt lassen. An der Kompetenz der früheren Harvard-Professorin, die ihre Programme nicht nur grob skizzierte, sondern detaillierte Pläne präsentierte, gab es indes nie auch nur den geringsten Zweifel. Ergo debattiert die Öffentlichkeit über die Frage, ob sexistische Vorurteile ihr enttäuschendes Abschneiden erklären.

„Solange es abstrakt bleibt, haben wir kein Problem mit weiblichen Anführern“, sagt Jennifer Palmieri, im Wahlkampf 2016 die Sprecherin Hillary Clintons. „Sobald sich Frauen tatsächlich der Macht nähern, sind all die Stereotype wieder da, wenn auch manchmal wohl nur im Unterbewusstsein.“ Diplomatischer, doch genauso illusionsfrei formuliert es Kamala Harris, die Senatorin aus Kalifornien, die sich ebenfalls Chancen auf die Präsidentschaft ausgerechnet hatte, dann aber noch vor der ersten Vorwahl ausstieg. „Die Realität ist, es liegt noch viel Arbeit vor uns.“

Kate Brown, die Gouverneurin des Pazifikstaats Oregon, erklärt es mit dem dringenden Wunsch der Demokraten, Donald Trump nach vier Jahren im Amt abzulösen. Wegen der Härte des anstehenden Duells hätten offenbar große Teile der Parteibasis das vermeintliche Risiko gescheut, mit einer Frau an der Spitze in den Kampf zu ziehen. Und aus Miami meldet sich die Tennisspielerin Martina Navratilova, eine Ikone des Feminismus, mit einem sarkastischen Tweet zu Wort. „Die Beste aller Kandidaten musste aufgeben. Sie hatte für alles einen Plan, nur etwas Entscheidendes fehlte – das richtige Geschlecht.“

Dass Warren Fehler gemacht hat, dass nicht alles auf sexistische Klischees zurückzuführen ist, bestreiten nicht einmal ihre treuesten Anhänger. So übernahm sie nach langem Zögern Sanders‘ Forderung, eine staatliche Krankenversicherung für alle einzuführen und im Gegenzug private Krankenversicherungen abzuschaffen. Nach Kritik aus dem moderaten Lager ruderte sie wieder zurück, was ihr auf der Linken schadete, ohne dass es ihr in der Mitte genutzt hätte. Allerdings, merken ihre Fans an, haben auch Biden und Sanders keineswegs alles richtig gemacht. Männern lasse man nun mal durchgehen, wofür Frauen sofort bestraft würden.

Der Abgang der unglaublich vital wirkenden Siebzigjährigen, er ist auch ein Dämpfer für alle, die geglaubt hatten, dass sie einen Trend fortschreiben würde. Seit den Kongresswahlen im Herbst 2018 sitzt eine Rekordzahl von Frauen im amerikanischen Repräsentantenhaus. Kurz darauf meldeten so viele wie noch nie ihre Ansprüche aufs Weiße Haus an: Warren und Harris, deren Senatskolleginnen Kirsten Gillibrand und Amy Klobuchar, die Kongressabgeordnete Tulsi Gabbard und dazu Marianne Williamson, spirituelle Mentorin der Talkshow-Königin Oprah Winfrey. Nun sind es mit Biden, 77, und Sanders, 78, zwei alte Männer, die das Rennen unter sich ausmachen.

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