US-Vorwahlen der Demokraten Das große Comeback des Joe Biden

Washington · Der Ex-Vizepräsident war bei den Vorwahlen der Demokraten fast schon abgeschrieben, doch jetzt feierte er in South Carolina einen riesigen Triumph.

 Joe Biden bleibt kämpferisch: Mit 48 Prozent der Stimmen entschied er in South Carolina die vierte Etappe des demokratischen Kandidatenrennens eindeutig für sich.

Joe Biden bleibt kämpferisch: Mit 48 Prozent der Stimmen entschied er in South Carolina die vierte Etappe des demokratischen Kandidatenrennens eindeutig für sich.

Foto: AP/Tom Gralish

So gelöst, wie Joe Biden am Samstagabend in Columbia, der Hauptstadt South Carolinas, hinter einem Pult mit der Aufschrift „Biden President“ steht, hat man ihn schon lange nicht mehr gesehen. Zum ersten Mal überhaupt, nach zwei missglückten Anläufen 1988 und 2008 und einem verpatzten Start in diesem Jahr, hat er bei einer Vorwahl der Präsidentschaftsbewerber die Nase vorn. Und weil der Veteran, der bei jeder Gelegenheit an seine Wurzeln im Arbeitermilieu Pennsylvanias erinnert, gern Vergleiche mit Kampfsportarten anstellt, feiert er sein Comeback mit einer Metapher aus der Welt des Boxens.

„Diejenigen von euch, die schon mal zu Boden geschlagen, ausgezählt, abgehängt wurden: Dies ist eure Kampagne!“, ruft er seinen Anhängern zu, die meisten Afroamerikaner, die es mit ausgelassenem Jubel quittieren. Noch vor wenigen Tagen habe die Presse seine Kandidatur für tot erklärt. „Dank euch, die ihr das Herz der Demokratischen Partei seid, haben wir nun gewonnen. Und wegen euch haben wir klar gewonnen.“

Mit 48 Prozent der Stimmen entschied Biden die vierte Etappe des demokratischen Kandidatenrennens, die Primary in South Carolina, eindeutig für sich. Bernie Sanders, der linke Senator aus dem Neuenglandstaat Vermont, kam auf 20 Prozent, womit er unter den Erwartungen blieb. Enttäuschend schnitten Pete Buttigieg (acht Prozent), Elizabeth Warren (sieben Prozent) und Amy Klobuchar (drei Prozent) ab, sodass sich die Frage stellt, wie lange sie den Wahlmarathon noch durchhalten können. Tom Steyer, ein Hedgefonds-Milliardär aus San Francisco, engagiert im Kampf für den Klimaschutz, zog noch in der Nacht auf Sonntag, ernüchtert angesichts offensichtlicher Chancenlosigkeit, die Reißleine. Zwar holte er elf Prozent der Stimmen, aber da er sich ganz auf South Carolina konzentrierte, dort wochenlang unterwegs war und von allen Bewerbern die mit Abstand höchste Summe für Fernsehreklame ausgab, hatte er sich mehr ausgerechnet.

Dass Biden als Erster durchs Ziel gehen würde, entsprach den Prognosen der Meinungsforscher, auch wenn überraschte, wie klar er gewann. Er selbst hatte den „Palmetto State“ an der Südostküste mal als seine Brandmauer, mal als ein Sprungbrett bezeichnet, jedenfalls als eine Etappe, die seinen schwachen Start in Iowa und New Hampshire vergessen lassen würde. Bei schwarzen Amerikanern, die dort bei den Demokraten rund 60 Prozent der Wählerschaft bilden, steht er schon deshalb hoch im Kurs, weil er acht Jahre lang mit Barack Obama, dem ersten US-Präsidenten mit dunkler Haut, ein weitgehend reibungslos funktionierendes Gespann bildete. Zudem hatte sich ein einflussreicher Lokalmatador mit einer Verve für ihn eingesetzt, wie man sie selten erlebt. James Clyburn, in der Parteihierarchie im Repräsentantenhaus die Nummer drei, aktuell der ranghöchste Afroamerikaner im Politikbetrieb Washingtons, rief mehrmals dazu auf, dem bewährten Ex-Vizepräsidenten den Zuschlag zu geben, statt mit Sanders‘ Wahl ein hohes Risiko einzugehen. Augenmaß statt gewagte Experimente: In seiner Siegesrede griff Biden das Motiv auf. Das Gerede von einer Revolution ändere bei niemandem etwas im praktischen Leben, kritisierte er den linken Widersacher. „Wir brauchen reale Veränderungen, und zwar jetzt.“

Ob der Triumph in South Carolina tatsächlich die ersehnte Wende für Biden bedeutet oder aber nur eine Art Zwischenhoch, wird sich am Dienstag erweisen, wenn in 14 Bundesstaaten gewählt wird und 34 Prozent der Delegiertensitze des Nominierungskonvents zu vergeben sind. Sanders baut darauf, die Konkurrenz in Kalifornien, an dem Tag das Schwergewicht, so klar abzuhängen, dass er nach dem „Super Tuesday“ mit deutlichem Vorsprung an der Spitze des Feldes liegt. Seine Niederlage in South Carolina erklärte er zu einer Episode, wie sie nun mal dazugehöre zu einem so harten Wettbewerb: „Es gibt viele Bundesstaaten in diesem Land, und niemand kann in allen gewinnen.“

Biden wiederum will am 3. März vor allem in Südstaaten mit hohem afroamerikanischem Bevölkerungsanteil – Alabama, Arkansas, North Carolina – so viele Stimmen holen, dass er unangefochten die Führung des moderaten Flügels übernimmt. In dem Fall müssten andere Gemäßigte, etwa Buttigieg oder Klobuchar, wohl bald das Handtuch werfen, zumal der Fluss der Spendengelder versiegen würde.

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