100 Jahre Bauhaus Die postmodernen Spielzeuge eines Egozentrikers

New York · Zum 90. Geburtstag des US-Architekten Frank Gehry, der den „Form Follows Function“-Grundsatz des Bauhauses ins Gegenteil verkehrt.

  Teilansicht des Vitra-Design-Museums in Weill am Rhein. Das von dem Möbelhersteller Vitra erbaute Museum wurde von Frank Gehry entworfen.

Teilansicht des Vitra-Design-Museums in Weill am Rhein. Das von dem Möbelhersteller Vitra erbaute Museum wurde von Frank Gehry entworfen.

Foto: dpa/Rolf Haid

(dpa) „Erfrischend originell und total amerikanisch“ – mit diesen Worten beschrieb die Pritzker-Jury Frank Gehry, als sie ihn mit der wichtigsten Auszeichnung aus der Welt der Architektur ehrte. Gehrys Bauten seien Teil einer „höchst raffinierten, anspruchsvollen und abenteuerlustigen Ästhetik“, hieß es zur Verleihung 1989. Drei Jahrzehnte später – Gehry ist gestern 90 Jahre alt geworden – haben diese Worte noch immer Bestand.

Gehrys postmoderne Bauweise begeistert, weil sie den vom Bauhaus propagierten Gestaltungsgrundsatz „Form Follows Function“ in gewisser Weise in ihr Gegenteil verkehrt: Form muss, wie Gehry zeigt, eben keineswegs der Funktion folgen. Sie kann sich auch in Titan-Hüllen quer durch den Himmel winden, im Detail völlig unharmonisch wirken und den Betrachter wieder und wieder verblüffen. Der Künstler Gehry scheint den Formalisten Gehry regelmäßig auszustechen. An keinem Gehry-Bau wird das deutlicher als am 1997 fertiggestellten Guggenheim-Museum im spanischen Bilbao – ein dekonstruktivistisches, funkelndes Wunderwerk aus Glas, Titan und Kalkstein, das schnell ein beliebtes Touristenziel wurde. Das Guggenheim beglückt auch Menschen, die sonst wenig mit Architektur anfangen können. Architekt Philip Johnson bezeichnete es als „das großartigste Gebäude unserer Zeit“.

Nicht alle finden so großen Gefallen am wilden und experimentellen Stil Gehrys. „Die Museumswelt denkt ja, ich mache absichtlich schräge Ausstellungsräume, um es den Künstlern schwer zu machen, aber das stimmt nicht“, sagte er selbst einmal. „Ich mag nur diese weißen Schuhschachteln nicht. Neutralität ist nicht neutral, sie entwertet Kunst.“ Aus Sicht anderer Kritiker sind Gehrys Bauten nicht mehr als sündhaft teure Spielzeuge eines Egozentrikers.

Geboren wurde Gehry 1929 als Ephraim Owen Goldberg in Toronto. Seine Eltern waren jüdische Einwanderer aus Polen. „Ich bin in dieser Stadt aufgewachsen, bis ich 17 war – da ist ein Haufen emotionales Zeug damit verbunden“, meinte Gehry etwa, als er dort 2008 die Art Gallery of Ontario umgestaltete. Seine Großmutter und er hätten damals mit Holzabfällen kleine Häuser und Städte gebaut. „Ich weiß nicht, warum sie das gemacht hat, aber es ist mein Leben geworden“, sagte Gehry.

Schon früh schien Gehry der kalten und formelhaften Moderne mit einer eigenen Architektursprache etwas entgegensetzen zu wollen. Sein zweistöckiges Haus bei Los Angeles zerlegte er bis auf den Rahmen und ummantelte es mit Maschendrahtzaun und Wellblech. Das Haus im traditionellen Bungalow-Stil wirkte, als sei es explodiert. Bald baute Gehry weltweit: das Vitra Design Museum in Weil am Rhein (1989), die Fisch-Statue zu den Olympischen Spielen in Barcelona (1992), die Cinémathèque Francaise in Paris (1994), das Tanzende Haus in Prag (1996) und den Neuen Zollhof in Düsseldorf (1999).

In neuen Aufträgen sieht Gehry eigener Aussage zufolge ein „Skulptur-Objekt, einen räumlicher Container, einen Raum mit Licht und Luft“. Modelle denkt er mit seinen Händen: Er zerknittert Pappe oder zerreißt Papier und klebt die Fetzen zusammen. Weil sich solch komplexe geometrische Gebilde kaum stabil und günstig bauen lassen, entwickelt Gehrys Technologiefirma sogar ihre eigene Design-Software mit ähnlichen Mitteln wie die Luft- und Raumfahrtindustrie.

Inzwischen ist Gehrys Handschrift überall auf der Welt zu sehen: die Louis Vuitton Foundation in Paris, das Biomuseo in Panama oder das im Bau befindliche Guggenheim in Abu Dhabi. In Berlin soll ein 39 Stockwerke hoher Turm am Alexanderplatz entstehen. Das Projekt stockt, doch wenn alles klappt, soll das dann höchste Wohnhaus Deutschlands neben dem Fernsehturm rund 150 Meter in den Himmel ragen. Unter Gehrys vielen Kunst- und Konzerthäusern zählt die 2003 fertiggestellte Walt Disney Concert Hall in Los Angeles zu den berühmtesten.

Zu seinem Geburtstag am 28. Februar war Gehry wieder in Berlin zu Gast, unter anderem in seiner begehbaren Skulptur „Horse Head“ im Gebäude der DZ Bank am Brandenburger Tor. Die Bank beschreibt das Werk als „Raumskulptur mit biomorphen Formen, edlen Materialien und spektakulär dynamischer Geometrie“. Gehrys Geburtstagskonzert mit Dirigent und Pianist Daniel Barenboim fand gestern im Berliner Pierre Boulez Saal statt – dem Saal, den Gehry einst für Barenboim gestaltete und bauen ließ.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort