Die Museumsfassade wird sichtbar

Saarbrücken · Der umstrittene Saarbrücker Erweiterungsbau des Saarlandmuseums zeigt auf der Rückfront bereits jetzt sein zukünftiges Gesicht. Die Platten sind zwar noch nicht beschriftet, doch das Gesamtbild ist erkennbar.

 Kultusminister Commerçon auf der Baustelle: Er begutachtet Muster, die zeigen, wie die Platten später aussehen sollen. Foto: Becker & Bredel

Kultusminister Commerçon auf der Baustelle: Er begutachtet Muster, die zeigen, wie die Platten später aussehen sollen. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

Es ist nie ratsam, ein Kunstwerk als Stückwerk zu zeigen. Denn es verliert seine ästhetische Logik. Eben diese Erfahrung stellte sich auch gestern bei einem Pressetermin ein, den der Kurator der Stiftung Kulturbesitz, Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD), zum Baufortschritt des Erweiterungsbaus der Modernen Galerie (Vierter Pavillon) anberaumt hatte. Denn das von den Berliner Architekten Kuehn Malvezzi zusammen mit dem Künstler Michael Riedel entwickelte Quartierkonzept versteht sich als grafisch komponiertes "Gesamtkunstwerk".

Dazu werden die Platz-, Park- und Neubau-Fassadengestaltung ineinander verschachtelt - ästhetisch überzeugend, das zeigten die Architektur-Modelle. Doch nimmt man aus dieser komplexen Struktur ein Bauteil heraus und betrachtet es als singuläres Statement, verliert es seine Aussagekraft und innere Logik. Insofern wundert es nicht, dass die gestrige Präsentation der ersten (fast) fertigen Fronten keinen Anlass zu Freudensprüngen bot.

Sichtbar ist ein streng-geometrisches Muster aus riesigen schlammfarbenen Rauputzflächen, die sich mit crèmefarbenen Plattenflächen ablösen. Die sind der Fassade vorgehängt und klappen sich an manchen Stellen über die Dachkante um - ein Spiel mit Plastizität. Doch die Platten sind noch nicht mit schwarzer Schrift bedruckt: Der Text einer Landtagsdebatte dient bekanntlich als Material für die Riedelschen Schriftbänder. Dieses wesentliche, weil starke optische Element fehlt also noch. Deshalb fällt es angesichts der nicht aufgelockerten Flächen schwer, nachzuvollziehen, was Stiftungsvorstand Roland Mönig meint, wenn er von einer "belebten Oberfläche" und deren "Rhythmisierung" spricht. Ohne das Riedelsche Schriftkleid wirkt das Außenbild extrem starr und statisch und dürfte all jene Kritiker in ihren Vorurteilen bestätigen, die vor einem unsinnlichen, nüchternen, abweisenden Aussehen des Neubaus und vor einer Baumarkt-Billiglösung warnten.

Diese Einwände nahm der Minister gestern vorweg, indem er betonte, die Rauputz-Wände seien keineswegs eine "Sparmaßnahme", sondern integraler Bestandteil eines komplexen Kunstwerks. Darüber lasse sich sicher "trefflich streiten", doch es gelte das Gesetz künstlerischer Freiheit. Mönig hob die auf den Schönecker-Bau abgestimmte Farbgebung hervor, die in engster Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz entwickelt worden sei, um eine "optische Verzahnung" zu erreichen. "Der Funke springt über", meint er. Noch nicht, will man ergänzen. Generell lässt sich derzeit nur darauf vertrauen, dass die architektonische Einbindung des Neubaus in die Gesamtkomposition die ästhetische Aufwertung und Legitimierung der Fassade bringt.

Doch das wird dauern. Denn laut Mönig muss zuerst die Außenhaut samt Beschriftung komplett fertig sein, bevor die Plattenverlegung auf dem Boden erfolgt. Kalkuliert wird von jetzt an alleine mit sechs Wochen für die Beschriftungsphase der Fassade. Die hängenden Steine werden mit Folienmatrizen beklebt. Erzielt wird eine glatte Oberfläche, kein Gravurbild. Mönig spricht von einer handwerklich-technischen "Pionierarbeit".

54 Werkstoffplatten - jede einzelne vier mal vier Meter mächtig - kommen an die Fassade (654 Quadratmeter), auf den Boden 197. Insgesamt werden rund 4000 Quadratmeter gepflastert - bereits jetzt ahnt man die imposante Größe des Platzes, der sich zwischen Musikhochschule, Museum und Staden aufspannen wird.

Das Quartierkonzept basiert auf der Idee, den Grundriss der denkmalgeschützten Modernen Galerie (Schönecker-Bau), in die sich der Neubau einklinkt, mit hellen Steinen im Umfeld zu wiederholen. Das ganze nannte Mönig vor geraumer Zeit "Kunst mit Bau", nicht "Kunst am Bau".

Der gestern den Medien präsentierte Baufortschritt ist nur auf der Rückfront zur Saar hin dem öffentlichen Blick nicht zugänglich. Die der Musikhochschule zugewandte Museumsfront lässt sich durchaus von jedem Spaziergänger begutachten, durch ein Bau-Gitter hindurch. Fertig oder nicht fertig?, das ist dann wohl die Frage. Denn wer nichts von einer Kombination aus Platten-Verkleidung und Rauputz-Flächen weiß, der dürfte mutmaßen, vor die Rauputz-Flächen würden ebenfalls noch helle Platten gehängt. Das anspruchsvolle "Kunst mit Bau"-Projekt stellt dem Minister und der Stiftung anspruchsvolle Vermittlungsaufgaben.

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