Ein Mann mit Heimatgefühl als Museumsleiter

Saarbrücken · Ein Jahr lang war die Stelle des Museumsleiters im Historischen Museum am Saarbrücker Schlossplatz vakant. Gestern bestimmte die Verbandsversammlung den Archäologen Simon Matzerath (34) zum Nachfolger von Gerhard Ames. Für Matzerath, der als Ausstellungmacher arbeitete, ist es die erste Stelle als Museumschef.

 Bald neuer Direktor des Historischen Museums Saar: Simon Matzerath, der sich gegen 31 Mitbewerber durchsetzen konnte.

Bald neuer Direktor des Historischen Museums Saar: Simon Matzerath, der sich gegen 31 Mitbewerber durchsetzen konnte.

Foto: Rich Serra

Auszuschließen ist das nicht: Ziegen springen über den Saarbrücker Schlossplatz. Die "Bergmannskuh" wäre dann beispielsweise Werbeträger für eine Ausstellung, die dem hiesigen Dorfalltag im 20. Jahrhundert gewidmet ist. Hütten- und Grubenarbeiter waren ja oft Nebenerwerbsbauern. Es ist zwar nicht so, dass der neue Chef im Historischen Museum Saar, Simon Matzerath, Aktionen wie diese konkret in Aussicht gestellt hätte. Allerdings hat Matzerath in Detmold, wo er als Kurator des Großprojektes "Revolution jungSteinzeit" tätig ist, Schafe durch die Stadt getrieben, als Vergegenwärtigung des Alltags der ersten mitteleuropäischen Bauern.

Außerdem ließ Matzerath, wie er im Gespräch mit der SZ erzählt, das Detmolder Strate-Bier und 100 000 Kästen Mineralwasser mit Etiketten seiner Ausstellung bekleben - eine Sponsoring-Aktion. "Ich möchte das touristische Potenzial des Hauses stärker nutzen. Radfahrer und Wanderer sollen wissen, dass sie im Hochsommer mitten in der Stadt ein Höhlenerlebnis bei 14 Grad haben können. Wo gibt es das denn sonst?!" Doch was befähigt einen eher fachfremden Archäologen zur Leitung eines alltags- und neuzeitgeschichtlich orientierten "Heimatmuseums" wie es das Historische Museum Saar ist? Matzerath, der fünf Jahre am Museum Zitadelle Jülich engagiert war, hat Erfahrung mit Renaissance-Festungsanlagen, wie sie am Schlossplatz - unterirdisch - zu besichtigen sind. Und auch sonst fühlt sich der Neolithikon-Experte durchaus geeignet für den Job. Weil er sich mit der Alltagskultur des 17. Jahrhunderts im Rheinland beschäftigt hat, die Baugeschichte der letzten 1000 Jahre kennt und überhaupt, weil er sich vorrangig als Museums-Manager und nicht als Forschungsexperte sieht. Wobei er betont: "Ich habe immer in den Ausstellungen immer selbst mit angepackt."

In Saarbrücken möchte er klarere Rundgang-Linien in das derzeit unübersichtliche Raumgeflecht ziehen und die Einprägsamkeit der Dauerausstellung durch die Reduktion der Exponate steigern, die Familienfreundlichkeit durch mehr Mitmach-Stationen erhöhen. Auch strebt er ein Kombiticket an für alle Museen am Schlossplatz. Das Institutionen übergreifende Arbeiten und Themenauffächern hat Matzerath bei der Jungsteinzeit-Unternehmung des Landesmuseums Bonn trainiert. 200 Leute an drei Standorten - 50 im engeren Team - seien beteiligt gewesen. Der Mann muss sich umstellen. In Saarbrücken stehen ihm sechs Mitarbeiter zur Verfügung. Das macht ihm keine Bange, auch nicht das 125 000-Euro-Budget für Sonderausstellungen, mit dem "Blockbuster" nicht zu stemmen sind. Mehr Klasse als Masse strebt er an: Die Impulse, die von jeder einzelnen Ausstellung ausgingen, müssten kräftig und intensiv sein, sagt er.

Und wie hält es ein Nordrhein-Westfale mit der Spiegelung, Erforschung und Stützung der saarländischen Identität, wie es im Profil des Museums festgeschrieben ist? Zum einen ist da Matzeraths eigene, sehr vitale und sehr saarländisch wirkende Heimatverbundenheit: Körrenzig (bei Linnich) heißt das Dorf, in dem er, der unter anderem in Paris und Tübingen studierte oder in Nordjordanien Ausgrabungen leitete, immer noch "Sandkastenfreunde" hat - und sie behalten will. Und als eines seiner Hobby nennt er "Vereinsarbeit". Da möchte man den Neuen doch gleich ans saarländische Herz drücken. Auf jeden Fall ist Matzerath überzeugt, dass er, gerade weil er Außenstehender ist, der hiesigen Identität neue Seiten abgewinnen wird.

Matzerath hat sich gegen 31 Bewerber, darunter auch Saarländer, durchgesetzt. Neun seien in die engere Wahl gekommen, so Kultusminister Ulrich Commercon (SPD)gestern bei der offiziellen Vorstellung. Er ist Kurator des Zweckverbandes, der das Historische Museum trägt. Commerçon betonte, Matzerath habe das Auswahlgremium durch seine "sehr dynamische und kreative Persönlichkeit" überzeugt. Commerçons Zweckverbands-Stellvertreter Peter Gillo (SPD) ergänzte: "Ausschlaggebend war, dass Herr Matzerath Wert darauf legt, dass ein Museum auch besucht wird." Sprich, man strebt mit ihm eine noch höhere Besucher- und Touristen-Freundlichkeit an.

Löst Matzerath ein, was er gestern konzeptionell vorzeichnete, dann bekommt der PR- Magier des Weltkulturerbes Völklinger Hütte Meinrad Maria Grewenig erstmals einen Sparringspartner.

Meinung:

Bemerkenswerte Weichenstellung

Von SZ-Redakteurin Cathrin Elss-Seringhaus

Wenn das mal kein Omen ist. Ein gutes: Dass noch nicht alle kulturpolitischen Träume ausgeträumt sind für eine Zusammenführung der zersplitterten Sammlungen am Saarbrücker Schlossplatz zu einem großen landesgeschichtlichen Museum. Oder ist es ein Zufall, dass ausgerechnet ein Archäologe zum Chef im Historischen Museum Saar bestimmt wurde, in dessen Wurfweite das auf seine Kompetenzen zugeschnittene Museum für Vor- und Frühgeschichte der Stiftung liegt? Das hieße, dem Kultusminister jedes strategische Denken abzusprechen. Denn mag der zur Zeit eine grundlegende Strukturreform ausschließen, irgendwann ist der Stresstest durch den Vierten Pavillon vorüber - und der Fokus kann sich auf den Schlossplatz richten. Dort hat dann der Neue hoffentlich bewiesen, dass er's drauf hat. Dann wäre der personelle Weg schon definiert für ein vor Jahrzehnten erdachtes Museums-Fusionsmodell. Es mag alt sein, aber es ist vernünftig.

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