Das Bild einer Debatte – keine Dokumentation

Saarbrücken · Lange ließ eine Visualisierung der umstrittenen Fassaden-Gestaltung des Saarbrücker Museumserweiterungsbaus auf sich warten. Die SZ hat sie sich angeschaut. Bei einer Veranstaltung am 12. April wird sie den Bürgern präsentiert.

 So wie auf dieser Plane soll sie aussehen, die neue Fassadenwandgestaltung des Erweiterungsbaus.

So wie auf dieser Plane soll sie aussehen, die neue Fassadenwandgestaltung des Erweiterungsbaus.

Foto: Becker & Bredel
 Von weitem erkennt man viel freie Fläche und Schriftbänder, nur das Wort Museum – 80 Zentimeter groß – ist aus der Ferne lesbar.

Von weitem erkennt man viel freie Fläche und Schriftbänder, nur das Wort Museum – 80 Zentimeter groß – ist aus der Ferne lesbar.

Foto: Becker & Bredel

Sie sind schütter und alles andere als aussagekräftig, die Bilder, die die Öffentlichkeit bisher vom "Gesamtkunstwerk" zu sehen bekam, das die Berliner Architekten Kuehn Malvezzi für den Erweiterungsbau der Modernen Galerie (Vierter Pavillon) entwickelten, zusammen mit dem international bekannten Konzeptkünstler Michael Riedel. Laut Roland Mönig, Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz , handelt es sich dabei um eine neuartige architektonische Konzeptkunst , die nicht mehr nur "Kunst am Bau" liefere, sondern "Kunst mit Bau" realisiere. Boden- und Fassadenplatten verschmelzen in einem komplexen Muster Umfeld und Museum.Verkopft ist das Ganze, kein vordergründiges optisches Feuerwerk, also schwer vermittelbar.

Allerdings räumt das, was jetzt vorliegt - die "Simulation" einer bedruckten Boden- und Fassadenplatte - zumindest mit dem zentralen Kritikpunkt auf, der gegen die Riedelschen Pläne laut wurde. Ein Platten-Leporello in Originalgröße beweist, dass von der "Verewigung" einer Landtagsdebatte in klassischem Denkmal-Sinn keine Rede mehr sein kann. Bekanntlich entzündete sich im September vergangenen Jahres genau daran der Streit: 5000 Quadratmeter Boden- und Fassadenfläche sollten mit dem Text der Plenardebatte vom 9. April 2014 bedruckt werden, in dem der Museums-"Skandalbau" verhandelt wurde. Wie genau das aussehen würde und ob man die Redebeiträge der Parlamentarier überhaupt im Zusammenhang würde lesen können, blieb offen.

Nun weiß man mehr, weiß, dass die Versicherungen von Architekten und Museumsvorstand zutreffen: Riedel "male" mit Worten wie mit Farben, es gehe lediglich um ein "Bild, nicht um die Dokumentation eines Textes". Der Beweis dafür ist die Visualisierung einer ersten bedruckten Platte, wie sie später verlegt werden soll. Die monumentalen Maße: vier auf vier Meter. Von weitem erkennt man viel freie Fläche und Schriftbänder, keine einzelnen Worte. Nur das Wort Museum - 80 Zentimeter groß - ist aus der Ferne lesbar.

Auch aus Sichtnähe lässt sich kein klasssischer Fließtext rekonstruieren, Sätze sehr wohl. Da Satzzeichen und Namen entfernt wurden, gehen die Redebeiträge ineinander über, der logische Zusammenhalt ist aufgesprengt. Diese Textbearbeitung durch den Künstler sieht willkürlich aus, folgt aber einem strengen rationalen Prinzip, wie überhaupt das Gesamtmuster der Plattenverlegung Maße und Geometrie wiederholt, die der Altbestand des Schönecker-Baus vorgibt. Mönig spicht vom größten öffentlichen Kunstwerk Europas mit Avantgarde-Potenzial: "Früher wurde Kunst wie eine Applikation benutzt, bei unserem Projekt wird sie ein integraler Bestandteil."

Bleibt es aber denn nun bei der umstrittenen Textwahl? Immer noch sei der Prozess offen, sagt Mönig. Riedel habe "ernsthaft nachgedacht", sehe aber, weil er zwingend auf das gesprochene Wort zurückgreifen wolle, noch keine Alternative. Riedel wolle dem Museum einen "authentischen Moment" des Kommunikationsprozesses über seine Entstehung einschreiben. Ob das von Kultusminister Ulrich Commercon (SPD ) organisierte Fach- und Bürgergespräch am 12. April dafür taugen könne, entscheide allein der Künstler. Auf dessen Autonomie pocht auch der Minister. Commercon spricht gegenüber der SZ von einer "adäquaten Fassaden- und Umfeldgestaltung", bei der "die Frage des konkreten Textes lediglich eine untergeordnete Rolle" spiele. Doch selbst wenn ihm Parlamentarier und Bürger jetzt in diesem Punkt folgen werden, ist die nächste, vielleicht ungemütlichere Debatte absehbar. Gefälligkeit gehört nun mal nicht zum Markenkern von Konzeptkunst . Das spröde Modell provoziert Fragen nach der ästhetischen Zugkraft der Gestaltung.

Bürgerforum: 22. April, 15 Uhr, Moderne Galerie.

April 2014: Das Kuratorium segnet die Vorentwurfsplanung des Architekten-Künstlerteams Kuehn Malvezzi/Michael Riedel ab. Durch die künstlerische Gestaltung von bedruckten Fassaden- und Bodenplatten sollen Umfeld und Neubau verzahnt werden.

September 2014: Der Konzeptkünstler Michael Riedel erklärt die Landtagsdebatte vom 9. April zum grafischen Material seines Platten-Kunstwerks. Zuvor ist die erste Textidee des Künstlers (Jurysitzung) gescheitert. Parlamentarier und Lokalpolitiker reagieren skeptisch bis ablehnend. Als klarer Gegner positioniert sich die CDU-Fraktion. Riedel stellt überraschend den Landtags-Text wieder zur Disposition. Der Kultusminister verteidigt die Freiheit des Künstlers und kündigt eine Bürgerdebatte an.

November 2014: Der Landtags-Text scheint gecancelt, zugleich ist keine Alternative in Sicht. Das Kuratorium positioniert sich: Es formuliert kein grundsätzliches Nein zur Riedel-Idee, begrüßt aber die Bereitschaft, neu nachzudenken.

Januar 2015: Der Vorstand der Stiftung Kulturbesitz teilt mit, es gebe keine neue Text-Idee.

Februar 2015: Das Ministerium gibt den Termin für ein Fachgespräch mit Bürgerbeteiligung bekannt, ohne dass klar wird, ob Riedel dieses als Text-Alternative ansieht.

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