In diesen Tagen wichtiger denn je: Es lebe die Freundschaft!

Warum „Nackt im Hotel“ nicht nur in der Krise, aber jetzt besonders, lesenswert ist, erfahren Sie in unserer Buchvorstellung

 Jo Schück setzt in seinem Buch der Freundschaft ein Denkmal, das Lust macht, alte Freundschaften zu pflegen und neue zu knüpfen.

Jo Schück setzt in seinem Buch der Freundschaft ein Denkmal, das Lust macht, alte Freundschaften zu pflegen und neue zu knüpfen.

Foto: Katharina Hinze

Jo Schück, bekannt als Moderator des ZDF-Kultur-Magazins „aspekte“ und Kulturjournalist, weiß aus eigener Erfahrung: In der heutigen Zeit, die von gesellschaftlichen Umbrüchen und Globalisierung geprägt ist, in der Sicherheiten gesellschaftlich abhandenkommen und klassische Familienstrukturen sich auflösen, gibt es nur eine beständige Bindung: Freundschaft. Sie gibt uns den Halt, den wir anderswo nicht mehr finden – weder in Liebesbeziehungen noch im familiären Umfeld.

In seinem Buch „Nackt im Hotel“ spannt Schück den Bogen vom Wesen der Freundschaft über Zeitgeist-Phänomene wie Instagram-Dates und „Freundschaft plus“ bis hin zum gesellschaftspolitischen Wert, der der Freundschaft heute eingeräumt werden sollte.

Er zitiert Experten aus verschiedenen Disziplinen, bezieht Studien zum Thema ein, grenzt Freundschaft von Liebesbeziehungen und der Familie ab und konstatiert: Vor dem Hintergrund der hohen Scheidungsquote und sich wandelnder Familienkonstellationen gewinnt Freundschaft über den individuellen Bereich hinaus an Bedeutung.

Sein Fazit: Wir brauchen eine Aufwertung von Freundschaft. Wenn Ehe und Kernfamilie als gesellschaftlicher Stabilitätsanker von der Freundschaft abgelöst werden, wenn unser Staat die Freundschaft als Stütze „braucht“, dann muss sie auch gestützt werden.

„Nackt im Hotel“ ist eine Liebeserklärung an die Freundschaft unterfüttert mit Kurzgeschichten. Jo Schück plädiert dafür, die Freundschaft auf der gesellschafts-politischen Prioritätenliste an erste Stelle zu setzen – vor Liebe und Familie.

Jo Schück, Jahrgang 1980, hat Publizistik, Philosophie und BWL studiert. Seit 2014 moderiert er die Kultursendung „aspekte“ im ZDF und fungiert als Autor und Presenter für gesellschaftspolitische Dokumentationen. Zudem präsentiert er das Debattenformat „lass uns reden“ und die Musiksendung „zdf@bauhaus“. Vor seiner Fernsehkarriere war er Radiomoderator bei „fritz“ (rbb) und „SBS Alchemy“ in Sydney. Schück war nominiert für den Grimmepreis, den deutschen Fernsehpreis und ist ausgezeichnet mit dem „Ernst-Schneider-Preis“ und dem „CNN Journalist Award“. „Nackt im Hotel“ ist sein erstes Buch.

Jo Schück über das Wesen der Freundschaft:

Freundschaft hält alles zusammen. Unseren Alltag. Unser Leben. In gewisser Weise unseren Staat. Freundschaft ist frei zugänglich für alle, ob arm oder reich, ob belesen oder bildungsresistent, ob jung oder alt. Sie ist ein internationales, universalistisches, freiheitliches und egalitäres Konstrukt und damit hochpolitisch. Wer sich auf die Suche nach dem Kitt der Gesellschaft begibt, der kommt an der Freundschaft nicht vorbei. Freundschaft ist Heimat. Wenn Freundschaft wichtiger ist als alles andere, wie ich behaupte, ist sie dann auch wichtiger als Liebe? In aller Kürze: Ja. Und zwar, weil uns Liebe in einer Zeit der Haltlosigkeit nicht retten wird, die Freundschaft aber schon.

In keiner anderen Beziehungsform können wir als Individuum so sehr wir selbst bleiben und trotzdem gemeinschaftlich agieren. Freundschaft verspricht Dauer und gleichzeitig die Möglichkeit der sofortigen Loslösung.

Jo Schück über die Zukunft der Freundschaft:

Die Kern-Familie, die seit Jahrhunderten den Nukleus der Gesellschaft bildet und bis heute politisch geschützt wird, ist ein Auslaufmodell. Und weil die Scheidungsquote seit einer ganzen Generation ungebrochen hoch ist, sind erstmals in der bundesdeutschen Geschichte auch mehr und mehr Senioren Single. Wenn Familie, so wie unsere Großeltern sie kannten, nicht mehr existiert, entstehen neue Unsicherheiten: Wer übernimmt die Pflege, wenn ich mal alt bin?

Freundschaft als Begriff geht in diesem Fall weit über die klischeebeladene Beziehung zweier Sandkastenkumpels hinaus. Freundschaft wird in diesem Sinne politisch. Sie wird zum gesellschaftlichen Element und stößt in die Lücken, die Familie und Ehe hinterlassen. Freund*innen spielen de facto eine gesellschaftlich relevante Rolle: Sie pflegen. Bis in den Tod. Sie wohnen gemeinsam. Sie bilden Netzwerke, da wo früher nur Familie oder Partner*innen standen. Freundschaft erhält also über den individuellen persönlichen Bereich hinaus eine gesellschaftspolitische Bedeutung.

Fakten und Zahlen:

Unsere Freunde sind uns oft nicht nur ähnlich in Bezug auf Alter, Beruf, Weltanschauung, sondern möglicherweise auch in Bezug auf die Gene.

Forscher gehen davon aus, dass die Größe des Gehirns eng gekoppelt ist an die Anzahl unserer Freunde.

Wir Menschen haben die Fähigkeit, etwa 100 bis 150 soziale Beziehungen zu unterhalten, vom Intimfreund bis zur losen Bekannten. Mehr schafft unser Hirn nicht. Aktuell hat jeder Deutsche durchschnittlich 3,7 enge Freunde.

Foto: dtv Verlagsgesellschaft

Das Buch ist gerade frisch im März dieses Jahres erschienen, kostet 14,90 Euro und ist im Buchhandel erhältlich.

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