Gastbeitrag „Solidarität statt Quid pro quo – Corona-Bonds als Signal der Stärke Europas“

Saarbrücken · Der Saarländer Alexander Funk galt im Bundestag als Rebell in der CDU-Fraktion, der sich dem Hilfspaket für Griechenland und dem Euro-Rettungskurs von Angela Merkel hartnäckig widersetzte. Auch Euro-Bonds lehnte er vehement ab. Heute fordert er als einer der ersten in der Union Solidarität mit dem Süden und Berlins Ja zu Corona-Bonds. Ein Gastbeitrag für die SZ.

CDU-Fraktionschef Alexander Funk.

CDU-Fraktionschef Alexander Funk.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Vor genau zehn Jahren habe ich im Deutschen Bundestag aus voller Überzeugung gegen das sogenannte „Hilfspaket für Griechenland“ gestimmt. Auch allen weiteren „Hilfspaketen“, wie EFSF (Europäische Finanzstabisilierungsfazilität) und ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) konnte ich nicht zustimmen.

In zahlreichen Stellungnahmen habe ich meine ablehnende Haltung begründet, unter anderem mit der Nichtbeistandsklausel der europäischen Verträge. Sie sieht vor, dass kein Land für die Schulden eines anderen Landes haftet oder eintritt. Aber auch mit der wichtigsten Regel der Marktwirtschaft, dass Risiko und Haftung zusammengehören. Ein echter europäischer Umschuldungsmechanismus hätte auch die Investoren in die Verantwortung genommen.

Das wichtigste Anliegen war mir allerdings: Eine Gemeinschaft kann nicht funktionieren, wenn „reiche“ Länder Geld geben und dafür einem anderen souveränen Land Vorgaben machen, wie es regiert werden muss und damit tief in seine Souveränitätsrechte eingreift. Ein solches ‚Quid pro quo‘ funktioniert zwischen souveränen Staaten nicht.

Ob Griechenland mit diesen Maßnahmen nun geholfen wurde oder nicht, will ich in der aktuellen Corona-Situation nicht weiter erörtern. Fakt ist, dass Griechenland damals mit rund 290 Milliarden verschuldet war, heute drückt das Land eine Schuldenlast von 340 Milliarden Euro. Der einzige Grund, weshalb das Problem aus dem Fokus gerückt ist, ist die Tatsache, dass die europäischen Mitgliedsstaaten größter Gläubiger von Griechenland geworden sind und rund 190 Milliarden Euro „Hilfskredite“ über die oben genannten Mechanismen zur Verfügung gestellt haben. Teilweise bis ins Jahr 2070 und faktisch zins- und tilgungsfrei.

So vehement ich mich damals gegen diesen Weg gestemmt habe – mit vielen persönlichen Anfeindungen und Konsequenzen – bin ich heute davon überzeugt, dass die EU in dieser Corona-Krise zusammenstehen muss. Für Deutschland bedeutet dies, den erbitterten Widerstand gegen „Corona-Bonds“ aufzugeben und ein echtes europäisches Zeichen zu setzen.

Es ist richtig, dass mit dem ESM ein Finanzierungsinstrument bereitsteht, das auch in dieser Krise genutzt werden könnte. Und ja – auch wenn ich damals gegen den ESM war – heute hätte er zunächst den Vorteil, dass er mit all seinen Regularien bereits besteht, und auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden kann. Aber er sieht Konditionalitäten vor. Egal wie „weich“ die ausgestaltet sind, wird die EU den notleidenden Staaten Vorgaben machen müssen, wie sie mit diesem Geld umgehen sollen.

Andere Stimmen werden laut, die sagen, dass das gebeutelte Italien keine zusätzlichen Kredite und noch höhere Staatsschulden braucht, sondern echte Hilfe, direkt und als Zuschuss, nicht als Bürgschaft. Das haben durchaus unterschiedliche Persönlichkeiten wie Hans-Werner Sinn und Sigmar Gabriel unisono und treffend dargelegt.

Auch die Niederlande schlagen einen internationalen Fonds für besonders von der Pandemie betroffene Staaten vor und wollen 1 Milliarde „schenken“, als ein Zeichen der Solidarität. So gutgemeint diese Vorschläge sind, haben sie den Makel des Überheblichen: Hier die „großzügigen“ Geldgeber, dort die „dankbaren“ Almosenempfänger.

Ob der europäische Gedanke, das Hinarbeiten zu einer echten Gemeinschaft, dadurch befördert wird, bezweifle ich stark. Denn Europa ist mehr. Mehr als ein gemeinsamer Wirtschaftsraum. Mehr als technische Finanzierungsinstrumente. Mehr als bürokratische Regeln oder Vorschriften. Die Europäische Union ist ein einzigartiges Friedensprojekt, eine „Schicksalsgemeinschaft“, ein Zusammenschluss von Staaten, die aus den Erfahrungen des 2. Weltkriegs zu Freunden geworden sind.

Die Reaktionen in Europa auf das COVID-19-Virus sind jedoch besorgniserregend: Grenzschließungen, Abschottung und der Kampf um Masken und Schutzmaßnahmen – jeder ist sich zunächst selbst der Nächste.

Zum Glück kehrt eine Besinnung auf unsere Gemeinschaft zurück: Deutschland stellt freie Krankenhauskapazitäten für unsere europäischen Freunde zur Verfügung und auch die gemeinsame europäische Beschaffung von Schutzausrüstung im Kampf gegen das Virus ist ein wichtiger Schritt.

Dieser Weg der Solidarität muss fortgesetzt werden.

Nicht durch Almosen und nicht durch Hilfskredite, deren Verteilung durch Brüsseler (und übrigens auch nicht Berliner) Amtsstuben organisiert bzw. konditioniert wird. Das macht Rom am besten selbst. Zu viel Vertrauen? Das ist gut möglich. Aber weder die weitere Trennung in Schuldner und Gläubiger noch der Eindruck eines gönnerhaften Almosens für Krisenländer bringt uns jetzt weiter.

Zu begreifen, dass Europa diese Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen gemeinsam angehen muss, führt unweigerlich zu einer gemeinsamen Schuldanleihe, den sogenannten Corona-Bonds. Es wäre in dieser schwierigen Situation ein starkes Signal. Ein Signal, das weltweit gehört werden würde. Aber viel wichtiger: Es wäre ein Signal, dass Europa in seiner schwersten Stunde seit dem 2. Weltkrieg zusammensteht.

Alexander Funk (CDU) war von 2009 bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Seit 2017 ist er Mitglied des Landtages des Saarlandes, seit März 2018 Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion.

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