Die Sozis und die schönen Künste

Saarbrücken · Mit regionalen Kulturforen versucht die SPD seit den 90ern ihr Verhältnis zur Kunst- und Kulturszene aufzupolieren und an alte Zeiten anzuknüpfen. Morgen feiert das SPD-Kulturforum Saar seinen 20. Geburtstag.

Die SPD und die Kultur - ein unverkrampftes Verhältnis war das nie. Gehört es einerseits zum Selbstverständnis der Sozialdemokraten, stolz auf die eigenen Wurzeln als Kultur- und Bildungsbewegung hinzuweisen, geht es andererseits seit jeher auch um die Frage: Wie halten wir's mit der Hochkultur? Sind die schönen Künste nicht eigentlich elitär und bürgerlich und so gar nicht sozialdemokratisch?

Es ist jedenfalls kaum verwunderlich, dass an diesem 28. Januar 1994 im Saarbrücker Schloss sehr lange und sehr abstrakt über die Frage diskutiert wird "Gibt es einen sozialdemokratischen Kulturbegriff?". Auf dem Podium sitzen unter anderem Oskar Lafontaine, Julian Nida-Rümelin und Peter Glotz. Der Saal ist voll, doch die Debatte in dieser ersten Veranstaltung des frisch gegründeten SPD-Kulturforums Saar will nicht so recht vorankommen. Mit Wehmut denkt in diesen Tagen manch einer an Zeiten zurück, als der mit "kulturellem Eros" (Hilmar Hoffmann) ausgestattete Willy Brandt in den 60ern zum Hoffnungsträger der deutschen Intelligenzia avancierte; als dann in den 70ern Sozialdemokraten die Städte und Gemeinden neu belebten, kulturelle Versorgung als öffentliche Aufgabe definierten und neue Formen der Stadtteilkultur förderten. All das scheint nun lange her, manch Innovation nicht mehr zeitgemäß. Und die Prominenten? Statt Brandt, Grass und Härtling sieht man nun auf Wahlkampf-Fotos Oskar Lafontaine und Peter Maffay.

"Es war die Zeit Helmut Kohls", erinnert sich Burkhard Jellonnek, Mitgründer des Kulturforums Saar und heutiger Forums-Vorsitzender. "Aber von einer geistig-moralischen Wende konnten wir nichts sehen." Daher sollten jetzt regionale Foren kulturpolitische Debatten unter sozialdemokratischen Vorzeichen neu entfachen, die SPD wieder an die Künste und die Künstler heranführen. In Saarbrücken startete das Vorhaben mit 30 Aktiven, doch bald schon waren es über 100 Mitglieder. Arbeitsgruppen wurden gebildet, Veranstaltungsreihen ins Leben gerufen, immer galt die doppelte Zielsetzung, nach Innen und nach Außen zu wirken. Innerhalb der SPD Saar habe man quasi Lobbyarbeit für Kultur gemacht, erzählt Jellonnek. Unter Heiko Maas, der selbst lange Zeit dem Kulturforum vorstand, sei das später leichter gefallen als unter Lafontaine.

Nach Außen trat das Forum immer wieder mit prominent besetzten Veranstaltungen in Erscheinung, holte Ignaz Bubis, Henning Scherf, Burkhart Spinnen und Nils Minkmar nach Saarbrücken, mischte sich aber auch in politische Debatten ein - etwa 2011 in den Streit um die Denkmalschutz-Novelle. Ein Höhepunkt war 2003 die Tagung aller SPD-Kulturforen in Saarbrücken, die mit einer "Saarbrücker Erklärung" schloss - einem Forderungskatalog, in dem von "kultureller Bildung als Pflichtaufgabe" und "kultureller Kompetenz als Schlüsselkompetenz für die Kunst des Lebens" die Rede ist.

Wie ist es nun heute um das Verhältnis der SPD zur Kultur bestellt? Das einst von Gerhard Schröder eingeführte Amt des Kulturstaatsministers ist aktuell mit einer CDU-Politikerin besetzt, die "Kultur-für-alle"-Formel (im heutigen SPD-Jargon "kulturelle Teilhabe"), hat sich noch immer kaum erfüllt. Und die Zweispältigkeit der SPD besteht nach wie vor. Jüngstes Beispiel liefert NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die berechtigterweise die Finanzierung des Projekts "Jedem Kind ein Instrument" als fortschrittliche Kulturpolitik feiert, zugleich jedoch den Kulturetat des Landes so drastisch zusammenstrich, dass man um die dichteste Museums- und Theaterlandschaft Europas fürchten muss.

So bleibt genug zu tun für die Kämpfer der Kulturforen, gerade in Zeiten der Schuldenbremse. Sich für ein permanent von Kürzungen bedrohtes Gut einzusetzen, bleibt auch im Saarland eine ebenso ehrenwerte wie schwierige Aufgabe.

Feier zu "20 Jahre Kulturforum Saar", u.a. mit Wolfgang Thierse: Morgen, 20 Uhr, U2raum (Ufergasse 2, Sb).

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