"Auf der Bühne sind wir kein Paar" Karel Mark Chichon - oder ein wunschlos glücklicher Dirigent

Saarbrücken. Ein scharfer Intellekt, Anmut, Charme in Überfülle, entspannte Weltläufigkeit: Nein, singen müsste sie nicht auch noch, damit man hingerissen ist. Aber so wie sie singt, ist man es erst recht. Dieser elegante Ton in der Höhe, diese Wärme in der Tiefe, wie sie zum Wohlklang Geist und Innigkeit fügt

 Bilder einer Primadonna ohne Allüren: Elina Garanca beim Gespräch nach der Probe gestern Morgen in der Saarbrücker Congresshalle. Fotos: Oliver Dietze

Bilder einer Primadonna ohne Allüren: Elina Garanca beim Gespräch nach der Probe gestern Morgen in der Saarbrücker Congresshalle. Fotos: Oliver Dietze

Saarbrücken. Ein scharfer Intellekt, Anmut, Charme in Überfülle, entspannte Weltläufigkeit: Nein, singen müsste sie nicht auch noch, damit man hingerissen ist. Aber so wie sie singt, ist man es erst recht. Dieser elegante Ton in der Höhe, diese Wärme in der Tiefe, wie sie zum Wohlklang Geist und Innigkeit fügt. Da ist es auch ein Geschenk, Elina Garanca bei der Probe in der Saarbrücker Congresshalle zuhören zu dürfen. Fern jedes Galaabend-Glanzes. Weil man da erfährt, wie diese überaus Talentierte jeden Auftritt ganz genau nimmt. Jeder Nuance in Ravels "Shéhérazade" spürt sie nach, immer mit dem Anspruch, es noch besser zu machen. So wie ihr Mann, Karel Mark Chichon, Chefdirigent der Deutschen Radio Philharmonie (DRP) mit gerade frisch verlängertem Vertrag, beweist, dass der blühende Orchesterklang der DRP nichts mit Zauberei, wohl aber mit präziser Arbeit zu tun.

Chichon und Garanca: Da tun sich zwei auf den ersten Blick Gegensätzliche zusammen. Er, der Dirigent, der dem Pass nach Brite ist, Aussehen und Emotion aber aus Spanien mitbringt. Und sie, die anscheinend kühle, blonde Mezzosopranistin aus Lettland. Perfektionsgeist, Klangverständnis und Hingabe zur Musik eint sie. Und viel gesagt werden muss zwischen ihnen nicht bei der Probe. "Ich rede sowieso nicht so viel", sagt sie später lachend in ihrer Garderobe. Was aber gesagt werden muss, werde im Hause Garanca/Chichon gesagt, "wenn die Tür zu ist". So kommentiert sie auch die Vertragsverlängerung ihres Mannes bei DRP nicht groß. "Warum sollte ich meinem Mann da zu- oder abraten? Es ist seine Entscheidung, er muss damit glücklich sein. Und wenn er davon überzeugt ist, unterstütze ich ihn." Was ihr aber in diesem Falle lächelnd leicht fällt. Denn auch die von Spitzenorchestern Verwöhnte hat die DRP bereits schätzen gelernt. "Es ist ein Orchester, dass wahnsinnig jung ist im Denken. Sie ruhen sich nicht auf Erfolgen aus."

Doch wie ist das eigentlich mit Kritik unter Eheleuten? Hält man das aus, auch wenn's mal kein Lob wäre? "Wir nehmen beide Kritik sehr entspannt an", antwortet sie. "Es gibt keinen Bonus für mich, wenn mein Mann dirigiert". Und mit gleicher Entschiedenheit: "Ich gebe aber auch keinen. Wenn wir auf der Bühne sind, sind wir kein Paar."

Nun - für eine Umarmung bleibt doch Raum bei der Probe. Nachdem sie bei Donizettis "L'ai - je bien entendu" mal kurz den Text nicht präsent hat - und bei ihrem Mann in die Partitur schaut. "Blackout", sagt sie - und auch ein Wort, dass man besser nicht druckt. Garanca, die Beherrschte, lässt da auch mal Emotion aufblitzen. Doch beherrscht, stimmt das überhaupt? Richtig ist, dass sie ihre Karriere genau durchdenkt, Ziele setzt. So wie sie jetzt an ihrem Fach arbeitet, "dramatischer" wird. Sich von Mozart verabschiedet. Cherubino, dieses Jüngelchen (eine Rolle, mit der sie an der Wiener Staatsoper glänzte) - es reizt sie nicht mehr sonderlich. Das eigene Leben, die Erfahrungen auch als Mutter: Es sind stimmlich, intellektuell und emotional andere Partien, die sie singen will. In den französischen Arien (ihre aktuelle CD "Romantique" spiegelt das) findet sie diese "Frauen aus Fleisch und Blut". Und noch etwas weiter gedacht: Die Eboli mit 40, das wäre doch ein "Ziel."

Ziele zu haben, das heißt für sie aber auch, zu wissen, was sie nicht will. Wo andere sich verausgaben, alles mitnehmen, Festivals, Galas, große Bühne, hält die 36-Jährige Maß. Höchstens 60 Auftritte pro Jahr - das war's. Und das ist nicht erst so, seit vor anderthalb Jahren ihre Tochter Catherine Louise zur Welt kam, Garanca und Chichon zur Familie auf Achse wurden. Kreuz und quer durch Europa - vom Wohnsitz Malaga zu diversen Auftrittsorten und oft auch nach Riga, in die Heimat Garancas. "Gute Planung", sagt die Sängerin, ist Grundlage dieses musikalischen Familienunternehmens.

Fast genau zehn Jahre ist Elina Granca nun "Weltstar". 2003 bei den Salzburger Festspielen ging ihr Stern auf. "Mir kommt es vor, als seien es 25 Jahre, mindestens, so viel ist in dieser Zeit passiert." Und auch wenn sie um ihr Können weiß, sagt sie doch, "es gehört auch viel Glück dazu, das zu erreichen."

Das Glück - das setzt sich nun auch für das Publikum hier fort. Wächst doch mit Chichons Vertragsverlängerung auch die Wahrscheinlichkeit, dass Elina Garanca immer mal wieder hier zu Gast sein wird. Für die kommende Saison steht so bereits ein Projekt mit Konzerten sowie CD-Produktion mit der DRP für die Deutsche Grammophon an. "Geistliche Arien" lautet der Arbeitstitel. Nach "Romantique" eine ziemliche Kehrtwendung? Im Moment ruhe sie absolut in sich - und dies solle sich auch in dieser Aufnahme ausdrücken. "Meine CDs sind immer Spiegel meiner Seele", sagt sie. Musik der Seele - kann man's schöner sagen? Saarbrücken. "Was kann man sich als Dirigent mehr wünschen?", stellt Karel Mark Chichon einfach mal gut gelaunt die Gegenfrage. Und antwortet damit auf die Frage, warum er bei der Deutschen Radio Philharmonie verlängert hat - bis 2017 (wir berichteten). Die Stimmung sei hervorragend, die Qualität in der gemeinsamen Arbeit wachse und wachse, sagt der 42-jährige Brite gestern am Rande der Probe in der Saarbrücker Congresshalle. Offenbar sind die Arbeitsbedingungen für ihn bei der DRP derzeit ideal. Und so ging denn der Impuls den seit 2011 bestehenden Vertrag um weitere drei Jahre zu verlängern, von ihm aus, hört man.

Für die DRP, die vom Saarländischen Rundfunk und dem Südwestrundfunk getragen wird, dürfte die Weiterverpflichtung Chichons ein Gewinn sein. Die Entwicklung des Orchesters, dessen Fusion aus dem RSO Saarbrücken und dem Rundfunkorchester Kaiserslautern erst sechs Jahre zurückliegt, ist für alle Konzertbesucher spürbar, die Resonanz auf die DRP-Konzerte - jüngst auch bei der Südkorea-Tournee - äußerst positiv. Was will man also mehr? Recht hat er, der Herr Chichon. oli

 Karel Mark Chichon

Karel Mark Chichon

 Bilder einer Primadonna ohne Allüren: Elina Garanca beim Gespräch nach der Probe gestern Morgen in der Saarbrücker Congresshalle. Fotos: Oliver Dietze

Bilder einer Primadonna ohne Allüren: Elina Garanca beim Gespräch nach der Probe gestern Morgen in der Saarbrücker Congresshalle. Fotos: Oliver Dietze

 Karel Mark Chichon

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Foto: SZ

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