Whitesell soll verkaufen

Saarbrücken/Beckingen · Eine Rettung der Beckinger Schraubenfabrik gibt es nur ohne Whitesell. Das sehen nicht nur die Arbeitnehmervertreter so, sondern auch die Landesregierung und alle Landtagsfraktionen.

 Fluchtartig verließ Bob Wiese, Deutschland-Chef von Whitesell, am Freitag nach einer Betriebsversammlung das Beckinger Werk. Foto: Ruppenthal

Fluchtartig verließ Bob Wiese, Deutschland-Chef von Whitesell, am Freitag nach einer Betriebsversammlung das Beckinger Werk. Foto: Ruppenthal

Foto: Ruppenthal

Arbeitnehmervertreter und Politik drängen den US-Eigner der Beckinger Schraubenfabrik und ihrer drei deutschen Schwesterwerke zum Rückzug. Nur so seien die Werke zu retten. Das war der Tenor gestern bei einer Sitzung des Gesamtbetriebsrats in Neuwied und einer Aktuellen Stunde im saarländischen Landtag. "Jede Lösung ohne Whitesell ist besser als irgendeine Lösung mit Whitesell", sagte Guido Lesch, Zweiter Bevollmächtigter der Gewerkschaft IG Metall in Völklingen, nach der Betriebsratsversammlung.

Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD ) kündigte im Landtag an, dass die Regierung "es für einen gangbaren Weg hält, eine neue Eigentümerstruktur auf den Weg zu bringen". Sie hofft, die Chance zu erhalten, "den sich momentan als Abwicklung abzeichnenden Weg umzukehren - hin in eine Zukunft für die Arbeitsplätze". Rehlinger äußerte sich zuversichtlich, dass es "Interessenten für das Werk" in Beckingen gebe. Voraussetzung für eine Lösung sei aber, dass ein Gespräch mit der Geschäftsführung zustande komme. Über Wochen hat sich Whitesell-Deutschland-Chef Bob Wiese einem Treffen verweigert. Heute soll es nun stattfinden.

Das US-Unternehmen, das zu Jahresbeginn die insolvente Ruia-Schraubengruppe übernommen hatte, vergraulte - so Betriebsrat und Gewerkschaft - die Kunden mit massiven Preiserhöhungen. Auf den Wegfall der Aufträge hat Whitesell vergangene Woche mit einem radikalen Sanierungsplan reagiert. Demnach soll mindestens die Hälfte der 1300 Stellen wegfallen. Es können aber auch mehr als 900 sein, sagte der Beckinger Betriebsratschef Gerfried Lauer. In Beckingen blieben womöglich nur 60 der heute 360 Jobs übrig. Die Gewerkschaft werde alle Mittel nutzen, um "Whitesell den geplanten Personalabbau so schwer wie möglich zu machen", so Lesch. In einem Brief will man die Ministerpräsidenten der betroffenen Bundesländer Saarland, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu gemeinsamem Eingreifen auffordern.

Im Landtag formierte sich in der von den Linken beantragten Aktuellen Stunde jedenfalls eine große Koalition aller Fraktionen. Das Urteil über Whitesell fiel einhellig vernichtend aus. Stefan Palm (CDU ) nannte die "Unternehmenspolitik mehr als katastrophal", Hans-Peter Kurtz (SPD ) bezeichnete sie als "menschenverachtend". Alle betonten, dass jede Chance genutzt werden müsse, um die Arbeitsplätze zu erhalten. Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine forderte, dass sich die Stahlstiftung an der Rettung des Beckinger Werks beteiligen soll. "Man muss versuchen an den Eigentümer Neil Whitesell heranzukommen" und ihn zum Verkauf bewegen. Und "das muss schnell geschehen." Whitesell hat um des schnellen Profits willen alle brüskiert - die Kunden der Schraubenwerke, die Belegschaft und die Politik. Das US-Unternehmen hat sich nicht im geringsten bemüht, deutsche Wirtschaftskultur zu verstehen. So kann und muss man scheitern. Jetzt bleibt nicht mehr viel Zeit. Der sogenannte Sanierungsplan verspricht keine Zukunft. Er ist ein Programm zum endgültigen Niedergang. Rettung können nur neue Eigentümer bringen. Darin liegt die einzige Chance zur Rettung der Arbeitsplätze. Doch es wird schwer werden, Whitesell zum Verkauf zu bewegen.

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