Wie ein Zombie in der Höhle des Löwen

Paris · Vor einem Jahr wollte Andrea Petkovic in Paris ihre Karriere aus Frust beenden. Zwölf Monate später hat sie sich mit ihrem Achtelfinal-Einzug bei den French Open auf der großen Grand-Slam-Bühne zurückgemeldet. Philipp Kohlschreiber und Angelique Kerber sind dagegen ausgeschieden.

In der Höhle des Löwen war alles bereitet für ein emotionales Feuerwerk. Doch nach ihrem größten Grand-Slam-Erfolg seit mehr als zweieinhalb Jahren war Andrea Petkovic zu erschöpft zum Jubeln. "Ich habe mich gefühlt wie ein Zombie, mein Energie-Level war unter Null. Das war so schade, denn die Atmosphäre war so schön, obwohl alle Zuschauer gegen mich waren", sagte die 26-Jährige am Samstag nach ihrem Achtelfinal-Einzug bei den French Open in Paris.

Geschwächt von einem Magen-Darm-Virus quälte sich die Weltranglisten-27. zu einem 6:4, 4:6 und 6:4 gegen Lokalmatadorin Kristina Mladenovic. Die 2:21 Stunden zwischen Hoffen und Bangen erlebte Petkovic vor etwa 15 000 Zuschauern wie in Trance. "Ich habe mir gesagt, du musst dieses Spiel irgendwie überleben. Ich habe nichts wahrgenommen, auch das Publikum nicht. Vielleicht war das sogar ganz gut so", berichtete die Hessin, die ihr viertes Grand-Slam-Viertelfinale vor Augen hat. Es wäre das erste seit September 2011 (US Open).

Heute ist Petkovic im Duell mit Qualifikantin Kiki Bertens (Niederlande), die Nummer 148 der Welt, Favoritin. Obwohl sie ihren Erfolg völlig entkräftet zunächst nicht genießen konnte, wusste sie den Sprung in die Runde der letzten 16 aber zu schätzen. "Es ist eine schöne Bestätigung für all die Arbeit", erklärte die immer wieder vom Verletzungspech gebeutelte Deutsche: "Ich habe gesehen, dass ich wieder auf der großen Bühne mitspielen kann." Und das ausgerechnet im "Stade Roland Garros", wo die ehemalige Nummer neun der Welt ein Jahr zuvor ihren Schläger an den Nagel hängen wollte. In der Qualifikation der French Open 2013 war sie gescheitert. Es war der Tiefpunkt ihrer Misere mit drei schweren Blessuren binnen eines Jahres, die die konstanteste Grand-Slam-Spielerin des Jahres 2011 zeitweise aus den Top 170 bugsierten. "Ich war an einem Punkt, wo ich alles hinschmeißen wollte", verriet die 26-Jährige.

Erfolg mit erfahrenem Trainer

Sie tat es nicht. Was folgte, war "meine zweite Karriere". Petkovic verpflichtete Anfang des Jahres den erfahrenen Trainer Erik van Harpen. Mit dem 70 Jahre alte Niederländer, der unter anderem die frühere Weltranglisten-Erste Arantxa Sanchez Vicario aus Spanien betreute, kommt der Erfolg zurück. "Wir haben viel an der Technik gearbeitet. Ich bin jetzt stabiler und habe das Gefühl, ich mache so viele Sachen besser", sagte Petkovic, die in Paris die letzte im Teilnehmerfeld verbliebene Deutsche ist: "Allerdings müssen sich die Dinge noch automatisieren." Im April holte sie den Titel in Charleston (USA) - nach 1051-tägiger Durststrecke ohne Turniersieg.

Eine Niederlage kassierte gestern Philipp Kohlschreiber. Der Weltranglisten-24. musste sich in Runde drei Olympia-Sieger Andy Murray aus Schottland (Weltranglisten-Achter) mit 6:3, 3:6, 3:6, 6:4 und 10:12 geschlagen geben. Die Partie war am Samstagabend wegen Dunkelheit beim Stand von 7:7 im letzten Satz abgebrochen worden. Auch Angelique Kerber ist raus. Die Weltranglisten-Neunte verlor gestern ihr Achtelfinal-Spiel mit 1:6 und 2:6 gegen die Kanadierin Eugenie Bouchard. Für Grand-Slam-Rekordsieger Roger Federer war ebenfalls im Achtelfinale Schluss. Der Weltranglisten-Vierte aus der Schweiz verlor mit 7:6 (7:5), 6:7 (3:7), 2:6, 6:4, 3:6 gegen den Letten Ernests Gulbis.

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