Verwirrung um Doping-Geständnis

Moskau · Die Chefin der russischen Nationalen Anti-Doping-Agentur hat eine „institutionelle Verschwörung“ eingeräumt. Doch wie weit die Ausmaße gehen, weiß niemand. Die Russen kassierten das Geständnis gleich wieder ein.

Stimmt es, oder stimmt es nicht? Ein erstes Eingeständnis von Doping-Vertuschungen in Russland von Rusada-Chefin Anna Anzeliowitsch ist gleich wieder einkassiert worden. Die Aussagen in der "New York Times" seien verfälscht und aus dem Zusammenhang gerissen, teilte die Anti-Doping-Agentur Rusada gestern mit. Auch der Kreml bezweifelte die Glaubwürdigkeit des Berichts in der renommierten US-Zeitung. Erst müsse man prüfen, ob die Aussage so gefallen sei, wie sie Anzeliowitsch zugeschrieben werde, sagte Sprecher Dmitri Peskow.

"Es war eine institutionelle Verschwörung", hatte Rusada-Chefin Anna Anzeliowitsch laut "New York Times" gesagt. Sie sei schockiert gewesen von den Enthüllungen dazu, die Regierung sei jedoch nicht involviert gewesen. Der Wortlaut greift genau die Formulierung des Doping-Sonderermittlers Richard McLaren bei seinen Vorwürfen gegen Russland auf. Der Chefermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hatte Russland in seinen beiden Reports angesichts von 1000 involvierten Sportlern Staatsdoping vorgeworfen und von einer "institutionellen Verschwörung" über mehrere Jahre und sportlichen Großereignissen, auch bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi hinweg, gesprochen.

Legkow klagt gegen Sperre

Egal, ob die Anzeliowitsch-Aussagen so oder so gefallen sind - längst rüttelt der Doping-Skandal um Russland an den Grundfesten und der Glaubwürdigkeit des Sports. In eineinhalb Jahren findet mit der Fußball-WM das nächste Großereignis in Russland statt. Nachdem das IOC kurz vor Weihnachten ein Disziplinarverfahren gegen 28 Russen eingeleitet hatte, wurden vom Skiweltverband FIS sechs und vom Biathlon-Weltverband IBU zwei Sportler gesperrt. Einer davon ist Langlauf-Olympiasieger Alexander Legkow. Der 50-Kilometer-Sieger von Sotschi klagt genau wie sein Kollege Jewgeni Below gegen die Suspendierung und hat den Bochumer Anwalt Christof Wieschemann engagiert. Bei der am Silvestertag beginnenden Tour de Ski will Legkow starten.

"Es geht schließlich um Existenzen, um viel Geld und Prämien. All das hat weitreichendere Konsequenzen als nur eine vorläufige Sperre", sagte Legkows deutscher Trainer Markus Cramer. Sein Schützling sei weder vor, während noch nach den Spielen jemals positiv getestet worden. Der Sauerländer ist seit anderthalb Jahren in Russland und hat wie sein Biathlon-Kollege Ricco Groß bei seinem Amtsantritt klare Ansagen in Sachen Doping gemacht: "Für mich gibt es nur eine Null-Toleranz-Politik."

Im Weltverband FIS ist man sich des Risikos der Suspendierungen bewusst. "Wir nehmen da ein gewisses Risiko auf uns. Aber wir mussten reagieren, weil die Saison im Langlauf jetzt mit der Tour de Ski schon weitergeht", erklärte Weltverbands-Präsident Gianfranco Kasper. Der 72-jährige Schweizer gab zu, dass die Entscheidung des russischen Ski-Verbandes, das Langlauf-Weltcupfinale zurückzugeben, "auf einen gewissen Druck hin" fiel.

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