„Niemand wird das bedauern“

Amsterdam · Russlands Leichtathletik-Verband ist wegen systematischen Dopings suspendiert. Die Sperre gilt für die EM in Amsterdam. Russland war in dieser Sportart die Nummer eins in Europa, holte seit 1994 insgesamt 165 Medaillen.

Für das erfolgreichste Leichtathletik-Land des Kontinents gibt es bei den Europameisterschaften von Mittwoch bis Sonntag in Amsterdam nichts zu gewinnen. Russlands Verband ARAF ist wegen systematischen Dopings suspendiert. Dabei stand Russland seit 1994 bei sieben europäischen Titelkämpfen vier Mal auf Platz eins des Medaillenspiegels und gewann seitdem 165 Edelplaketten (52 Gold/55 Silber/58 Bronze).

Seit der Enthüllung des Betrugssystems im Riesenreich sind es mehr als Mutmaßungen, dass viele dieser Erfolge mit Doping errungen wurden. "Man muss davon ausgehen, dass nicht nur bei der WM 2015 und der EM 2014 die Leistungen der russischen Leichtathleten im höchsten Maß durch Manipulation in einem systemisch angelegten Doping erzielt worden sind", sagte Thomas Kurschilgen, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Der EM- und Olympia-Ausschluss sei konsequent und richtig. "Ich denke, niemand wird diese drakonische Entscheidung bedauern", meinte Kurschilgen. Die frühere Hammerwurf-Weltrekordlerin Betty Heidler pflichtet ihm bei: "Bis auf die Russen finden alle die Entscheidung richtig und gut."

Allein die russische Whistleblowerin Julia Stepanowa, die das Betrugssystem in der Leichtathletik ihres Land aufdeckte, hat vom Weltverband IAAF die Startgenehmigung für diese EM erhalten. Für die 800-Meter-Läuferin, die am Sonntag ihren 30. Geburtstag feierte, ist es eine Rückkehr nach zweijähriger Doping-Sperre und der Flucht aus Russland über Deutschland in die USA. In ihrer Heimat ist sie als Verräterin gebrandmarkt, dort wäre sie in Gefahr.

Morgen wird Stepanowa um 18.25 Uhr im EM-Vorlauf im Blickpunkt stehen. Dass sie ihre Bestzeit von 1:58,99 Minuten annähernd erreicht, erscheint unwahrscheinlich. Eine für gestern angesetzte Pressekonferenz mit der Doping-Kronzeugin hatte der Europäische Verband EAA aus "organisatorischen Gründen" wieder abgesagt. Ob noch weitere russische Leichtathleten antreten werden, muss der Weltverband IAAF schnell entscheiden. Voraussetzung ist, dass diese Sportler seit längerer Zeit außerhalb Russlands leben und sich im Ausland Doping-Tests unterzogen haben. Nach derzeitiger Rechtslage gelte das nur für zwei russische Athleten, teilte das Nationale Olympische Komitee mit.

Gestern eröffnete der Internationale Sportgerichtshof CAS sein Schiedsgerichtsverfahren zum Olympia-Ausschluss der russischen Leichtathleten . Eine Entscheidung werde spätestens am 21. Juli verkündet, teilte der CAS mit. Insgesamt 68 Athleten haben den Internationalen Sportgerichtshof als letzte Instanz angerufen, um ihren Ausschluss von den Sommerspielen in Rio doch noch zu verhindern. Zu ihnen gehört auch Weltklasse-Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa. Die 34-Jährige dreimalige Weltmeisterin hatte erst vor Kurzem mit der Weltjahresbestleistung von 4,90 Meter ihr Comeback nach zwei Jahren Babypause gefeiert.

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