Lust auf Revanche

St Denis · Frankreich bekommt seine Chance auf Wiedergutmachung. Die Mannschaft will Revanche nehmen für das WM-Aus gegen Deutschland. Der Favorit aber bleibt auch für die Franzosen der Weltmeister.

 Ein letztes „Huh“: Islands Kapitän Aron Gunnarsson. Foto: dpa

Ein letztes „Huh“: Islands Kapitän Aron Gunnarsson. Foto: dpa

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Als die glückseligen Fans gegen Mitternacht das Stade de France verließen, sangen sie die Marseillaise und riefen nach Revanche. Für die Grande Nation zählt gegen den Weltmeister nur der große Sieg: "Wir haben das riesige Verlangen in uns, die Sache von der WM wieder geradezurücken", sagte Doppel-Torschütze Olivier Giroud nach dem 5:2 (4:0) im EM-Viertelfinale gegen Island. Beim lockeren Sieg über die müden Wikinger tankten die französischen Fußballer jede Menge Selbstvertrauen für das Halbfinalduell gegen Deutschland. Giroud und Kollegen wollen die offene Wunde, die das 0:1 im WM-Viertelfinale vor zwei Jahren in Brasilien hinterlassen hat, am Donnerstag in Marseille (21 Uhr/ZDF) endlich schließen.

Die Feierlichkeiten nach dem Schlusspfiff vor der Fankurve sollen nicht die letzten im Stade de France gewesen sein. Im Anschluss an das Finale am Sonntag ist die ganz große Fète mit dem EM-Pokal geplant. Doch auf dem Weg zum dritten Titel bei der dritten Endrunde im eigenen Land müssen zunächst "les allemands" nach Hause geschickt werden. Die Strategie dafür haben sich die Franzosen schon zurechtgelegt. Trotz der großen Personalprobleme bei den Deutschen schieben sie dem viermaligen Weltmeister die Favoritenrolle zu. "Deutschland hat die beste Mannschaft. Daran kann es keinen Zweifel geben", sagte Trainer Didier Deschamps: "Sie gehören zu den wenigen Teams, die das Spiel kontrollieren können. Das wird kein Spaziergang."

Respekt ja - aber von Furcht war bei den Spielern nichts zu spüren. "Wir wissen um die Qualität der Deutschen, aber wir sind nach diesem Abend um Einiges stärker", sagte Torschütze Dimitri Payet (43.), der gemeinsam mit Giroud (12./59.), Paul Pogba (20.) und Antoine Griezmann (45.) den Sieg gegen Island herausgeschossen hatte. Keine große Mühe hatten die Franzosen, die 1984 (EM) und 1998 (WM) zu Hause die Titel holten, auch beim bisher letzten Duell mit der deutschen Auswahl. Auch wenn das Spiel am 13. November 2015 vom Terror in Paris überschattet wurde, beherrschten die Franzosen damals die Deutschen und gingen mit einem 2:0 (1:0) vom Platz.

Und noch etwas spricht für den Gastgeber: Auf den Torschützen vom 4. Juli 2014 im Maracana muss Deschamps in seiner Spiel-Vorbereitung nicht näher eingehen. Schließlich ist Innenverteidiger Mats Hummels , der in der 13. Minute per Kopf getroffen hatte, gelbgesperrt. Das Feld für die Franzosen ist also bestellt.Als die EM ihrem Liebling adieu sagte, liefen bei den tapferen Wikingern die Tränen. Aron Gunnarsson weinte, Ari Skulason ließ sich von seiner Tochter trösten. Doch die Enttäuschung über das schmerzhafte Viertelfinalaus gegen die übermächtigen Franzosen wich bei Islands Fußball-Helden nach einem letzten "Huh!" schnell purem Stolz. "Vielleicht wäre es ein bisschen zu viel gewesen, die EM gleich im ersten Versuch zu gewinnen. Aber es war ein tolles Turnier", sagte Stürmer Kolbeinn Sigthorsson.

Die französischen Fans waren längst auf dem Heimweg, als Tausende Isländer trotz des 2:5 (0:4) immer noch mit ihrer Klatsch-Choreographie und den markanten "Huh!"-Rufen in der Kurve feierten. Die Spieler stellten sich für ein letztes gemeinsames Foto auf, im Hintergrund wurde gejubelt, als hätten sie gerade den Titel geholt. Mit solchen Gänsehautmomenten hatten die Männer von der Vulkaninsel die Herzen Europas im Sturm erobert.

"Wir haben den Kindern zu Hause die Hoffnung gegeben, dass so etwas möglich ist", sagte Offensivspieler Gylfi Sigurdsson. Und es soll nicht das letzte Mal gewesen sein. "Wir stehen hoffentlich vor einer rosigen Zukunft", sagte Sigurdsson. Die Qualifikation für die WM in Russland muss allerdings ohne Trainer Lars Lagerbäck geschafft werden. Der 67-jährige Schwede beendet aus Altersgründen sein Engagement. "Es war eine fantastische Reise", sagte Lagerbäck stolz.

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