In der allerletzten Runde verliert der KSV den TitelEin Drama in zehn Akten - und beinahe hätte es gereicht

Saarbrücken. Mit dem Rundengong stürmen die Ringer des ASV Mainz 88 auf die Matte, auf der Andrej Shyyka und Kiril Terziev regungslos liegen. Bis zur letzten Sekunde hatten sie um jeden Wertungspunkt gerungen. Teamkollegen, Trainer und Fans begraben Terziev unter sich, jubeln, können ihr Glück kaum fassen. Shyyka bleibt enttäuscht und erschöpft am Boden liegen

Saarbrücken. Mit dem Rundengong stürmen die Ringer des ASV Mainz 88 auf die Matte, auf der Andrej Shyyka und Kiril Terziev regungslos liegen. Bis zur letzten Sekunde hatten sie um jeden Wertungspunkt gerungen. Teamkollegen, Trainer und Fans begraben Terziev unter sich, jubeln, können ihr Glück kaum fassen. Shyyka bleibt enttäuscht und erschöpft am Boden liegen. 2:2 endet die letzte und fünfte Runde, doch dank der höheren Wertung entscheidet sie Terziev für sich.Der KSV Köllerbach ist so nah dran, so unglaublich nah, und doch reicht es nicht. Als Shyyka auf die Matte tritt, hat der KSV den Acht-Punkte-Rückstand aus dem Hinkampf (14:22) dank eines grandiosen Auftritts aufgeholt. Und so ist klar, dass allein Shyykas Kampf über den Titel entscheidet. Shyyka, der wegen zweier Kreuzbandrisse fast ein Jahr pausieren musste, kämpft wie ein Löwe. Doch er verliert. Mit 2:3. Und dem KSV Köllerbach fehlt bei seinem 22:15-Erfolg diese eine, diese letzte Runde zur siebten deutschen Meisterschaft.

"Wir haben in Mainz zu viel verschenkt", resümiert Teamleiter Thomas Geid, blass und ausgelaugt, und erinnert an den Hinkampf eine Woche zuvor (14:22). Trotzdem hat Köllerbach die Herausforderung angenommen - und fast Erfolg gehabt. "Das ist natürlich umso bitterer", sagt Ringer Timo Badusch mit Tränen in den Augen.

Shyyka hat sich nach verlorener erster Runde zurückgekämpft und sowohl die zweite (1:0), als auch die dritte (4:1) Runde gewonnen. Die Zuschauer verwandeln die Saarbrücker Saarlandhalle in ein Tollhaus. "Was Andrej heute gezeigt hat, war oberste Klasse, absoluter Wahnsinn", erklärt Kapitän Jan Fischer anerkennend, aber auch niedergeschlagen.

Die vierte Runde gibt Shyyka wieder ab. Dass die deutsche Meisterschaft nicht nur im letzten Kampf, sondern in der letzten Runde vergeben wird, passt zu diesem nervenaufreibenden Abend (siehe Text unten).

Als Shyyka in der fünften Runde den ersten Wertungspunkt zum 1:0 setzt, ist der KSV Köllerbach für einen kurzen Moment am Ziel, scheint die Wende, an die viele nicht geglaubt hatten, geschafft zu haben. Shyyka weiß natürlich, dass er gewinnen muss, "aber man geht nicht mit einem Ergebnis im Kopf auf die Matte", sagt der gebürtige Ukrainer.

Shyyka ist es aufgrund der Reihenfolge der Gewichtsklassen gewohnt, am Ende zu ringen. "Wenn du gewinnst, bist du der Held", sagt er gefasst, "und wenn du verlierst, ist es umso schlimmer." Und es ist schlimm, geradezu tragisch. 26 Sekunden vor dem Ende kontert sein Gegner Kiril Terziev mit einer Zweier-Wertung zum 2:1. Shyyka versucht alles, holt noch einen Punkt, doch dann fehlt ihm einfach die Zeit.

"Verloren haben wir die Meisterschaft letzte Woche", sagt Kollege Fischer nach dem Kampf mit einem Schulterzucken: "Heute waren wir großartig - als Mannschaft und wie wir zueinander gestanden haben." Virgil Munteanu - Tahir Zaidov (55 Kilo griechisch-römisch): Munteanu war in dieser Saison in der Klasse bis 55 Kilo ungeschlagen und sollte gleich den Ton angeben. Doch schon in Runde eins wird er von Zaidov geworfen. Er kämpft sich zurück, gewinnt die folgenden drei Runden, allerdings ohne einen technischen Wertungspunkt. Zwischenstand: 1:0.

Dimitar Kumchev - William Harth (120 Kilo Freistil): Kumchev lässt sich vom fast 30 Kilo leichteren Harth die erste Runde abnehmen. In der zweiten setzt er seinen Gewichtsvorteil um. Ab da wirkt Harth müde. In der dritten Runde legt Kumchev den Saarländer fast auf die Schultern. Am Ende gewinnt er 3:1. Zwischenstand: 4:1.

Andrei Dukov - Mahmut Bayoglu (60 Kilo Freistil): Dukov gewinnt die erste Runde, die zweite und dritte sind offen, gehen an Bayoglu (2:3 und 5:10). Aber Dukov kämpft bis zum Umfallen, gewinnt Runde vier. Als er auch in der fünften Runde frühzeitig angreift, will er zu viel und verliert unglücklich mit 2:3. Zwischenstand: 6:4.

Melonin Noumonvi - Daigoro Timoncini (96 Kilo gr.-römisch): "Melo" erfüllt alle Erwartungen. Den Franzosen ringen zu sehen, ist eine Augenweide. Nach seinem taktisch klugen 3:0-Sieg legt er ein Tänzchen auf die Matte, die Fans sind begeistert. Zwischenstand: 9:4.

Tomasz Swierk - Dawid Karecinski (66 Kilo gr.-römisch): Der Schock vor der Pause. Swierk kann seine Leistung aus dem Hinkampf (3:1) nicht wiederholen und verliert mit 0:3. Jan Fischer sagt später: "Das war schon ein kleiner Hieb in die Seite, denn bis dahin lief es ja sehr gut." Halbzeitstand: 9:7.

Ibragim Aldatov - David Bichinashvili (84 Kilo Freistil): Die Schulterniederlage aus dem Hinkampf hat Aldatov nicht geschmeckt. Am Samstagabend lässt er Bichinashvili nicht den Hauch einer Chance. Er tut, was nötig ist - ein glatter 3:0-Erfolg. Zwischenstand: 12:7.

Martin Daum - George Bucur (66 Kilo Freistil): Dass Daum das Kunststück (3:0) von vergangener Woche wiederholen würde, ist kaum zu erwarten. Sehr wohl aber, dass er Bucur bezwingt. Und Daum kämpft Bucur mit 3:2 nieder und sinkt danach völlig erschöpft zu Boden. Zwischenstand: 15:9.

Jan Fischer - Pascal Eisele (84 Kilo gr.-römisch): Fischer ist abgezockt, lässt sich in der Bodenlage in Runde eins und drei nicht bewegen. In der zweiten Runde macht er seine Wertung. Ein sicheres 3:0 - der KSV hat nun neun Punkte Vorsprung und ist auf Titelkurs. Zwischenstand: 18:9.

Timo Badusch - Ilyas Magamadov (74 Kilo gr.-römisch): Badusch startet den Kampf gegen den russischen Vizemeister von 2012 hochkonzentriert. Es ist ein offenes Duell, in dem Badusch bis an die Grenze geht und knapp mit 2:3 verliert. Zwischenstand: 20:12.

Andrej Shyyka - Kiril Terziev (74 Kilo Freistil): Wieder ein offener Schlagabtausch. Im Wechsel gewinnen beide eine Runde, bis Shyyka in der entscheidenden fünften Runde punktet. Terziev aber kontert. Shyyka holt noch einen Zähler zum 2:2, dann läuft ihm die Zeit aber davon.

Endstand: 22:15. aub

Meinung

KSV Köllerbach darf stolz sein

Von SZ-RedakteurKai Klankert

Man ist schnell versucht, einen Schuldigen zu suchen. Einer, der diese fehlenden Punkte hätte holen können. Aber wenn es eine Erkenntnis aus dem Final-Rückkampf gibt, dann, dass der KSV Köllerbach den Meistertitel schon im Hinkampf verloren hat.

Mit ein paar Tagen Abstand wird die Enttäuschung verflogen sein. Auf diesen Abend darf der KSV stolz sein. Fast 3000 Zuschauer litten mit ihren Mannschaften, die meisten mit Köllerbach. Der Kampf war - trotz des bitteren Endes - ein würdiger Abschluss einer Saison, die aus Köllerbacher Sicht besser gelaufen ist, als viele erwartet hatten.

Der KSV Köllerbach hat mit dieser emotionalen Achterbahnfahrt, die selbst sportart-fremde Menschen mitgerissen hat, eindrucksvoll bewiesen, dass Ringen im Saarland keine Randsportart ist. Dazu hat auch die mutige Entscheidung beigetragen, in die Saarlandhalle zu gehen. Sie bot einen perfekten Rahmen.

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