Eine Kopfsache

Marpingen/Elversberg · Fußball ist im Prinzip ganz einfach. Doch oft spielt die Psyche den Spielern einen Streich – und sorgt für beinahe unerklärliche Leistungsabfälle. Fußball-Drittligist SV Elversberg arbeitet daher mit Mentaltrainern.

 Sorgen für ein psychisches Gleichgewicht bei den Spielern der SV Elversberg: Die beiden Mentaltrainer Thomas Immand (links) und sein Kollege Mark Klinger. Foto: Thomas Wieck

Sorgen für ein psychisches Gleichgewicht bei den Spielern der SV Elversberg: Die beiden Mentaltrainer Thomas Immand (links) und sein Kollege Mark Klinger. Foto: Thomas Wieck

Foto: Thomas Wieck

Abgesehen von der 0:5-Klatsche am vergangenen Wochenende gegen Borussia Dortmund II überraschen die Fußballer der SV Elversberg in dieser Saison als Aufsteiger mit starken Leistungen in der 3. Liga. Dabei war der Aufstieg vor etwa einem halben Jahr in akuter Gefahr: Nach 17 Spielen hatte die SVE 38 Punkte auf dem Konto und durch einige Nachholspiele die Möglichkeit, ihre Tabellenführung nahezu uneinholbar auszubauen. Doch der Motor stockte und nach der Winterpause holte die Mannschaft aus den ersten 15 Spielen nur noch 18 Punkte. Vor dem Derby gegen den FC Homburg, das Elversberg am 35. Spieltag mit 1:0 gewann, holte sich der Club die Unterstützung von "Mentaltrainern" ins Boot.

"Im Kopf ein bisschen platt"

"Ich hatte den Eindruck, dass die Mannschaft im Kopf ein bisschen platt war", sagt SVE-Sportdirektor Roland Benschneider rückblickend. Es kam zur Kontaktaufnahme mit Mark Klinger, Geschäftsführer von ESBA Academy, und Thomas Immand. "Ich finde gut, was sie machen und wie man sieht, funktioniert es auch", sagt Benschneider, der die Zusammenarbeit mit Klinger und Immand in dieser Saison ausbaute: "Der Erfolg zeigt uns, dass es richtig ist, so zu arbeiten. Das aber alleine als Erfolgsgarant zu nehmen, wäre zu einfach. Dafür ist Fußball zu komplex."

Weniger komplex klingt das Konzept, das hinter dem Mentaltraining steht und das der frühere Profi-Kampfsportler Klinger schon seit über sechs Jahren in Wirtschaftsunternehmen anwendet. Anhand eines wissenschaftlich fundierten Analyseverfahrens wird die individuelle Persönlichkeitsstruktur, die "Biostruktur", ermittelt - und in einem sogenannten "Structogram", einem Kreisdiagramm mit drei unterschiedlich großen "Kuchenstücken" in den biologischen Grundfarben Rot, Blau und Grün, dargestellt. Die Farbe Rot steht vereinfacht für Emotionalität, die im Zwischenhirn mit dem Hauptbotenstoff Adrenalin gesteuert wird. Blau steht für Rationalität und das Großhirn mit den Botenstoffen Dopamin/Melatonin und Grün für das Zwischenmenschliche und das Stammhirn mit dem Hauptbotenstoff Serotonin.

"Der Austausch der Botenstoffe ist unterschiedlich und bestimmt unsere Eignungs- und Eigenart. Menschen streben immer ein psychisch-physisches Gleichgewicht an", erklärt Klinger: "Wenn wir uns in einem Ungleichgewicht befinden, können wir nicht optimal leistungsbereit sein. Sind wir aber in der Lage, das Gleichgewicht herzustellen, können wir erfolgreich arbeiten."

Die Biostruktur ist einzigartig wie die Netzhaut oder der Fingerabdruck eines Menschen. "Von daher weiß man ganz genau, warum unterschiedliche Menschen in Situationen unterschiedlich wirken", erklärt Klinger. "Einer muss seine Probleme eher kommunikativ lösen, ein anderer eher selbstreflektierend und der dritte eher physisch."

Besseres Stress-Management

Darauf aufbauend kann Klinger die Sportler individuell schulen - vor allem in Sachen Kommunikation und Stressmanagement. Mit dem Wissen der biochemischen Ausschüttung eines Sportlers kann man sogar das Athletiktraining optimieren. Klinger stellt klar: "Wir sind keine Psychologen. Wir passen die mentale Trainingsmethodik entsprechend der genetischen Voraussetzungen des Sportlers an."

Mit Erfolg: Nach dem gelungenen Schlussspurt in der Regionalliga und der erfolgreichen Aufstiegs-Relegation gegen 1860 München II (3:2, 1:1) legte die SVE in der neuen Klasse einen guten Start hin und überwintert auf einem Nichtabstiegsplatz.

Das Wissen, wie ein Spieler in bestimmten Situationen reagiert, hat auch Auswirkungen auf die Entscheidungen des Trainers. Entscheidungen, die er "aus dem Bauch heraus" trifft, scheinen an Bedeutung zu verlieren. "Unser Erfolg liegt in der Zusammenarbeit mit Trainer und Funktionsteam. Wir optimieren die Trainingsprinzipien, die sie ohnehin verfolgen", erklärt Klinger:

Ein wesentlicher Baustein des Erfolges sei dabei das Selektieren von Führungsspielern, was gemeinschaftlich mit dem Trainerstab und dem Funktionsteam vorgenommen werde: "Führungsspieler wirken als Multiplikator des Trainers über uns zur Mannschaft", fasst Klinger zusammen: "Wir können bei jedem Spieler individuell das Optimum wecken. Letztendlich ist Teamsport nichts anderes als ein Kollektiv von Einzelsportlern." Und dieses Kollektiv funktioniert in Elversberg - trotz der jüngsten 0:5-Klatsche gegen Borussia Dortmund II.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort